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1966

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Kirchengeschichte: Mittelalter

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 12

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einiger Augustincrermiten zur humanistischen Bewegung des 14.
und 15. Jhrh. dar, wobei er die „Vorläufer und Wegbereiter des
Humanismus" (15—73) von den „Frühhumanisten" (73—142) unterscheidet
.

An erster Stelle steht Dionigi da Borgo S. Sepolcro (f 1342).
Er las 1316—1317 über die Sentenzen in Paris und wurde 1323/24
Magister. Über Avignon, wo ihm die päpstliche Bibliothek sehr
zustatten kam, führte sein Weg über eine Lehrtätigkeit an der Universität
in Neapel zum Bischofsamt in Monopoli.

Interessant ist seine Freundschaft mit Petrarca. Petrarca
(1304—1374) war der jüngere und zunächst der empfangende Teil.
Denn als sie sich kennenlernten, war Dionigi „schon ein anerkannter
und mit der antiken Literatur vertrauter Gelehrter" (20). Durch
Dionigi wurde Petrarca auf die christliche Antike, besonders auf
Augustin hingewiesen. Dionigi schenkte Petrarca die Confessio-
nes Augustins, die dieser auf allen seinen Reisen mit sich umhertrug
(20—22). Petrarcas Streben nach einer Synthese der Antike
und des Christentums, wobei er sich auf Augustin berief, entstand
also unter dem Einfluß eines Augustinereremiten.

Dionigi las über Aristoteles, Vergil, Ovid und Scneca, wodurch
Kommentare zu den entsprechenden Werken entstanden.
Sein bekanntestes Werk aber war ein Kommentar zu den neun
Büchern Facta et dicta memorabilia des Valerius Maximus, dem er
eine umfangreiche Liste der benutzten Quellen voranschickte, die
einen schönen Einblick in die damalige Kenntnis antiker Werke
gewährt, die Dionigi im Original und nicht nur in Florilegien einsah
. Sein Werk stand im hohen Ansehen, bis im 15. Jhrh. der
direkte Zugang zu den griechischen Quellen es zurücktreten ließ.

Als zweiten Wegbereiter des Humanismus führt der Verf.
Bartolomeo da Urbino (fl3 50) an. Er wandte das humanistische
Ad-fonfes auf Augustin an und schuf das Milleloquium S. Augustini
, in dem er unter etwa 1000 Schlagwörtern ungefähr 15 000
Exzerpte aus Augustins Werken zusammentrug, wobei er bestrebt
war, möglichst viele Schriften Augustins zu dem jeweiligen Wort
heranzuziehen. Den Fundort gab er bei jedem Exzerpt an. Dieses
Werk war nicht nur im Mittelalter sehr verbreitet, sondern erlebte
zwischen 1555 und 1734 noch fünf Auflagen. Es ist bis heute das
umfassendste Register für Schriften Augustins und solche, die für
augusfinische gehalten wurden, geblieben. In gleicher Art verfaßte
Bartolomeo noch ein Milleloquium S. Ambrosii.

Als weitere Wegbereiter führt der Verf. noch Jean Coci
(fl364) (5 5—60) und die Brüder Bonaventura da Peraga (1332 —
1385? 1389) und Bonsembiante Badoer (1327-1369) (60—73) an.

Unter den Frühhumanisten nennt der Verf. Luigi Marsiii
(1342—1394) (73—119). Er wurde schon als Sechsjähriger Petrarca
vorgestellt und fand dessen Zuneigung und Förderung. Später
wurde er von Petrarca ermahnt, über dem Studium der Theologie
die literarischen Studien nicht zu vernachlässigen. Luigi erstrebte
„eine Versöhnung der aus dem Humanimus neu zuströmenden Bildungselemente
mit den ewigen Wahrheiten des Christentums und
hoffte, die neue Bewegung für die Kirche zu gewinnen und für
eine Reform des religiösen und nationalen Lebens fruchtbar machen
zu können" (74). Dies wirkte sich in der Förderung des italienischen
Nationalbewußtseins und in den Äußerungen gegen die Habgier
der Kurie in Avignon aus. Von seiner literarischen Tätigkeit
blieben sechs Briefe, ein Bittbrief an Karl V. von Frankreich, zwei
Kommentare zu zwei Kanonzen Petrarcas und ein Beichtspiegel
erhalten. Darüber hinaus geht der Verf. noch auf Martino da Signa
(f 1387) (I19f.), Andrea Biglia aus Mailand (c. 1395-1435) (120-
141) und Jacques Legrand (f 1414/1 5) (142) ein. Den Schluß bilden
ein Personen- und ein Ortsverzeichnis.

Wer die biographischen Daten, die Beziehungen zu anderen
Humanisten und die geistige und literarische Tätigkeit, soweit sie
sich auf das vom Humanismus gepflegte Gebiet erstreckt, der angeführten
Augustincrercmiten erfahren will, wird in der Arbeit
von Arbesmann gründlich unterrichtet werden und in dem Text,
vor allem aber in den umfangreichen Anmerkungen eingehende
Hinweise auf die Überlieferung der literarischen Hinterlassenschaft
der behandelten Männer und die Literatur finden.

