Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1966

Spalte:

104-105

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Davidson, Andrew B.

Titel/Untertitel:

An introductory Hebrew grammar 1966

Rezensent:

Meyer, Rudolf

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

103

Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 2

104

102 ob.) 8. In der Jerusalemer Tempeltheologie waren der irdische Thron
(im Tempel) und der himmlische nur zwei Aspekte der einen Vorstellung
vom Gottesthron mit kosmischer Bedeutung. Erst im nachexilischen
Judentum sei dieses „mythische Weltbild" zerfallen, indem jetzt der
Urbild-Abbild-Gedanke (der ird. Thron ist n u r Abbild des himmlischen)
auftaucht (106). Dieser Vorgang hat zur Folge, daß an die Stelle des
Hintretens vor Jahwe im Tempel die Entrückung oder Vision zum himmlischen
, wirklichen Thron tritt. So konnte der Tempelritus zur Himmelsreise
werden, bzw. benutzt werden. Elemente dieser Konzeption sind
nach M. schon in der at-lichen Kultideologie vorhanden. Auf Grund
eines neuen Welt- und Daseinsverständnisses in der Eschatologie und
Apokalyptik erfolgte eine Neuinterpretation der alten priesterlichen
Kultüberlieferung (106). Nach dem Zerfall des ird. Tempels konnte die
Liturgie zum Mittel der Himmelsreise werden, wie sie es für den Priester
war, um vor Gott im Tempel zu treten. — Ausgangspunkt ist die Thronwagenvision
Ezechiels (112—121), die in der Jerusalemer Tempelideologie
verwurzelt ist (Ez. war Priester!); ihr Charakteristikum „ist die Veranschaulichung
der kosmisch-mythischen Komponente der Vorstellung vom
,Kerubenthroner' unter Ablösung derselben von der Tempelsituation"
(119). Damit war für die Folgezeit der entscheidende Schritt zur Vergeistigung
und symbolischen Ausdeutung im Sinne einer kosmischen
Thronsphäre getan. Die prophetischen Visionen (Jes. 6!) werden zu
objektiven Schilderungen einer höheren Region, deren „Schau" zu übernatürlichen
Kenntnissen kosmologischer und eschatologisch-apokalypt.
Art führen sollte. Über diese Ausdeutung und Vcrobjektivierung der
Prophet. Thronvisionen orientiert S. 121 ff (AT, Targüm, Apk.) • und
S. 128 ff (Rabbinica). Die eigentlich „exegetisch-spekulative Betrachtung"
der Thronidee findet schließlich ihren Höhepunkt in der märkäbäh-Spe-
kulation; sie wurde „Kristallisationszentrum einer mehr und mehr ausgebildeten
Kosmologie" (131), ja eines Pieromas, wobei sie, selbst
kultisch verwurzelt, sich weiterhin mit kultisch-liturgischen Überlieferungen
bereicherte. Die Märkäbäh-Hymnen verarbeiten nach M. liturgisches
Gut des inneren, nur den Priestern zugänglichen Tempclrituals und stehen
im Zusammenhang der Bestrebungen, die synagogale Liturgie „mystisch"
zu bereichern (133 ff). Damit glaubt M. das hohe Alter dieser esoterischen
Tradition (wie es die Untersuchungen Scholems nahelegen) verständlich
machen zu können. Abirrungen und Häresien in dieser Branche, deren
Hauptthema die Gestalt Gottes (Käbod-Esoterik) im Unterschied zur
Apokalyptik gewesen ist, lassen sich schon im 1./2. Jh. n. Chr. nachweisen
; sfc haben zum Zurücktreten dieser Käböd-Mystik, deren Gefahren
immer wieder betont werden, und zur Hekälöt-Mystik geführt.
Letztere entstand im Zusammenhang der eschatologischen Spannungen
und wirtschaftlichen Krisen des 2.13. Jh.s der jüd. Geschichte, daher
diente sie zunächst apokalypt. Interessen (märkäbäh als Offenbarungsstätte
)10. Das anschließende Einsetzen einer ritualistisch-meditativen Praxis
der Himmelsreise verlagert endlich das Interesse ganz auf den Inhalt des
Weges dieser Reise und deren Ziel, das Pleroma. Auch dabei spielen nach
M. wieder liturgische Elemente eine entscheidende Rolle (143), indem
die irdischen Tempelverhältnisse auf die himmlische Welt übertragen
werden. „Die Vorstellung vom Gottesthron war in der israelitisch-jüdischen
Religion so sehr Veranschaulichung der Welt- und Geschichtsmächtigkeit
des Schöpfergottes, daß sie eine der stärksten Stützen gegen
die gnostische Gefahr darstellte, obwohl andererseits gerade die Ritualisierung
der esoterischen Disziplin und des kosmischen Geschehens die
deutlichsten Parallelen zur Gnosis hervorbrachte . . . Die Ritualisierung
des Kosmos sichert die universal-kosmische Geltung des .Gesetzes' und
verhindert einen kosmischen Dualismus" (147).

