Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1966

Spalte:

108-111

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Delekat, Lienhard

Titel/Untertitel:

Katoche, Hierodulie und Adoptionsfreilassung 1966

Rezensent:

Herrmann, Wolfram

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

107

Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 2

108

I.), Nr. 21 (Grabinschrift von Saqqära) und Nr. 49 (Stele von
Carpentras) genannt werden. Im Zusammenhang damit steht eine
Fülle von Fehlinformationen und Auslassungen, die das Verständnis
angesichts der ohnehin nicht sehr zahlreichen Sacherklärungen
keineswegs fördern. Wenige Beispiele für viele:

Nr. 1: Die große Inschrift des Kilamuwa von Sam'al ist nicht
„in die Wand des königlichen Palastes eingraviert", sondern befindet
sich auf einem Torlaibungsorthostaten. — Nr. 7,2: Zu ist ausschließlich
auf hebr. FQVJt (D'HN) verwiesen; von den Schwierigkeiten
der Deutung und von anderen Vorschlägen ist nicht die Rede. — Nr. 8
A, Z. 1: Tibi* dürfte schwerlich mit dem Ortsnamen Mari zusammenhängen
; der Verweis auf Nr. 10, IAa9 ist falsch, da dort mit Sicherheit
"13 (nicht m) gelesen werden muß. — Nr. 10 (S. 42): Die Behauptung
, die Inschriften von Sfire seien „drei verschiedene Bearbeitungen
eines Vertrages", berücksichtigt nicht die unverkennbare Sonderstellung
von Sfire III; vgl. M. Noth, ZDPV 77 (1961) S. 118 ff. — Nr. 10, IA
a 10: Die Gottheit „Kadi" kommt für nNlo nicht in Betracht; ihre
Existenz beruht auf einer falschen Lesung (KA. DI = Sataranllstaran;
vgl. KAI 2, Nr. 222, 10). — Nr. 10, I Aa 10: Weshalb mm und ins
„eher Ortsnamen" als Appellativa sein sollen, bleibt unerfindlich. Man
kann es jedenfalls nicht damit begründen, daß Z. 11 „der Gott des
Himmels und der Erde" genannt sei; denn einerseits trägt das nichts
zur Klärung bei und andererseits ist Z. 11 von „Himmel und Erde" die
Rede. — Nr. 10, ICbl2:a'^N heißt nicht „Nachkommenschaft", sondern
„Name". — Nr. 11, Z. 2 (S. 71): In den Annalen Tiglatpilesers III.,
Z. 103 ist [Az-ri]-ja-a-u zu lesen, nicht a-zu-ri-a-u. — Nr. 12, Z. 18:
TObD ist n. pr. pers. „Kilamuwa", nicht „alles davon" ( 1 nba sief).

— Nr. 14, Z. 13: Der Schreibfehler JYTaVli statt -p1;3"!: (im II.
Teil richtig) führt zu der kuriosen Deutung „Marduk ist mein Nar-
dus (?)"; gemeint ist Na'id-Marduk „Gepriesen ist Marduk". —
Nr. 17, Z. 1: "'«3 "IT "i'w ist unmöglich. Der Name lautet Sin-zer(a)
-ibni (part. Sin-bäni-zeri ). — Nr. 21, Z. 1: Nronp ist nicht das
„Herannahen des Osiris (nach dem Tode)", sondern das Eintreten des
Toten vor Osiris beim Totengericht. — Nr. 49 (S. 168): Die Inschrift
von Carpentras steht auf einer Stele nicht „Säule". Metrische Gliederung
, „wobei die Silben gezählt werden", kommt schwerlich in Betracht.