Manche Probleme hat sich der Verf. aber entgehen lassen. So
geht er keinesfalls auf den Beginn der humanistischen Bewegung
ein, wie es der Titel vermuten läßt. Er nennt Petrarca den „eigentlichen
Begründer und Bahnbrecher des Humanimus" (15) und
bringt doch selbst Zeugen dafür, daß der Humanismus älter als
Petrarca ist. Bei Dionigi weist er selbst darauf hin. Bei Bartolomeo
hält er es für möglich, daß er Petrarca in Bologna kennenlernte, da
dieser 1522—1526 mit Unterbrechungen dort studierte. Aber
Petrarca war damals 18—22 Jahre alt, Bartolomeo trat schon als
Lehrer auf. Mit einem Wort: Der Beginn der humanistichen Bewegung
lag vor Petrarca, speziell auch der Humanismus dieser Augustinereremiten
. Hier wäre es außerordentlich interessant, zu erfahren
, ob und wie ihr Studium diesen förderte. Dadurch hätte die
Arbeit einen Beitrag zu der Frage geliefert, wie die Scholastik
selbst durch ihr philosophisches Grundstudium den Humanismus
vorbereitete oder gar gebar. Die Vorläufer und Wegbereiter, die
der Verf. vorführt, waren nicht nur alle Freunde Petrarcas, sondern
auch Pariser Magister. War das Zufall, oder spielte das Studium
in Paris für die Entwicklung des Humanismus eine besondere
Rolle?

Von besonderem Reiz ist die Beziehung zwischen Humanismus
und Christentum. Man möchte gerne wissen, wie die Theologie die
Kommentare zu den antiken Werken beeinflußte, so z. B. bei Dio-
nigis Kommentar zu Valerius Maximus. Und andererseits entsteht
die Frage: Was ist aus der Theologie dieser Männer geworden?
Denn es ist gar keine Frage, daß die Anthropologie der Spätscholastik
unter dem Einfluß des Humanismus stand. Leider hat der
Verf. auf eine konkrete Darstellung dieser geistigen Beziehungen
verzichtet.

An einer Stelle kommt der Verf. auf einen Streit im Kloster
S. Spirito in Horenz zwischen Luigi und einem Teil seiner Mitbrüder
zu sprechen, „die in der humanistischen Bewegung schlechthin
eine Gefahr für Glaube und Sitten zu sehen glaubten" (110). Die
Stadt Florenz nahm Luigi in Schutz und erwirkte durch den Ordensgeneral
, daß Luigi unbehelligt blieb. Der Verf. sieht hier nur
Unrecht, das Luigi von seinen Mitbrüdern widerfuhr. Wenn man
aber liest, daß Luigi auch mit Boccaccio befreundet war (92), der
schließlich seine Bibliothek testamentarisch dem Kloster S. Spirito
unter der Bedingung übergab, daß sie den Mönchen stets zugänglich
sein sollte (120), wird man verstehen, daß nicht alle Mönche
von dieser Beziehung zum Humanismus nur eine Förderung ihres
asketischen Ideals erwarteten. Eine genaue Beschreibung dessen,
worin Luigis „christlicher Humanimus" bestand, würde zum besseren
Verstehen beider Parteien helfen.

Die Arbeit schließt mit einem Hinweis auf Nikolaus V., der
im „vollem Vertrauen auf die unerschöpfliche Kulturkraft der
Kirche den mutigen Schritt, sich an die Spitze der großen geistigen
Bewegung zu stellen," tat und damit eine neue Aera der päpstlichen
Kirchenpolitik" einleitete (142). Aber gerade dieser Hinweis
auf die Renaissancepäpste macht deutlich, wie vielgestaltig die humanistische
Bewegung war, die die Kirche befruchtet, aber auch zerstörte
. Es ist schade, daß die einzelnen humanistischen Gedanken
der behandeten Personen nicht auf ihre Eigenart hin untersucht
worden sind.

Diese Einwände sollen aber keinesfalls vergessen lassen, daß
der Verf. in dem von ihm gesteckten Rahmen eine sorgfältige und
kenntnisreiche Studie vorgelegt hat.

Leipzig Hclmar Junghans

B e c k e r , Petrus: Die Abtswahl in den Consuetudines des Johannes
Rode von St. Matthias (tl439) (TThZ 75, 1966 S. 295—302).

Elm , Kaspar: Wilhelmiten in Brandenburg und Pommern (Augustiniana
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F r a n z e n , August: Das Konstanzer Konzil (Concilium 1, 1965 S.
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Garcia Lescün, Eliseo: La teoria filosöfica de la relacion y sus
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Schneyer.J. B.: Entstehung und Überlieferung eines mittelalterlichen
Predigtexempels (ThQ 146, 1966 S. 329—347).