Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1966

Spalte:

937-938

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Winkler, Eberhard

Titel/Untertitel:

Die Leichenpredigt im deutschen Luthertum bis Spener 1966

Rezensent:

Winkler, Eberhard

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

937

Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 12

938

2. 1. These. 4, 13—18: Hier sind die wesentlichen Ergebnisse:

a: In 1. Thess. 4, 16 ist nur von der Auferstehung der Christen die
Rede.

b: Die Sorge der Thessalonicher bestand nicht darin, daß sie ihre Toten
vom Messiasreich ausgeschlossen glaubten.

c: Das Entrückt-werden der Christen setzt keinen Zwischenzustand im
Sinne eines tausendjährigen Reiches voraus.

d: Aus dem Begriff cL-rarr^oi? (V. 17) läßt sich nicht schließen,
daß Christus mit seinen Gläubigen zur Erde zurückkehrt.

Da aus beiden Stellen folglich nicht die Vorstellung von einem Zwischenreich
erschlossen werden kann und ebenso beide Stellen nichts über
«ine allgemeine Auferstehung sagen, oft aber behauptet wird, Paulus
spreche doch indirekt von einer allgemeinen Auferstehung, nämlich dort,
wo er ein allgemeines Gericht verkünde — ein Gericht setzte Auferstehung
voraus —, behandelt ein letzter Paragraph die paulinische Gerichtsauffassung
mit folgendem Ergebnis: Paulus kennt ein Gericht über
Christen und Nichtchristcn; das Gericht über die Nichtchristcn besteht
aber lediglich darin, daß sie im Eschaton im Tode verbleiben.

Das Gesamtergebnis der Arbeit ist somit, daß die Idee vom Zwischenreich
nachpaulinischen Ursprungs ist und die Gedanken des Paulus
insofern verfälscht, als sie das eirai ohv Xoiot«) zur bloßen Vorheilsperiode
degradiert.

Wink ler, Eberhard: Die Leichenpredigt im deutschen Luthertum bis
Spener. Habil.Schrift Rostock 1965. XIV, 298 S.

Die Gattung der Leichenpredigt stellt eine bisher wenig beachtete,
aber reichhaltige Quelle für die Geschichte der Predigt und der Frömmigkeit
dar. Da eine vollständige Auswertung des umfangreichen Materials
unmöglich ist, wurde eine repräsentative Auswahl angestrebt. In der
Regel fanden nur Sammelbände von Leichenpredigten bedeutender
Prediger Berücksichtigung, da die Masse der Einzeldrucke vorläufig unübersehbar
ist.

Im 1. Kap. wird die Vorgeschichte der Leichenpredigt in der
Alten Kirche und im Mittelalter skizziert (S. 7—22). Die
vorreformatorische Leichenpredigt ist anthropozentrisch bestimmt. In
der Alten Kirche tritt sie das Erbe der antiken Laudatio funebris an,
bei der die verstorbene Person im Mittelpunkt steht. Im Mittelalter tritt
die Laudatio zurück. Dafür rückt die cura pro mortuis in den Vordergrund
.

Das 2. Kapitel schildert die Leichenpredigt im Zeitalter der Reformation
(S. 23—83). Luthers 1525 und 1 532 bei der Beerdigung seiner
Kurfürsten gehaltene Predigten sowie die Sammlungen von Johann
Spangenberg (die erste dieser Art im Luthertum) und Mathe-
sius werden analysiert. Luthers Lcichcnprcdigten sind christozentrisch
orientiert, ohne daß die menschlichen Aspekte zu kurz kommen. Während
Spangenberg sich ganz auf die biblische Verkündigung konzentriert,
sind Mathesius' Leichenpredigten stark durch persönliche Akzente geprägt
. Den Satz „De mortuis nihil nisi bene" nimmt Mathesius bejahend
auf und gibt ihm eine christologische Begründung. — Dem
Kapitel ist ein Exkurs über „Begräbnis und Leichenpredigt nach den
Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts" eingefügt.

Das 3. Kap. untersucht die Leichenpredigt in der zweiten Hälfte
des 16. Jahrhunderts auf Grund der Werke von Andreas Pancratius
und Nikolaus Seinecker (S. 84—121). In ihren sehr knappen Predigten
finden sich fast keine biographischen Notizen. Die lehrhafte Intention
dominiert.

Das Motiv des „Ehrengedächtnisses" gewinnt im 17. Jahrhundert
zunehmend an Geltung. Maßvoll findet es sich bei den Autoren, denen
das 4. Kap. gewidmet ist: Valerius Herberger, Johann Heermann
, Heinrich Müller, und, in einem längeren Exkurs, Matthias
Hoe von Hoenegg (S. 122—214). Allmählich bildet sich der
Lebenslauf als Teil der Leichenpredigt heraus. Hoe bezeichnet die Per-
sonalia als Applicatio der Auslegung auf die Verstorbenen und rückt
diese damit in einer Weise in den Vordergrund, die dem reformatorischen
Ansatz fremd ist. Eine neue „cura pro mortuis" bahnt sich an.
Trotz aller Einsicht in die Problematik der Entwicklung kann auch
Heinrich Müller sich ihr nicht ganz entziehen. Alle genannten Autoren
heben den exemplarischen Wert der Lebensläufe hervor und stellen
diese damit in den Dienst der Paränese. Der Nachweis des seligen Sterbens
ist, namentlich bei Herberger und Müller, der wichtigste und oft
einzige Inhalt biographischer Ausführungen.