Der Verf. hat, wenn auch nicht ohne Bedenken, den „Versuch
einer durchgängigen Vokalisation" unternommen, damit
„die Texte nicht nur gelesen, sondern so gut und genau wie
möglich1 auch vorgelesen und ausgesprochen werden können"
(Vorwort S. VII). Mit dem Entschlüsse freilich, die über einen Zeitraum
von mehr als einem Jahrtausend verstreuten Texte unterschiedlos
nach der Weise der masoretischen Vokalisation des Biblisch
-Aramäischen zu behandeln, hat er keine glückliche Hand
bewiesen. Dabei ist einerseits die Sprachgeschichte des Aramäischen
ganz außer Betracht geblieben; andererseits sind von Hause
aus univokalisierte Texte mit den Vokalzeichen einer Aussprachetradition
des 9. Jh. n. Chr. zusammengebracht worden. Das
führt zu Seltsamkeiten der folgenden Art:

<

Nr. 8 A, Z. 15: "IRTTO „sie haben geschlagen" als 1NTTO . —
Nr. 8 B, Z. 4: noOlfl »ich habe hinzugefügt" als PSOI'M . — Nr.
10, IAal:i"P«a „Höhe, Majestät" als _ Nr. 10, I A a 14:

*^pB■, „er wird vertragsbrüchig" als (Grundstamm; die Wurzel

steht im DoppelungsstammI). — Nr. 10, III 17: am-' „er sitzt" als ÜflP,

— Nr. 17, Z. 6: 3:nr „du schleppst fort" als OSTO (die Wurzel
steht im Kausativstsmm!).

Die sprachwissenschaftliche Aufbereitung des Materials
schließlich läßt viele Fragen und Wünsche offen. Man wird
nicht immer sagen können, die gebotenen Erklärungen entsprächen
dem Stande unserer Kenntnis.

Nr. 1, Z. 3: Zu as< „mein Vater" wird folgende Ableitungsreihe
gegeben: ,,'abi-ya}'abiyyabl )'ab (i ist hier Bindevokal)".
Dem wird man kaum folgen können. Der Nominativ ist als "abi, der
Genetiv als "abija anzusetzen (vgl. J. Friedrich, Phön.-pun. Grammatik
1951 § 112). — Nr. 1, Z. 11: TttJ 1. P. c. sg. perf. G von tVtJ : Nicht
„satti-hi)sattiy-i)sattiy)satti", sondern 'satti-hü)'sattijü. — Nr. 1,
Z. 12: ""OD als Passivum des Doppelungsstammes lautet schwerlidi
..kussay"; richtiger wäre "kussija. — Nr. 9, Z. 3: Kann man sagen, die
Konjunktion 'pa- sei „vom Arabischen entlehnt"? — Nr. 11, Z. 17: !TD3
heißt nicht „sie beweinte ihn" (Verwechslung mit der Form ni"P33 auf
derselben Zeile 1), sondern „er (es) beweinte ihn". Die Wurzel steht nicht
im Doppelungsstamm "), sondern im Grundstamm (vgl. DISO 36).

Die Anzahl der Schreibfehler ist außerordentlich groß; nur
ein geringer Teil ist im Verzeichnis der Addenda und Corrigenda

des I. Teiles erfaßt. Um Druckkosten zu sparen, hat das Neder-
lands Instituut voor het Nabije Oosten das Buch in Maschinenschrift
photomechanisch herstellen lassen. Leider ist dabei ganz
ungewöhnlich schlechtes Papier benutzt worden, so daß der Leser
vielfach erraten muß, was gedruckt wurde. — Nach alledem kann
sich der Rez. trotz der Vorzüge, die die Aramäische Chrestomathie
unstreitig hat und die eingangs gewürdigt worden sind, nicht
dazu entschließen, sie ohne Einschränkungen zu empfehlen.

Güttingen Herbert Donner

Delekat, Lienhard: Katoche, Hierodulie und Adoptionsfreilassung.

München: Beck 1964. XIV, 191 S., 4 Taf. gr. 8° = Münchener Beiträge
zur Papyrusforschung u. antiken Rechtsgeschichte, hrsg. v. W.
Kunkel u. H. Bengtson, 47. H. DM32.—.

