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Ausgabe:

1966

Spalte:

936-937

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Wilcke, Hans-Alwin

Titel/Untertitel:

Das Problem eines messianischen Zwischenreichs bei Paulus 1966

Rezensent:

Wilcke, Hans-Alwin

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 12

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unschätzbare Dienste. Aber die Predigt fordert mannigfache Modifizierungen
der rhetorischen Theorie.

Im dritten Teil der Arbeit werden die „Postilla Melan-
chthonia" und mehrere homiletische Entwürfe M's untersucht. Da
Melanchthon selbst nicht gepredigt hat, können die Entwürfe als Beleg
für seine homiletischen Anschauungen herangezogen werden.

Abschließend bleibt festzuhalten: M. hat sich mit Erfolg um die
Homiletik gemüht. Nach manchen unbefriedigenden Versuchen ist es ihm
gelungen, der Homiletik den Platz einzuräumen, welcher der von den
Reformatoren gewollten Bedeutung der Predigt und dem Stand der
theologischen Erkenntnis M's entsprach. Die Nachwelt ist an M's homiletischen
Gedanken fast blind vorüber gegangen. Ein großer Teil der uns
zugänglichen Quellen war ihr unbekannt. Die gedruckten Quellen aber
wurden mit der Brille eines rhetorischen Vorverständnisses gelesen und
dann imitiert.

Stempel, Hermann-Adolf: Die heidnische Religion in der Theologie
Augustins. Diss. Heidelberg 1964. V, 265 S.

Es gibt kein theologisches Problem, mit dessen Lösung Augustin
so lange beschäftigt war und wurde, wie das der Auseinandersetzung
mit der heidnischen Religion. In den antipaganen Kampf war Augustin
vom Beginn seiner Gemeindetätigkeit (391) bis zu deren Ende (426)
verwickelt. Aus diesem Grunde liegt der Untersuchung im ganzen die
Frage nach der geschichtlichen Entwicklung zugrunde; dabei wird im
ersten Kapitel vorzüglich die Gestalt der heidnischen Religion betrachtet,
der Augustin begegnete, im zweiten Kapitel der Ort, an dem Augustin
in seinen Werken über das Heidentum spricht, und im dritten Kapitel
die Art und Weise, wie er gegen die Heiden Stellung nimmt.

Der Ausgangspunkt für das erste Kapitel ist civ. IV 1. An dieser
Stelle hebt Augustin hervor, daß er nicht aufgrund bloßer Mutmaßung
gegen die römische Religion vorgehe, sondern daß ihm die heidnischen
Kultfeiern in frischem Gedächtnis seien und er ihr Augenzeuge geworden
sei; zum andern will er sich auf die Schriften derer berufen, die die
römischen Götter verteidigen und nicht etwa schmähen wollten. Es fällt
auf, in welch enger Beziehung Augustin zu den Heiden seiner Zeit stand
und welch geringen Niederschlag dieser Tatbestand in seinen Werken gefunden
hat. Es sind jedoch einige direkte Äußerungen von Heiden im
Schriftenkorpus Augustins überliefert, und zwar in den Briefen epist.
XVI, CCXXXII; XC, CHI; CXXXV und CCXXXIV. Alles andere, was
Augustin „ex recenti memoria" kannte, muß erschlossen werden. Nur
aus der Zeit seines Italienaufenthaltes sind keine Aussagen über das
zeitgenössische italienische Heidentum zu finden — nicht einmal über
Symmachus. Erst nach seiner vollen Bekehrung zum Christentum berichtet
Augustin häufiger von heidnisch-religiösen Bräuchen. Seit dem
Jahr 399, in dem die antipagane kaiserliche Gesetzgebung ihren Höhepunkt
erreichte und die kaiserlichen Beamten Gaudentius und Iovius die
heidnischen Tempel in Karthago zerstörten, wird Augustins Kritik
leidenschaftlicher. Ein neuer Einschnitt ist mit der heidnischen Reaktion
nach dem Fall von Rom (410) gegeben. Erst mit dem lahr 426, in dem
sich Augustin von der Gemeindearbeit zurückzieht und die Civitas Dei
beendet, hört das Heidentum auf, für Augustin eine Rolle zu spielen,
obwohl es nach civ. XXII 5 noch weiterlebt.