Wie schon betont, ist die Hervorhebung des ritual-kultischen
Traditionsstromes, der AT und jüdische Mystik verbindet, eine
anregende und originelle These, die trotz mancher Bedenken 11
einen neuen Aspekt in die Forschung einführt und so aller Beachtung
wert ist, da sie energisch versucht, das merkwürdige Phänomen
der frühjüdischen Thronwagenkosmologie und Mystik als
ein genuin jüdisches, traditionsgeladcnes, zu begreifen. Für dieses
Unternehmen gebührt dem Verf. aufrichtiger Dank!

Leipzig Kurt Rudolph

8) Zu Jes. 6 vgl. jetzt auch W. Schmidt, Jerusalemer EI-Traditionen
bei Jesaja, in: ZRGG XVI, 1964, S. 302-313.

°) In dem aram. Fragment 5 Q 15 vom Toten Meer liegt eine
Vision des himmlischen Jerusalem vor, vielleicht aus priesterlichen Kreisen
stammend (R.Meyer, ThLZ 1965, Sp 339).

10) Ezechiel und die Art der Märkäbäh-Mystik, die auf seinen
Prophetien basierte, war bes. im babylonischen Judentum heimisch und
wurde in den dortigen Akademien gepflegt; darauf verweist schon die
Synagoge in Dura-Europos (vgl. dazu J. Neusner in: History of Reli-
glons 4, 1964, S. 97 ff).

") Verschwiegen sei natürlich nicht, daß M. dabei immer mit einer
weithin unbekannten Größe rechnen muß: dem inneren Tempcl-
ritual und dessen Fortleben. Inwieweit daher alles das. was er als kultisdt-

ALTES TESTAMENT

Davidson, A.B., Prof., Litt.D., LL.D. f,: An Jntroductory Hebrew
Grammar with progressive Exercises in Reading, Writing and Pointing.
Revised throughout by J. M a u ch 1 i n e. 2 5*" ed. Edinburgh:
T.&T. Clark 1962. XII, 313 S. 8°. Lw. 30 s.

Die 25. Auflage der von A. B. Davidson 1874 begründe
ten Introductory Hebrew Grammar ist von J. Mauchline, Alt-
testamentler an der Universität Glasgow, unter gründlicher Revision
der vorhergehenden, noch von J. E. Mc Fadyen 1960 besorgten
24. Auflage neu gefaßt und gesetzt worden. Auf Wunsch der
Verleger sollten die Charakteristika der vorhergehenden Auflage
nicht völlig getilgt werden und die neue Fassung als Fortführung
der vorangehenden erkennbar bleiben.

