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1966

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 12

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Der dritte Beitrag von Lohff über „die Bedeutung der exi-
»tentialen Interpretation" ist der gründlichste und aufschlußreichste
. Denn er gibt eine sorgfältige Darstellung mit guter Sachkritik.
Die existentiale Interpretation will eine „Währungsreform der
Sprache" des Glaubens durch eine neue Hermeneutik herbeiführen
. Dabei betont sie. daß alle Aussagen ein Credo sind. Indem
der Hörer den Text interpretiert, erfährt er die Wendung: Der
Text versteht den Hörer. Dabei ist das Gegenüber der historische
Jesus, d. h. Jesus in seinem Wort und Werk wird als der Zeuge
des Glaubens zum Grund des Glaubens.

Fragen entstehen nun nicht so sehr an der Pro-me-Relation
aller Aussagen, als vielmehr an dem Verhältnis von Jesu Wirklichkeit
zu seinem Sclbstvcrständnis. Damit hängt zusammen, daß
nicht der Erhöhte verkündigt, sondern eben der Erniedrigte. Dann
kann Kirche aber nur Frucht des Glaubens sein; sie ist nicht zugleich
auch dem Glauben vorgegeben. — Lohff meint aber, die
existentialen Theologen positiv verstehen zu dürfen: Wie Me-
lanchthon in den Loci von 1520 sind sie noch nicht vollständig
in ihren Aussagen. Doch stimmt diese Zuversicht kaum zu dem
Gewicht der Einwände.

Im Anhang ist als Beispiel existcntialer Bibelinterpretation
die Auslegung des Gleichnisses von den Arbeitern im Weinberg
durch Herbert Braun beigegeben, ein wahres Meisterstück, was
darunter zu verstehen ist, wie „Jesus Gott auslegt". An ihr kann
man die von Lohff gegebenen Kriterien gut ablesen.

Vielleicht wäre die Einführung noch instruktiver, wenn den
drei als Vortrag gehaltenen Beiträgen die Diskussionen beigegeben
wären.

Hamburg Hans-Rudolf Müller-Schwefe

Brunotte, Heinz: Nochmals: Abendmahlszulassung und Grundordnung
der EKD (Luth. Monatshefte 5, 1966 S. 506—511).

Das Memorandum des Lutherischen Einigungswerkes (Luth. Monatshefte
5, 1966 S. 503—505).

Vogel, Manfred H.: The Barth-Feuerbach Confrontation (HThR 59,
1966 S. 27—52).

Zuber. Roger: Defense et Illustration de l'individualisme Protestant
(RHPhR 46, 1966 S. 241-261).

Referate über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Schnell, Uwe: Die homiletische Theorie Philipp Mclanchthons. Diss.
Rostock 1965. III, 209 S. u. 42 S. Anmerk.

Die Arbeit setzt sich das Ziel, die homiletische Theorie Melan-
dithons darzustellen. 1929 haben Cohrs/Drews in den Suppl. Melan-
chthonia V/II mehrere speziell der Homiletik geltende Äußerungen M's
ediert und mit ausführlichen Einleitungen versehen. Diese Edition ist
für die Geschichte der Homiletik nicht ausgewertet worden. Bis heute
wird der Homilet M. gewöhnlich nach seiner Rhetorik beurteilt. Die
Geschichte der Homiletik folgt hier dem Urteil der lutherischen Homileten
des 16. Jahrhunderts, die M's homiletische Theorie in dessen
rhetorischem Lehrbuch, den „Elementa" (1531), niedergelegt
sahen und ihre eigenen Prcdigtlehren in Anlehnung an die „Elementa"
konzipierten. Darf aber vorausgesetzt werden, daß M. selbst die „Elementa
" als homiletisches Lehrbuch verstanden wissen wollte? Die speziellen
Ausführungen M's zur Homiletik mahnen zur Vorsicht.

Der erste Teil der Arbeit (zuvor wird ein kurzer Überblick
über die Geschichte der Rhetorik gegeben) fragt nach der Bedeutung, die
der Rhetorik bei M. zukommt, um dann die Intention der „Elementa"
und deren eventuelle homiletische Tendenz zu erfassen: a) Die hohe
Wertung der Rhetorik leitet sich aus dem humanistischen Bildungsideal
M's ab. b) M. hatte Rhetorik und Dialektik als wissenschaftliche
Einheit verstehen gelernt. Die Rhetorik ist die Theorie der Rede
und der in ihr geltenden Gesetze. Die Dialektik reicht die Methode dar,
wie ein Gegenstand zu klären und über ihn zu belehren ist. c) Gott ist
der Urheber der rhetorischen und dialektischen Gesetze. Nach ihnen
haben die antiken und biblischen Schriftsteller ihre Werke abgefaßt. Die
Kenntnis dieser Gesetze ist deshalb ein wichtiger Baustein zum Verständnis
der Literatur und der H. Schrift. So kommt der Rhetorik an
erster Stelle eine hermeneutische Funktion zu. —
Daneben befähigt die Kenntnis dieser Gesetze zu einer klaren Darstellung
und einer überzeugenden Argumentation. Diese Grundgesetze
der Rede stellt M. in den „Elementa" dar. M. kennzeichnet die „Elementa
" als ein methodisches Lehrbuch zur sachgerechten Interpretation
der Literatur, d) Im einzelnen bindet sich M. nicht sklavisch an das
antike Vorbild. Er paßt die Regeln den Erfordernissen seiner Zeit an
und schafft sich — das ist das Wichtigste — in der Rhetorik eine wissenschaftliche
Interpretationsmethode der H. Schrift, e) In ihrem methodischen
Verfahren unterscheidet sich die biblische Hermeneutik nicht
von der profanen. Der Eigcndiaraktcr der H. Schrift wird gewahrt durch
die theologischen loci communes. Sie bringen inhaltlich das spezifisch
reformatorische Rechtfertigungsverständnis zum Ausdruck und garantieren
, daß der Interpret streng auf sein Sachgebiet, die doctrina
christiana, beschränkt bleibt, f) An mehreren Stellen der „Elementa"
werden homiletische Fragen unter direktem Hinweis auf die Predigt behandelt
. Darf aus dieser Tatsache aber geschlossen werden, alle rhetorisch-
dialektischen Regeln der „Elementa" seien für die Predigt verbindlich?
Zur Klärung dieser Frage bedurfte es der Einordnung der „Elementa" in
den Zusammenhang aller Äußerungen M's zur Homiletik.

