Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1966

Spalte:

917-918

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Duchrow, Ulrich

Titel/Untertitel:

Sprachverständnis und biblisches Hören bei Augustin 1966

Rezensent:

Diesner, Hans-Joachim

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

917

Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 12

918

liegt. Der wesentliche Mangel der Arbeit ist vielmehr das Fehlen
einer geschichtlichen Betrachtung im ganzen, die den Namen verdient
: was heißt denn, Athanasius sei „biblischer" Theologe, und
wie verhält er sich zu den alexandrinischen Überlieferungen einerseits
, zu Männern wie Irenäus und Origenes andererseits? Worin
besteht, geschichtlich gesehen, die Eigenart der Überzeugung, die
sich kraftvoll und unermüdlich in den Traktaten des Bischofs ausspricht
? Mit der Anführung von Zitaten aus Bouyer und Danielou
ist nicht viel getan; Verf. hätte sich ganz anders in der Dogmengeschichte
umsehen sollen; ich fürchte, daß er etwa Harnacks Darstellung
der theologischen Stellung des Athanasius kaum gründlich
bedacht hat, um von anderen Autoren zu schweigen. So verschwimmen
die Umrisse der geschichtlichen Gestalt, weil Verf.
nicht davon loskommt, sich in Gemeinplätzen zu ergehen, die die
liturgisch geprägte Osterfrömmigkeit des alten Bischofs mehr
dankbar verehren als nachdenkend zu beschreiben vermögen. Alles
ist in einen zarten Goldton getaucht, der die Farben aufsaugt.
Es ist schade, daß dem Büchlein so wenig Förderung zu entnehmen
ist, trotz der Zitatenfülle, die sein bester Teil ist'.

*) Es erübrigt sich, auf die einzelnen Aufstellung des Verf.s einzugehen
, die Neues zu bringen scheinen, so wenn auf S. 58ff. eine athanasia-
nisdie Ekklesiologie herausgearbeitet wird, die im judenchristlichen Milieu
wurzelte, wenn überhaupt die Kontinuität mit dem frühen Christentum
so entschieden betont wird. Das Körnchen Wahrheit an der dilettantischen
Einordnung des Athanasius in die Dogmengeschichte — zwischen
Irenäus und Origenes scheint für Verf. kein großer Unterschied
zu bestehen — ist die Tatsache, daß die theologischen Überzeugungen
des Bischofs in der Tat „archaisdier" sind als die seiner Zeitgenossen,
die Theologie treiben: er nimmt die Frömmigkeit der Gemeinde in die
Theologie auf, in einem Maße, das vorher unerhört war; das verbindet
ihn in gewisser Weise mit Irenaus. Es wäre schon eine Aufgabe, dem
erneut nachzugehen und ein Athanasiusbild zu entwerfen, in dem sowohl
der „Theologe" Athanasius wie der „Politiker" Athanasius ihren
rechten Platz finden; in den meisten Darstellungen kommt eine der beiden
Seiten zu kurz. — Bemerkt sei noch, daß Merendinos Buch zur Erhellung
der altchristlichen Paschafrömmigkeit und -theologie als solcher
gleichfalls nichts beiträgt.

Tiihinirnn Hans-Dietrich Altendorf

bum cordis-Problem, ewiges und zeitlich vermitteltes Wort Gottes
) eine „grundsätzliche philosophische Abneigung gegen die
Sprache" (S. 240) nicht. Sein signum-res- und auetoritas-ratio-
Schema, das D. ausführlich erörtert, behält einen „metaphysischdualistischen
und darum sprachfeindlichen Akzent" (S. 240).
Daran hat auch sein Ausbrechen aus der griechischen „Ontologie
des Anschaubaren", durch das er sich dem hebräisch-christlichen
Denken annähert, nichts mehr geändert, so wichtig dies auch gewesen
ist. D. versucht nicht ohne Erfolg, diese Grundhaltung Au-
gustins aus der geschichtlichen Situation heraus zu erklären, die
ihn — theologisch und philosophisch — dem griechischen Osten verpflichtete
, so daß er keine Wahl hatte, „sich zwischen einer biblischen
, auf das Hören gerichteten und einer griechischen, vom Sehen
her gedachten Ontologie zu entscheiden" (S. 241).

Nur am Rande sollen einige Bedenken vorgetragen werden,
die das Thema nicht in erster Linie tangieren mögen. Daß die Geschichte
für den späten Augustin „an Wert gewonnen" habe (S.
163), will mir fraglich erscheinen; angesichts der bestehenden
Kontroversen müßte diese Frage erneut und eigenständig untersucht
werden. Man darf in diesem Zusammenhang nicht übersehen
, daß Augustins Einstellung zum Staat, konkret gesagt zum
Imperium Romanum, nicht besser, sondern schlechter geworden
ist, so daß in letzter Zeit sogar die Romgegnerschaft vor allem
des späten Augustin betont worden ist (F. G. Maier, B. Lohse). —
Auch die „Leistung" Augustins als Prediger ist nicht so eindeutig,
wie D. behauptet. Man denkt doch nicht nur an den „volkstümlich
-einfachen und doch glanzvollen Redner" (S. 166), sondern
auch an die überreiche Polemik und die nicht seltene Monotonie
in den Sermones, die auch die Hörer zeitweise ermüdet hat. —
Das umfangreiche Literaturverzeichnis läßt nicht weniges zur modernen
Augustinliteratur aus. Da D. innerhalb der augustinischen
Sprachphilosophie die soziale Bedeutung von fides und auetoritas
behandelt und auch die Sozialfunktion der Sprache zu analysieren
versucht, wäre es naheliegend gewesen, auch einen Blick auf die
Soziallehre des Kirchenvaters zu werfen.