Damit ist eine Grammatik für Anfänger entstanden, die
zweifelsohne gegenüber ihrer Vorgängerin wesentliche Vorzüge
aufweist, z. B. pädagogisch bedingte Umgliederungen und damit
eine größere Systematik. Auch kann man es nur begrüßen, daß
Verf. gegenüber der älteren Praxis die bedeutsame Rolle der Syntax
betont; sein apologetischer Satz: „To define the limits of the
syntactical instruetion which should be included in a grammar is
. . . difficult; yet to add some such instruetion is essential; it
introduces a flavour of the living language into the dry roots of
grammatical forms" (S. IX), wirkt allerdings in Anbetracht des
gegenwärtigen Standes der Hebraistik etwas antiquiert.

Trotz der genannten Vorzüge muß man anderseits feststellen,
daß die Grammatik als Ganzes zu stark traditionsgebunden erscheint
und es dem Anfänger nicht eben leicht macht, sich nach
dem Erwerb der Grundkenntnisse des Hebräischen in modernere
und inhaltlich umfassendere Grammatiken einzuarbeiten. Einige
Beispiele, die sich beliebig vermehren ließen, mögen dies verdeutlichen
.

Bei der Transliteration werden — um mit einer Äußerlichkeit
zu beginnen — zwar die Sibilanten T. D. £< i&< Xä, als z, s, s,
(früher p), s und S umschrieben, aber BGDKPT begegnen noch
immer, wenn spiriert, als bh, gh, dh, kh, ph, th, was das Satzbild
nicht eben deutlicher macht (S. V). Einwendungen sachlicher
Art sind im Rahmen der Schriftlehre etwa gegen folgende Feststellung
anzumelden (§ 3 b. c): „Sere is normally long; it is
doubtful if it can ever be a short vowel (as, e. g., in the verbal
form which has a common variant -?P.) . . . Holem is

long." Hierzu ist zunächst zu bemerken, daß die tiberischen Vokalzeichen
primär nur die Qualität der Selbstlaute andeuten; des
weiteren sei darauf hingewiesen, daß die Regel, wonach Sere und
Holem stets lang seien, erst durch Josef Qimhi geprägt worden
ist, also nicht in der tiberischen Vokalisation des Ben-Aser-
Systems als solcher beschlossen liegt, und schließlich muß das
vom Verf. angeführte Beispiel für m. E. einwandfrei kurzes Sere
dahingehend ergänzt werden, daß neben -?P. und '^p auch -^rp
begegnet.

Wenn ferner Verf. in der Formenlehre auf S. 45, Anm. 3
(zu § 10, 1) sagt: „In NIM hü and tT~ hl the N which is silent,
points to an earlier stage in the history of the word when it was
consonantal (hü'a? hi'a?)", so fragt man sich etwas erstaunt,
warum er nicht auf die bekannten und allgemein zugänglichen
Qumran-Formen riton und rtNTi verwiesen hat, die das Nachleben
alter Formen bis in das 1. Jh. n. Chr. zwingend beweisen.
Mit nicht weniger Bedenken wird man schließlich zur Kenntnis
nehmen, daß Verf. im Rahmen der Tempuslchre (§ 43) die Funktionen
von „Perfektum" und „Imperfektum" folgendermaßen zusammenfaßt
: „The Perfect describes an action which is complete
or is coneeived to be complete, while the Imperfect expresses an
action which is incomplete" (S. 193). Mit der Erneuerung oder
Fortsetzung der veralteten These von „Perfektum" und „Imper-

liturgische Tradition bezeichnet, tatsädilich aus dem Jerusalemer Tempelritual
stammt, ist mir sehr fraglich. Ferner ist bei M. zu wenig beachtet
worden, daß die Rabbinen (einschließlich der Esoterikcr) weniger Erben
der Priester als vielmehr der Schriftgelehrten (der Nachkommen der
alten Weishcitslehrci!) und Pharisäer (oder Hasidim) waren (s. dazu
R. Meyer, Tradition und Neuschöpfung im nachexilischen Judentum,
SBSAW Phil.-hist. Kl. 110:2, Berlin 1965; auch in FuF. 38, 1964, S. 152
—156). Aus diesen Kreisen scheint mir noch eher die esoterische Spekulation
zu stammen.