In drei Anhängen wird erstens eine Deutung der heidnischen Weissagung
aus civ. XVIII 53 f. im Zusammenhang mit der Schlacht an der
Wippach und den Tempelzerstörungen aus Karthago vorgelegt, dann
eine Interpretation der epist. XC/XCI und CIII/CIV auf dem religionsgeschichtlichen
Hintergrund einer Juno-Caelestis-Feier und drittens einer
Interpretation des 7. Traktates über das Johannes-Evangelium auf dem
Hintergrund einer Kybele-Attis-Feier.

Die Wendepunkte, die bei der Darstellung des Heidentums in den
Jahren 399 und 410 sichtbar wurden, lassen sich auch in der Kompostion
der Werke Augustins wiederfinden; denn nur in cons. evang. (I)
und civ. kann man ausführliche antipagane Kritik erkennen, wie im
zweiten Kapitel gezeigt wird. In den frühen philosophischen Schriften
gebraucht Augustin noch ganz unkritisch Begriffe aus der heidnischen
Religion. Aber in den retract. ist schließlich ein geradezu fanatischer
Purismus erreicht. Erst seit sich Augustin in der zweiten römischen und
der Thagastenser Zeit fest in das Christentum eingelebt hatte, wagt er
seinen ersten Angriff auf Gegner des Christentums, und zwar auf die
Manichäer. Interessanterweise ergeben sich mit dieser ersten Verteidigung
des Christentums gegen die Manichäer (mor. eccl.) auch die ersten
differenzierten Ausführungen gegen die Heiden. Ausführlicher sind die
gleichen Verhältnisse in vera relig. zu finden. Das größte Interesse gewinnt
jedoch civ.; denn das ganze Werk erweist sich entgegen manchen
anderen Deutungen als Kritik an der heidnischen Religion. — Insgesamt
läßt sich sagen, daß Augustin den Heiden im persönlichen Gespräch, in
Briefen, Predigten und Büchern Rede und Antwort gestanden hat. Die

Heiden zitiert er aber nie mit Namen, sondern immer nur in einer unpersönlichen
Form. Allen antipaganen Ausführungen — sei es im Gespräch,
im Brief, in der Predigt oder in einem Buch — ist jedoch gemeinsam,
daß sie einer konkreten geschichtlichen Situation entspringen.

Im dritten Kapitel geht es um die Stellungnahme zur heidnischen
Religion. Sie ist getragen von einem starken Mitgefühl und Mitleid mit
den Heiden. Immer wieder dringt — besonders in den Predigten — das
pastorale Moment durch, daß die Heiden doch potentielle Christen seien
und gewonnen, aber nicht etwa umgebracht werden müßten. Beten und
Fasten, Geduld und praktische Nächstenliebe gehören ebenso zum Verhalten
den Heiden gegenüber wie Boykott und scharfe rationale Kritik.
Um den Heiden nun Rede und Antwort stehen zu können, verläßt sich
Augustin nicht nur auf das, was er aus eigener Erfahrung vom Heidentum
wußte, sondern er benutzte auch schriftliche Quellen. Die christlichen
Quellen werden mehr stillschweigend benutzt als ausdrücklich
zitiert. Die heidnischen Quellen werden dagegen häufig wörtlich ausgeschrieben
. So bekommt Augustin die Gelegenheit, Widersprüche innerhalb
einer Quelle, zwischen verschiedenen Quellen oder zwischen
Qucllenstücken und der gegenwärtigen Situation als Argumente gegen
das Heidentum zu verwenden. Trotz solcher gelegentlichen KonsequenZ-
machcrei ist der Ansatzpunkt für die Auseinandersetzung zwischen
Heidentum und Christentum eindeutig im Gottesbegriff zu erkennen.
Augustin formuliert ihn mit Ps41,4: ,,Ubi est Deus tuus?". Dem
Absolutheitsanspruch des christologisch begründeten Monotheismus stellt
er die Widersprüche unter den Sondergöttern und Hauptgöttern und
unter den verschiedenen heidnischen Religionsauffassungen gegenüber.
Er bedient sich des alten euhemeristischen Arguments; er widerlegt die
Götter durch ihre Ungöttlichkeit und durch die Überlegenheit der Men-
schen. Er nimmt die gegenwärtige Situation des Streites zum Anlaß, eine
Gesamtschau der Geschichte zu entwerfen. Dabei findet er immer wieder
für sich und seine Gemeinde in der Bibel die Begründung für die Richtigkeit
seiner Stellungnahme. Die paulinischen Briefe werden in diesem
Zusammenhang besonders häufig zitiert. — Der ausführlichen antipaganen
Kritik entspricht auch die Tat; denn Augustin läßt keine Gelegenheit
ungenutzt, den Heiden das Christentum nahezubringen.