Das 5. Kap. wendet sich in Martin Geier und Johann Benedict
C a r p z o v jun. zwei Vertretern der Leipziger Hochorthodoxie zu
(S. 215—249). Die Auswüchse orthodoxer Homiletik erreichen bei
Carpzov einen Höhepunkt. Subtile exegetische Abhandlungen werden
ebenso ausgebreitet wie humoristische Beispielgeschichten und banale
Emblematik. Interessant ist Carpzovs Sittenkritik im Rahmen der
Leichenpredigt. In der Exegese fällt die starke Beschäftigung mit rabbi-
nischer Literatur auf.

Spenersin sechs Bänden gesammelte Leichenpredigten (5661 S. !)
werden im 6. Kap. untersucht und mit der orthodoxen Predigt verglichen
. Formal behält Spener viele Mängel der orthodoxen Predigt bei,
er verzichtet aber auf das Prunken mit Gelehrsamkeit und das Häufen
von Beispielen. Inhaltlich konzentriert er sich auf das seelsorgerlich
Relevante. Zwei Themenkreise, die mit den Begriffen Seligkeit und
Heiligung zu umschreiben sind, stehen im Mittelpunkt. Indem Spener
betont, daß der Christ die Seligkeit schon in diesem Leben hat, durchbricht
er das in der Orthodoxie dominierende Schema „Irdisches
Jammertal — himmlischer Freudensaal".

Die Arbeit schließt mit einem Exkurs, der nachweist, daß die Mißbräuche
der Leichenpredigt, namentlich das unwahre Menschenlob und
die pauschale Seligsprechung der Verstorbenen, schon im 16. und
17. Jahrhundert scharf kritisiert wurden.

Vom 2. Kap. an erfolgt jeweils zuerst eine Analyse der Predigtform
und -methode, wodurch ein Beitrag zur Geschichte der Homiletik
und der Exegese geleistet werden soll. Schwerpunkte der inhaltlichen
Analyse sind: die Wertung der Welt und des Lebens; der Tod und seine
Überwindung; die ars moriendi; Rechtfertigung und Heiligung; gegenwärtige
und zukünftige Seligkeit; die Bedeutung der Lebensläufe. Auf
den kulturgeschichtlichen Quellenwert kann nur am Rande hingewiesen
werden.

VON PERSONEN

Gerhard Gloege zum 65. Geburtstag
am 24. Dezember 1966

Hochverehrter Herr Kollege! tischem kirchlichem Dienst und theologischer Lehrtätigkeit unter so

f außergewöhnlichen Umständen an Belastung, aber auch an Bereicherung

Zu Ihrem 65. Geburtstag, an dem Sie auf ein vielfaltiges Wirken in sich schließt, kann die heutige junge Generation wohl schwer ermes-

im Dienst von Theologie und Kirche zuruckschauen dürfen, grüßen wir sen ]hre zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen, Ihre Mit-

Sie in dankbarer Verbundenheit. arbeit in vielen kirchlichen Gremien und Ihre Vortragstätigkeit im In-

Sie gehören zu der Generation, deren theologischer Weg entschei- und Ausland lassen erkennen, wie fruchtbar Sie theologische Besinnung

dend durch die Mitarbeit in der Bekennenden Kirche bestimmt wurde, und kirchliche Verantwortung zu vereinigen wußten,

und für die theologische und kirchliche Verantwortung unlösbar mitein- Aus ,hrem vielseiti literarischen Wirken und Ihrer akademischen

ander verknüpft sind. Nach kurzem Pfarrdienst ,n Bernau bei Berlin Lehrtätigkeit mödlt£n wir nur Folgendes hervorheben:
wurden Sie 1929 als theologischer Lehrer an das Auslands-beminar in

Ilsenburg/Harz berufen, übernahmen 1933 als Studiendirektor das Pre- Der Systematischen Theologie insonderheit verpflichtet, griffen Sie

digerseminar in Naumburg/Queis und führten es als illegales Seminar — doch allem „Systemdenken" abhold - mit Ihrer theologischen Arbeit

der Bekennenden Kirche von 1934 bis 1938. Bereits 1935 Ihres Amtes weit über Ihr Fachgebiet hinaus. War bereits Ihre Dissertation einem

enthoben, mit Reichsrede- und Publikationsverbot belegt, wurden Sie zentralen neutestamentlichen Thema gewidmet, so haben Sie sich mit

1938 ausgewiesen und kehrten 1939 wieder in den Pfarrdienst zurück. Ihren späteren Schriften in eigenständiger Weise bemüht, die Trennung

Nach Kriegsende übernahmen Sic das Amt des Propstes in Erfurt und zwischen den Disziplinen, wie auch zwischen wissenschaftlicher Theologie

wurden 1946 als o. Professor für Systematische Theologie nadi Jena und und Verkündigung zu überwinden. Sie übernahmen als Mitherausgeber

1961 nach Bonn berufen. Was dieser mehrfache Wechsel zwischen prak- der RGG (3. Aufl.) die Sparte Systematische Theologie und lieferten