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Ausgabe: | 1966 |
Spalte: | 878-880 |
Kategorie: | Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift |
Autor/Hrsg.: | Mai, Hartmut |
Titel/Untertitel: | Sinn und Geschichte des evangelischen Kanzelaltars 1966 |
Rezensent: | Mai, Hartmut |
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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 11
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deutlich erkennbar ist, sieht der Verfasser etwa in dem „Besuchsdienst
in christlicher Haushalterschaft" als dem Betätigungsfeld aktiver und
zugerüsteter Laien ein entscheidendes Stück kirchlichen Zukunftsdienstes,
zumal die Entkirchlichung nicht nur die Folge der Säkularisation ist,
sondern auch das Ergebnis einer mangelhaften pastoralen Betreuung vor
allem in den Massengemeinden der Städte und Großstädte.
So jedenfalls geschieht in allem Abbau der herkömmlichen Volkskirche
bereits Neubau einer auf das Wesentliche konzentrierten Kirche
der Zukunft inmitten einer sozialistischen Umwelt.
Lehmann, Joachim: Religion und Expressionismus, dargestellt an der
Künstlergemeinschaft Brücke. Versuch einer Bestandsaufnahme und
Deutung. Diss. Halle'Saale 1965. 322 S., 79 Abb.
Die Darstellung des geistesgeschichtlichen Hintergrundes bildet die
Grundlage der Untersuchung. Die Kunst der Brücke kann nicht isoliert
betrachtet werden. So setzt die Arbeit mit einer Beleuchtung des
19. Jahrhunderts in Beziehung auf die Gebiete der einzelnen Kunstgattungen
ein. In diesem ersten Teil werden die äußeren Gegebenheiten
und Bedingungen aufgezeigt, die mit zur Kunst der Brücke beigetragen
haben. Das erste Kapitel behandelt den historischen und geistesgesdiicht-
lichen Hintergrund. In einem zweiten Kapitel werden einige Vorläufer
und Wegbereiter genannt, so van Gogh, Toulouse-Lautrec, Ensor und
Münch. Das nächste Kapitel zeigt die Beziehungen zur expressionistischen
Dichtung und Musik, die nicht unerheblich waren. Eine Kunstgattung
befruchtete in jener Zeit die andere. Im weiteren wird ein kurzer Abriß
der Geschichte der Künstlergemeinschaft Brücke gegeben. In einem fünften
Kapitel wird von der Technik der expressionistischen Bildgestaltung
gehandelt. Die Mittel der Deformation und der Farbsymbolik bestimmen
formal weitgehend die Malerei der Brücke. Schmidt-Rottluff
verkürzt die Formensprache bis zu einem .abstrakten Expressionismus',
während Noldes Werke die Farbsymbolik zur Grundlage haben.
Der zweite Teil bringt einen Versuch über die Möglichkeit religiöschristlicher
Kunst. Dabei wird versucht, zwischen sogenannter christlicher
und religiöser Kunst zu unterscheiden. Aus dieser Unterscheidung ergibt
sich die Erkenntnis, daß es keine christliche Kunst geben kann (R. Bultmann
, P. Tillich). Audi die profane Kunst kann eminent religiös sein,
d. h. ein religiöses Kunstwerk braucht nicht notwendig ein religiöses
Motiv. Von der Kunst der Brücke aus gesehen bedeutet das: auch Landschafts
- oder Aktdarstellungen sind in diesem Sinne religiöse Kunst.
Eine religiöse Grundhaltung bestimmte das Schaffen der Maler, obwohl
diese kaum in einer Bindung an die Kirche bestand. Eine Kritik des
Expressionismus ist berücksichtigt. Diese Kritik kam und kommt hauptsächlich
aus kirchlichem Bereich, Kirche und Theologie haben die Tragweite
und Bedeutung des Expressionismus weder erkannt noch Erkenntnisse
daraus gewonnen.
So ist bisher dieser Themenkreis weder wissenschaftlich noch in
Buchform ausgewertet worden. Paul Tillich hat das große Verdienst,
ausdrücklich und mehrfach auf die Bedeutung des Expressionismus für
Kirche und Theologie hingewiesen zu haben. Er vertritt die in der Arbeit
belegte These, daß die große Kunst in der Kirche mit Rembrandt zu
einem Ende kam. Ein Neubeginn setzt erst mit der exDressionistischen
Bewegung um 1900 wieder ein. In der Kunst der Brücke ist religiöse
Kunst im positiven Sinne wieder möglich geworden. Das 19. Jahrhundert
hatte keinen Neuansatz für eine religiöse Kunst gebracht, so sehr auch
ein Bemühen auf diesem Gebiet vorhanden war. Die Kunst der Naza-
rener und verwandter Gruppen kann keinesfalls als Aufbruch gewertet
werden.
