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Ausgabe:

1966

Spalte:

916-917

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Merendino, Rosario Pius

Titel/Untertitel:

Paschale sacramentum 1966

Rezensent:

Altendorf, Hans-Dietrich

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 12

916

Überall ist es sein Bestreben, auf den gegebenen Grundlagen weiterzubauen
. Er scheut sich aber auch nicht, die eigene Meinung
gegenüber den üblichen Anschauungen zu äußern und mit scharfsinniger
Begründung zu vertreten und womöglich durchzusetzen.
So vereint sich die verwirrende Fülle der Einzelheiten, der unterschiedlichen
und z. T. gegensätzlichen Anschauungen des gnosti-
schen wie des kirchlichen Materials zu einem Gesamtbild, das gewiß
zu einem sachlichen, unvoreingenommenen Verständnis der
Gnosis und ihrem Verhältnis zur kirchlichen Theologie führt.
Das besondere Interesse des Verfassers gilt dabei immer den Va-
lentinianern. Um ihretwillen ist das Thema der Salbung des Logos
oder der Taufe Jesu so nach allen Seiten durchforscht und beleuchtet
worden. Man sieht, daß hier nicht im besonderen fremde Einflüsse
wirkten, die zu einer glaubensfeindlichen Theologie geführt
hätten, sondern daß hier mit besonderer Intensität und spekulativer
Begabung dieselben Probleme aufgeworfen und Lösungsversuche
gemacht worden sind, wie sie der christlichen Theologie
i. g. aus paganer Philosophie, AT und jüdischem Hellenimus überkommen
sind. Bei tieferem Eindringen kommt der Verfasser
immer deutlicher zu der Anerkennung, daß die Achse des
valentinianischen Systems Christus ist (641).
Daß allerdings die spekulativen Wucherungen und die ihnen zugrunde
liegende Überschätzung der Gnosis für die Pistis gefährlich
werden mußten und gefährlich geworden sind, ist bei der Behandlung
des besonderen Themas des Bd. 5 (s. o.) scharf herausgearbeitet
worden. Die Großkirche hat die Konsequenzen gezogen;
sie hat die Spekulation in ihre Schranken verwiesen und das Andenken
an die gnostischen Häresien und Sekten weithin vernichtet
, wenn sie auch ihr Fortleben unter immer neuen Formen und
Gesichtern bis in die Gegenwart nicht hat verhindern können. Es
ist das Verdienst des hochgelehrten Verfassers, der wissenschaftlichen
Welt durch seine mühevolle Arbeit nicht nur den Zugang zu
diesem Labyrinth mit verständnisvollem Interesse erschlossen, sondern
auch zugleich die Gefährlichkeit der geschichtslosen Spekulationen
und Konstruktionen besonders auch der valentinianischen
Gnosis für Kirche und Glauben aufgezeigt zu haben.

Das umfassende Werk, von dem über die beiden vorliegenden
Bände von über 1000 Seiten hinaus noch 4 weitere Bände erschienen
sind oder vorbereitet werden, bietet einen einzigartigen
Zugang zu den theologischen Auseinandersetzungen um das System
der valentinianischen Gnosis, das wohl als die erste und eindrücklichste
theologische Leistung auf dem Boden des Christentums
in der Welt des späten Hellennismus zu werten ist.

Bd. 3 wie Bd. 5 sind mit den üblichen Hilfsmitteln reichlich
ausgestattet. Ausführliche Quellen- und Literaturverzeichnisse,
in denen deutsche und französische Titel überwiegen, Index der
Schriftstellen und Autorenregister erschließen dem Leser das verarbeitete
Forschungsmaterial. Dazu kommen noch Verzeichnisse
der Sachen und der griechischen und lateinischen termini technici.

Gießen Georg Bertram

A 11 m e n , Daniel von: L'apocalyptique juive et le retard de la parousie
en II Pierre 3:1—13 (RThPh 99, 1966 S. 255—274).

B o u 1 e t, Jean: Dieu ineffable et Parole incarnee. Saint lean de la Croix
et le Prologue du 4e Evangile (RHPhR 46, 1966 S. 227—240).

H a d i d i a n , Dikran Y.: Tous de euangelistas in Eph. 4, 11 (CBQ
XXVIII, 1966 S. 317-321).

Klassen, William: Vengeance in the Apocalypse of John (CBQ
XXVIII, 1966 S. 300-311).

M a h o n e y , Aidan: A New Look at "The Third Hour" of Mk 15,25
(CBQ XXVIII, 1966 S. 292-299).

Mueller, Herman: The Ideal Man as Portrayed by the Talmud and
St. Paul (CBQ XXVIII, 1966 S. 278-291).

Rissi, Mathias: Alpha und Omega. Eine Deutung der Johannesoffenbarung
. Basel: Fr. Reinhardt [1966]. 221 S. 8°. Kart. sfr./DM
13.80.

S t e r n , Jay B.: lesus' Citation of Dt 6,5 and Lv 19,18 in the Light of
Jewish Tradition (CBQ XXVIII, 1966 S. 312—316).