Folglich untersucht der erste Abschnitt des zweiten Teils die
einzelnen homiletischen Quellen in der Reihenfolge ihrer chronologischen
Entstehung. Außer den vier 1929 edierten Schriften werden auch
ein früherer Versuch (in „De Rhetorica libri tres", 1519) und die
Kommentierung zweier neutestamentlicher Aussagen (1. Tim 4, 13 u.
1. Kor 14, 3) aus den Jahren 1 550/51 herangezogen. Die Einzelanalyse
der Texte läßt eine stete Entwicklung der homiletischen Gedanken erkennen
. Werden 1519 Rhetorik und Homiletik ohne Vorbehalte identifiziert
, so weist M. 1529 („De offieiis concionatoris") ausdrücklich darauf
hin. der Rhetor kenne Aufgaben, die denen des Predigers „artfremd
" seien. Jedoch gleiche sich der methodische Vollzug der dem
Prediger und dem Rhetor gesetzten Aufgaben. Deshalb sieht M. in der
Rhetorik das Vorbild der Homiletik und wählt für die homiletische
Theorie den Ansatz in der Rhetorik. Es werden rhetorisch verstandene
Predigtgenera aufgestellt. Aber schon bei der Abfassung hat M. die Unmöglichkeit
dieses Ansatzes erkannt. „De offieiis . ." bleibt ein Fragment
. Die folgenden Versuche mühen sich um einen neuen Ansatz.
Zwischen 1 537 und 1539 hat er ihn gefunden („De modo et arte
concionandi"). 1. Tim 4, 13 wird zur Grundlage der homiletischen
Theorie. Die rhetorischen Predigtgenera werden ausgeschieden. Eine erneute
Besinnung in den genannten Kommentierungen bildet den für uns
nachweisbaren Abschluß des Bemühens M's um die Homiletik. Lectio,
Doctrina und Consolatio sind die konstitutiven Elemente der göttlichen
Offenbarung; sie setzen die Teile der Predigt und die Aufgaben des
Predigers. ledc Predigt setzt als Grundlage einen bibl. Text voraus, seine
Lehraussage muß den Hörern vorgelegt und dann appliziert werden. Das
eigentliche Ziel der Predigt ist die Verwirklichung der göttlichen Heilsabsicht
, die consolatio. Insofern ist die Belehrung nie letztes Ziel, sondern
nur notwendige Voraussetzung. Über die der Gesetzes- und
Evangeliumspredigt eigenen Affekte gelangt der Hörer letztlich zum
affektgeladencn Vertrauen auf die göttliche Barmherzigkeit und somit
zum ewigen Leben. Das Proprium gegenüber jeder anderen Rede ist
methodisch eindeutig bestimmt. — Eingestreut in diesen Teil sind zwei
Exkurse zu M's Glaubens- und Offenbarungsverständnis sowie über
seine Anschauung von der Bewirkung der Affekte. Sie dienen dem
Erweis der Beziehungen zwischen der homiletischen Theorie und dem
theologischen Denken M's.

Die „Elementa" sind zeitlich nach dem Fragment „De offieiis"
(1529) einzuordnen. In ihnen das homiletische Lehrbuch M's zu sehen,
ist nicht möglich, da er schon zwei Jahre zuvor den rhetorischen Ansatz
der Homiletik als verfehlt erkannt hatte. Weil er den neuen biblischen
Ansatz noch nicht gefunden hatte, behandelt er in den „Elementa"
homiletische Fragen in soweit mit, als der Prediger auf die Rhetorik
nicht verzichten kann. Besonders für die rechte Textinterpretation als
auch für eine klare Darstellung ist der Prediger auf die Hilfe der
Rhetorik angewiesen.

Der zweite Abschnitt des zweiten Teils gibt eine zusammenfassende
Da*stellung der homiletischen Methodenlehre M's, soweit sie
aus den Quellen zu entnehmen ist. Auch hier leistet die Rhetorik M.