In einem dritten Hauptteil werden die speziellen Probleme der
Kunst der Brücke untersucht. Dieser Teil erbringt den Nachweis, daß
die Malerei der Brücke in ihrer Grundhaltung als religiös anzusprechen
ist. Äußerungen der zwei noch lebenden Mitglieder der Brücke, Erich
Heckel und Karl Schmidt-Rottluff, beleuchten vom Standpunkt des
Künstlers das Thema. Die Behauptung scheint von daher gesehen
gerechtfertigt, daß die Kunst des Expressionismus in ihrer Grundtendenz
tiefer und wahrer ist als etwa die religiöse Kunst eines Rubens. Tizian,
Goya, Veronese oder Raffael. Die Christusgestalt bei Rubens oder Goya
erscheint zumeist als .schöner' männlicher Akt, während der Christus
Schmidt-Rottluffs oder Noldes ein Bild geistiger Bewegung und Dynamik
ist. Ein Vergleich zu den Christusdarstellungen von Uhde oder Schäfer
ist dabei unerläßlich. Uhde hatte seinen Christus bewußt nur ,als
Problem des Lichtes' gekennzeichnet. In dem Kapitel über das Christusbild
werden diese Erwägungen im einzelnen behandelt. So wird auch
versucht, die Beziehung zwischen Malerei und Theologie herzustellen,
wobei die Forderung erhoben wird, die Theologie solle sich von der
Kunst der Brücke in einem Christusbild, das über das des 19. Jahrhunderts
hinausführt, befruchten lassen. Aus der religiösen Haltung
der Brückekünstler, wie vieler Künstler der zwanziger Jahre, ergibt sich
eine sozialcthische Einstellung, die in ihren Hauptzügen von den
Forderungen Tolstois und Dostojewskijs bestimmt ist. Ein anderes
Vorbild dieser sozialen Haltung, die letztlich in der Forderung nach
einem utopischen Sozialismus gipfelt, ist van Gogh. Eine Antipathie
gegen den satten und denkfaulen Bürger, den Bourgeois, ist in jener
Zeit in allen Kunstgattungen lebendig. Hinzu kommt eine Vorahnung
der kommenden schrecklichen Ereignisse des II. Weltkrieges und des
Kulturbarbarismus der Nationalsozialisten.
Die Forderung der christlichen Nächstenliebe gewinnt symbolische
Gestalt in Schmidt-Rottluffs Holzschnitt des .Kristus 1918'. Wesentlich
und bedeutsam in der religiösen Haltung der Kunst der Brücke zeigt sich
ein Wiedererwachen der Mystik in ekstatischer Form. Bei der Beurteilung
dieser Erscheinung können jedoch die Begriffe der Theologie nicht einfach
übernommen werden, da sich Mystik in der Bildenden Kunst formal
(Farbgebung, Komposition) zeigt. Eine Voraussetzung für das Wiedererwachen
der Mystik ist die menschliche Grenzsituation, die in anderen
Bereichen die Kunst des .Dada' gefördert hat. Auch hier der wesentliche
Einfluß Dostojewskijs mit seiner Forderung nach .mystischem Sozialleben
'. Die ekstatische Mystik der Brücke ist keine weltferne Schwärmerei
, sondern ein Eindringen und Durchforschen der Wirklichkeit, die
sich aus der Zeit und der Umweltsituation erklärt. Gott und Natur werden
weithin als Einheit aufgefaßt, die Seele lebt in Visionen.
In einem letzten Kapitel werden einige Untersuchungen, gestützt
auf erstmals zugängliches Material, über das Leben und Werk Otto
Muellers gebracht.
Mai, Hartmut: Sinn und Geschichte des evangelischen Kanzelaltars.
Diss. Leipzig 1964. Bd. I: Text, Bd. II: Anmerkungen, Verzeichnisse
. 773 gez. BL, 1 Übersichtskarte. (Eine Kassette mit 473 Abb.
befindet sich bei der Theologischen Fakultät der Karl-Marx-Universität
zu Leipzig.)