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Merendino, Pius: Paschale Sacramentum. Eine Untersuchung über
die Osterkatechese d. hl. Athanasius v. Alexandrien in ihrer Beziehung
zu den frühchristlichen exegetisch-theologischen Überlieferungen
. Münster: Aschendorff [1965]. XV, 94 S. gr. 8° = Liturgiewis-
senschaftl. Quellen u. Forschungen, hrsg. v. O. Heiming, 42 = Veröffentlichungen
d. Abt.-Herwegen-Inst. Maria Laach, Kart. DM 18.—.

Merendino knüpft an Casels Aufsatz über „Art und Sinn der
ältesten christlichen Osterfeier" an (Jahrb. f. Liturgiewiss. 14,
193 8). Er will das, was dort über Athanasius' Ostergedanken gesagt
ist, weiterführen und vertiefen. Ausführungen des Athanasius
zum Osterfest finden sich vornehmlich in den Briefen, die
der alexandrinische Bischof nach altem Brauch alljährlich an die
Gemeinden schickte, um die Fastenzeit und das Osterfest anzusagen
. Leider sind die athanasianischen Briefe nur in geringen
Fragmenten im griechischen Original erhalten. Casel benutzte daher
die alte syrische Übersetzung, der wir die Erhaltung einer Anzahl
von Briefen verdanken. Inzwischen sind beträchtliche Reste
der koptischen Übersetzung der Briefe von Lefort herausgegeben
worden, die uns bisher unbekannt gebliebene Briefe erschlossen
hat. Diese koptische Übersetzung legt Merendino dem ersten
Hauptabschnitt seines Buches zugrunde, der unter der Überschrift:
„Die Einheit des Alten und Neuen Testamentes" die Osterver-
kündigung des Athanasius erheben will, im wesentlichen allein an
Hand der koptisch erhaltenen Briefe; es geschieht in vier Kapiteln
: „Der Weg des Christen", „Der Gott der Väter", „Die Typen
und die Vollendung", ,,Das Mysterium der Kirche" (S. 1—42).
Der umfänglichere zweite Hauptabschnitt zieht die theologischen
Traktate des Bischofs heran, vor allem Contra gentes, De incar-
natione und die Arianerreden, um die „Osterkatechese", wie sich
Verf. ausdrückt, des Athanasius in dessen theologische Gesamtanschauung
einzuordnen. Linter der Überschrift: „Die ,Mysterien
Christi und der Kirche'" stehen sechs Kapitel: „Die .Würde' des
Kosmos", „Der .lebondige' Wille des Vaters", „Die .Herablassung
' des Wortes", „Der Leib Jesu", „Die Gabe des Geistes", „Der
ungeteilte Leib Christi", gefolgt von einem knappen Schlußwort
und einem Register (S. 43—94).

Das Buch enthält reichlich Zitate aus dem erwähnten Schriftenkreis
, die in deutscher Übersetzung vorgelegt werden. Dabei
geschieht es zum ersten Male, daß Abschnitte aus den koptisch
erhaltenen Osterfestbriefen in deutscher Sprache zugänglich gemacht
sind; eine Gesamtübersetzung der koptischen Briefe kündigt
Merendino als in Vorbereitung befindlich an. Die eigenen Ausführungen
des Verf.s sind freilich enttäuschend. Gewiß werden die
zitierten Sätze des Athanasius oft richtig umschrieben, und es ist
viel die Rede von dem Reichtum an theologischer Erkenntnis, den
Athanasius aus der Überlieferung aufnimmt und weitergibt. Dabei
werden die Beziehungen zum Kult stark hervorgehoben; vor allem
erscheint Athanasius als durchaus biblisch orientierter Theologe
, der das Erbe der alexandrinischen Theologie treu verwaltet
habe. Irenäus und Origenes sind die am meisten genannten theologischen
Lehrer. Besonders verweist Merendino auf die „Kontinuität
mit der frühchristlichen Theologie, die so kräftig sei, daß auch
judenchristliche Überlieferungen aufgenommen worden seien, vor
allem auf exegetischem Gebiet, wenn auch nicht zu übersehen ist,
daß die Fragestellung des Athanasius die des 4. Jahrhunderts ist.
Das ist alles gut gemeint, enthält teilweise zutreffende Erkenntnisse
und wird eifrig und mit spürbarer Liebe zur alten Kirche und ihren
theologischen und sakramentalen Schätzen vorgetragen. Aber die
aneinandergereihten einzelnen Zitate und richtigen Paraphrasen
stehen unverbunden neben den erwähnten Aussagen, die Athanasius
in die altkirchliche Theologie einordnen wollen. Zu einer
Vergegenwärtigung von Glauben und Denken des Bischofs ist es
daher nicht gekommen. Ich will nicht bemängeln, daß sich Verf.
allein auf die koptische Version der Osterbriefe stützt und nicht
von ihrer Gesamtüberlieferung ausgeht, obwohl es zum Verständnis
der in ihnen enthaltenen theologischen Aussagen von Belang
ist, auch die kirchenpolitische Seite in ihnen zu beachten und die
Verbindung beider Komplexe bzw. das unvermittelte Nebeneinander
von Politik und Frömmigkeit zu erwägen, das in ihnen vor-