Vergleicht man den antipaganen Kampf mit dem antimanichäischen
und antipelagianischen, so stellt man fest, daß die antiheidnische Auseinandersetzung
mit der antimanichäischen beginnt und in dem Maße
abnimmt, wie die antipelagianische zunimmt.

Wilcke, Hans-Alwin: Das Problem eines messianischen Zwischenreichs
bei Paulus. Diss. Marburg 1965. 238 S.

Nach einem Einführungsparagraphen, der die Geschichte des Chilins-
mus und die Geschichte der Lehre vom Zwischenreich auf Grund paulini-
scher Stellen zum Inhalt hat, behandelt ein § 2 die Vorstellung vom messianischen
Zwischenreich in der christlichen und jüdischen Apokalyptik.
Auf Grund einer Exegese von Apk. 19, 11—21,4 wird als wesentliches
Charakteristikum der Enderwartung der Joh-Apk. „ein vor die endgültige
Vollendung gesetztes, nach der Parusie beginnendes, friedvolles, irdisches
und für einen gewissen Menschenkreis bestimmtes Messiasreich von
längerer, aber begrenzter Dauer" festgestellt. Nach einer weiteren Untersuchung
von Schriften der jüdischen Apokalyptik und rabbinischer Literatur
kommt Verf. zu dem Ergebnis, daß neben der Joh-Apk. die Idee
eines messianischen Zwischenreiches nur noch im 4. Esra-Buch — evtl.
noch in der Syr. Bar-Apk. — vertreten wird und somit das Aufkommen
der Vorstellung vom Zwischenreich — zumindest aber ihre schriftliche
Fixierung — erst in der Zeit der letzten beiden Jahrzehnte des ersten
nachchristlichen Jahrhunderts — also wohl auf Grund der Katastrophe
des Jahres 70 — angesetzt werden kann.

In einem 3. Paragraphen werden dann diejenigen Stellen exegesiert,
von denen immer wieder behauptet wurde, daß durch sie Paulus als Vertreter
der Zwischenreichsidee ausgewiesen werde:

1. 1. Kor. 15,20—28: Die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchungen
sind:

a. Das TtävisQ in 1. Kor. 15,22b bezieht sich lediglich auf Christen
und besagt nichts über eine allgemeine Auferstehung.

b: In V. 23 ist sxaoioq Ss f.v tö> l&Up xäyfiaxi zum Vorhergehenden
zu ziehen, so daß hier nichts von einer Auferstehung mehrerer
Gruppen berichtet wird.

c: rs7o? kann nicht die Bedeutung „Rest" haben, so daß nicht von
einem Rest Auferstehender nach einem Zwischenreich gesprochen
wird.*

d: Die ßnndn'n Christi ist für Paulus eine gegenwärtige Größe
und beginnt nicht erst bei der Parusie.

e: In 1. Kor. 15, 20ff. ist also weder von einer allgemeinen Auferstehung
noch von verschiedenen Auferstehungsgruppen die Rede.