Halle/Saale Hans-Joachim D i e s n e r

D u c h r o w , Ulrich: Spradiverständnis und biblisches Hören bei Au-
gustin. Tübingen: Mohr 1965. XII, 284 S. gr. 8° = Hermeneutische
Untersuchungen zur Theologie, hrsg. v. G. Ebeling, E. Fuchs. M. Mezger
, 5. Kart. DM 29.-; Lw. DM 33.50.

Man merkt es dieser Arbeit, einer Heidelberger Dissertation,
an, daß Verfasser sich jahrelang um das Verständnis Augustins
bemüht hat, wobei ihm auch ein längerer Aufenthalt in Paris zugute
gekommen ist.

D. betont einleitend unter Hinweis auf Kuypers, daß seine
Grundfragestellung - die nach der Sprache bei Augustin - nicht
neu sei. Er erweitert sie deshalb auf Augustins Ontologie und ihr
Verhältnis zum Hören hin, wodurch er besonders genötigt wird,
den jungen und den reifen Augustin einander gegenüberzustellen
und die Auseinandersetzung des Kirchenvaters mit den antiken
Grundlagen und mit der heidnischen Tradition eingehend zu verfolgen
.

„Die Entwicklung der Augustinischen Sprachphilosophie",
„Gottes Reden in der Zeit", „Hören und Gnade", sowie „Die
Struktur der Augustinischen Ontologie im Blick auf das Hören"
sind die Gesichtspunkte, unter denen der reife Augustin verfolgt
wird. Es ergeben sich mancherlei Unterschiede gegenüber dem
noch ringenden Augustin, dessen Verhältnis zur Sprache an sich
„fast rein negativ" (S. 99) gewesen war, zumal die Sprache dem
körperlichen Bereich angehört. Griechischer Tradition gemäß (die
D. im ganzen sorgfältig verfolgt, obwohl er die bereits maßgeblichen
Aussagen der Vorsokratiker leider ausläßt) kennt Augustin
einen Primat des Gesichtssinnes gegenüber dem Gehör. Man kann
von einer „merkwürdigen Überfremdung des Hörens durch das
Sehen" (S. 98) sprechen. Dann wird jedoch das hörende Glauben
immer mehr vor das sehende Erkennen gestellt. Augustin ist immer
wieder gezwungen, das Wort aufzuwerten (Predigt, Katechese
), überwindet jedoch trotz vielfacher positiver Ansätze (ver-

Augustinus, Aurelius: Die Auslegungen der Psalmen. Lateinischdeutsch
, übertragen v. H. Weber. 1. Lieferung. Paderborn: Schöningh
1964. 320 S. 8° = Deutsche Augustinusausgabe. DM 20.—.

Augustins Enarrationes in Psalmos nehmen in der Reihe seiner
exegetischen und homiletischen Schriften einen hervorragenden Platz
ein. In keinem Buch der Bibel lebte Augustin so intensiv wie in
den Psalmen; darum konnte er in ihrer Auslegung sein Bestes geben
. Ihre geschichtliche Nachwirkung ist enorm; es gibt bis an die
Schwelle der Neuzeit kaum eine kirchliche Erklärung, der sie nicht
zugrundeliegt. Bekanntlich sind ihr auch Luthers Dictata super
Psalterium in starkem Maße verpflichtet. Heute freilich dürfte ihre
Kenntnis über den Kreis der Augustinforscher kaum weit hinausreichen
. Das Bestreben, dem abzuhelfen, ist verständlich und hat
u. a. zu der Auswahlübersetzung durch Urs von Balthasar (Jakob
Hegner, Leipzig 1936) geführt. Nunmehr soll eine vollständige
Wiedergabe des lateinischen Textes mit deutscher Übersetzung in
der „Deutschen Augustinusausgabe" erscheinen. Ein kühnes Unternehmen
, dem man den erhofften Erfolg gerne wünschen möchte
. Die 1. Lieferung (Ps. 1—17) liegt vor. Der Übersetzer ist Hugo
Weber S. D. B. Die Übersetzung liest sich gut, sie ist in schlichtem
Deutsch gehalten und macht einen zuverlässigen Eindruck.
Einzelne Ungenauigkeiten sind mir aufgefallen, sind aber nicht
von Bedeutung. Über den rechten Ausgleich zwischen Wörtlichkeit
und Lesbarkeit kann man bekanntlich von Fall zu Fall verschiedener
Meinung sein. Ein Vorwort unterrichtet über die wichtigsten
literargeschichtlichen Vorfragen; als Einführung in den
inneren Gehalt und die Art der Exegese dient ein Auszug aus
dem Vorwort der Mauriner in deutscher Übersetzung (S. 8—19).
Eine Angabe, in wieviel Lieferungen das gewaltige Werk erscheinen
soll, liegt mir nicht vor. Man kann seiner Vollendung mit
großen Erwartungen entgegensehen.

Erlangen Wallhcr Ton Loewenich