Die vorliegende Untersuchung setzt sich das Ziel, Sinn und Geschichte
des evangelischen Kanzelaltars unter ihren maßgeblichen
Gesichtspunkten darzustellen. Sie ist durch die bis in die Gegenwart in
Literatur und Praxis geführten Auseinandersetzungen um diesen Gegenstand
veranlaßt.
Nachdem einleitend die Anwendung des Begriffs „Kanzelaltar" auf
jede Anordnung der Kanzel senkrecht über dem Altar bzw. Abendmahlstisch
begründet und anschließend der gegenwärtige Forschungsstand aufgezeigt
wird, stellt ein I. Hauptteil den ..Kanzelaltar als historische und
künstlerische Gestalt" dar. Einer Vorstellung einzelner Kanzelaltartypen,
die in II Hauptgruppen zusammengefaßt werden (Hauptgruppe I: Kanzelaltäre
, die aus der Anordnung der Kanzel über dem aufsatzlosen Altartisch
hervorgegangen sind; Hauptgruppe II: Kanzelaltäre, die aus der
Verbindung der Kanzel mit dem Altaraufsatz hervorgegangen sind),
folgt ein 2. Kapitel über ..Vorläufer und Parallelen" (Lettnerkanzeln,
Kombinationen von Taufstein und Lesepult, Kanzel und Beichtstuhl
u. a.). Der „Ausbreitung und Eigenart des Kanzelaltars in einzelnen
Landschaften" geht Kapitel 3 nach. Besondere Aufmerksamkeit gilt den
Hauptverbreitungsgebieten des Kanzelaltars in Mitteldeutschland. Ein
4. Kapitel zeigt die Geschichte des Kanzelaltars im Lichte des kirchen-
bautheoretischen Schrifttums und die Bedeutung von Vorlagen für die
Errichtung von Kanzelaltären. Während die unter 5 behandelte Morphologie
des Kanzelaltars die sich wandelnde künstlerische Erscheinungsform
im Auge hat, führen Kapitel 6 („Ikonographie und Ikonologie des
Kanzelaltars") und 7 („Kanzelaltar und Kirchenraum") schon stark in
theologische Fragestellungen hinein. Sie weisen die Vielfalt und Eigenart
ikonographischer Aussagen auf dem Boden lutherischen Gottesdienstverständnisses
auf. Dabei wird der Kanzelaltar in seiner Gesamterscheinung
als bildhafte Aussage erkannt. Auch das Verhältnis von Kanzelaltar
und Kirchenraum wird nach seiner künstlerischen, ikonographischen
und ikonologischen Seite hin untersucht und der Höhepunkt der Entwicklung
in jenen Leistungen erblickt, in denen Raumgestaltung und
Ikonographie in gegenseitiger Abstimmung den Raum formen.
Ein I. Anhang fragt nach der Wechselbeziehung zwischen Kanzelaltar
, Kirchenbau und Theater. Ein II. Anhang ist dem Kanzelaltarbestand
in den Kreisen Arnstadt und Erfurt gewidmet. Seine Entstehung,
seine künstlerische und typologische Eigenart werden im Blick auf die
territorialen Verhältnisse der Barockzeit dargestellt. Eine Übersichtskarte
illustriert die literarischen Aussagen.
Der IL Hauptteil der Arbeit steht unter der Überschrift „Der
Kanzelaltar in seinen rcligionssoziologischen Zusammenhängen". Der
Verfasser weiß, daß eine soziologische Sicht der evangelischen Kunstübung
im ganzen noch nicht vorliegt. Die Betrachtung erfolgt in empirischer
Methode nach folgenden in den Überschriften der einzelnen
Kapitel ausgedrückten Gesichtspunkten: „1. Der soziologische Einfluß
auf die Geschichte des Kanzelaltars (Ausbreitung, Morphologie, Ikonographie
, Qualität)"; „2. Das Verhältnis von Kanzelaltar und Kirchenbau
als religionssoziologisches Problem"; „3. Die wirtschaftliche Seite des
Kanzelaltar-Baus"; „4. Die Stellung der einzelnen Volksschichten zum
Leitbild des evangelischen Kirchenbaus (zwischen 1660 und 1850)". In
cincin Anhang wird als Beispiel für das Entstehen eines Kanzelaltars im
Zusammenhang der gesellschaftlichen Gegebenheiten Gräfenthal in
Thüringen (172 5—27) vorgeführt.