Verf. hat als Assistent bei Leonhard Rost in Erlangen großzügige
Unterstützung bei seiner Arbeit genossen. Außerdem haben
— was im Interesse der Sache sehr zu begrüßen ist — andere namhafte
Gelehrte an ihr durch helfende Kritik fördernd Anteil genommen
. Das Buch ist ursprünglich als Teil einer alttestament-
lichen Arbeit entstanden, die getrennt unter dem Titel „Asylie
und Schutzorakel am Zionheiligtum" erscheinen soll. Es ist als
durchaus sinnvoll zu bezeichnen, daß die hier untersuchten Fragen
, die zur Klärung der Tatbestände, die wir aus Israel kennen,
erforderlich sind, nun doch gesondert vorgelegt werden.

Delekat behandelt das Problem der hellenistischen Tempel-
katoche. Quellen sind dafür griechische und demotische Papyri
und einige demotische Ostraka, die in der Wüste bei Memphis in
der Umgebung der Apisgräber gefunden wurden. Sie stammen
oder handeln von verschiedenen Personen und sind bereits mehrfach
bearbeitet worden. Delekat behandelt vor allem die griechischen
Papyri, die Serapeumsdokumente aus der Zeit von 168
bis 152 v.Chr. Er kommt dabei zu teils neuen Erkenntnissen,
teils werden von ihm ältere Meinungen unter Abwehr anderer
erneuert. Die Institution der Katoche tritt uns aus den Quellen
als eine Einrichtung des ägyptischen Sarapiskultes entgegen
(S. 108). Die Personen, die sich in Katoche befinden, werden
Enkatochoi genannt und sind im Tempeldienst beschäftigt. Hauptzeuge
der Serapeumskatoche ist der Grieche — nach UPZ 20, 23
genauer: Makedone — Ptolemaios. Auch in anderen Quellen aus
dem Ende des 3. und dem 2. Jh. werden einige Male Enkatochoi
erwähnt. Delekat stellt die Frage nach dem rechtlichen Charakter
der Katoche. Rez. ist nicht in der Papyrusforschung zu Hause. Er
muß sich darauf beschränken, das Buch als Gesamtleistung zu würdigen
und von ihm bekannten Aspekten aus ein Urteil zu finden.
Nach Vorwort, Widmungsblatt und Inhaltsverzeichnis folgt auf den
Seiten XI—XIV eine Aufstellung der im Buch angewandten Abkürzungen
. Der Stoff wird in fünf Kapiteln dargeboten mit den
Überschriften „Merkmale der Katoche", „Katoche und Asylie",
„Katoche und Hierodulie", Katoche als Status eines adoptions-
freigelassenen Hierodulen" und „Ansätze für eine Geschichte der
Katoche". Den Beschluß bildet eine kurze, klare Zusammenfassung
der gewonnenen Ergebnisse. Danach folgen Register und
4 Tafeln mit photographischen Wiedergaben von Papyri, die Verf.
vom Original her einer erneuten eingehenden Bearbeitung unterzogen
hat.

Die Enkatochoi haben unterschiedlichen rechtlichen Status.
Neben solchen, die in ihrer Bewegungsfreiheit auf den Astartc-
Tempel oder den Serapeumsbezirk beschränkt sind, gibt es andere,
die sich außerhalb des Tempels frei bewegen können. In der
Eigenschaft als Enkatochoi haben sie nicht in Beziehung zueinander
gestanden (S. 27). Von Interesse ist die Tatsache, daß zwei
unmündige Mädchen als prozeßfähig anerkannt werden mußten,
weil sie sich im Asyl befanden (S. 47). Denn die Katoche ist Zuflucht
für Gescheiterte und Gefährdete. Solche Asylflüchtlingc
konnten im Tempel dauernde Aufnahme finden (S. 71), Mädchen
gern als Tempelprostituiertc. Während das Asyl lediglich Schutz
für den Flüchtling bedeutete, fanden namentlich Verarmte in der
Katoche Unterhalt (S. 80). Die Anstellung eines Asylflüchtlings
im Tempeldienst ist offenbar ein gewöhnlicher Vorgang gewesen
(S. 48). Der Gott bot dem Schutzsuchenden Asyl und nahm ihn
zur Gegenleistung in Katoche. Über die Auflösung des Dienstverhältnisses
hatte demzufolge auch nur der Gott zu entscheiden
(S. 63).