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Ausgabe:

1966

Spalte:

868-870

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Neidhart, Walter

Titel/Untertitel:

Konfirmandenunterricht in der Volkskirche 1966

Rezensent:

Otto, Gert

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 11

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ren Gemeindeverantwortung. Darin erweist sich Kontinuität und
Wandel in den Entsprechungen der jeweiligen Zeit„gebunden-
heit", der alten überständig gewordenen entwachsend, der neuen
mit- und hauptsächlich mitgestaltend offen. Aus Kinderliedern, die
im Geschmack des 19. Jahrhunderts üblich geblieben waren, bleibt
in Barth das „Jesus Christus heute" haften, dem er theologisch
durch die ganze Dogmatik die Treue hält, während die unechte
Form abfällt. Das notwendig Neue oder Andere hat sich auch für
Barth — wie vielen von uns — aus der Unterweisungsarbeit mit
der Jugend ergeben, als Konfirmandenlehrer 1909—1921 (2lff.).
Auch in der anzustrebenden Reform ergibt sich die Pflichterkenntnis
hinsichtlich nicht preiszugebender Kontinuität, 1910 so ausgedrückt
(20): „Ein Christentum, das auf Kenntnisse verzichten würde
, wäre ein Rückfall vom Protestantismus in den Katholizismus."

F. konnte in diesem Kapitel auf noch vorhandene Vorbereitungshefte
zurückgreifen, die nicht veröffentlicht sind, wobei er
sich mit gutem Gelingen darum bemüht, theologisch zu erspüren,
was sich dann im „Römerbrief" entfaltet. Was wir „nachbarthisch"
nicht mehr zu sagen wagen würden, kann Barth in jener Zeit noch
ganz „vorbarthisch" notieren, die Kirche eine „menschliche Einrichtung
zur Förderung des Glaubens . . . , nicht Gemeinschaft der
Heiligen, sondern Erziehungsanstalt". Dennoch nicht katholisch
mißverstanden, vielmehr: „Gott erzieht den Menschen." F.
versteht es, den theologischen Wandel dieser Jahre anhand der Unterweisungsarbeit
aus jenen Notizen zu klären, an deren Ende solche
Einsichten betont werden wie die vom „gottvergessenen
Psychologisieren", ohne der „Sache" Psychologie zu entraten. (41)
Barth scheut nicht, die Verlegenheit auszusprechen, da den Lehrern
— mit denen er bestens gestanden hat — die für ihren Dienst
notwendige Theologie noch fehlt und die alte mit Recht ihre
„weitverbreitete Abneigung" verständlich macht (42).

Je weiter nun von der Theologie der 2. Auflage Römerbrief
— also theologisch — die, wie man abkürzend sagen könnte,
„dialektische Krise" gegenüber den weltlichen Lebensformen Kultur
und Bildung, Erziehung und Schule wirksam wird — „Der große
Einspruch" (2. Kap., 43ff.) —, bleibt F. mehr Schüler der Theologie
seines Lehrers, als es für die kritische Reflexion zum Problem
Glaube und Erziehung förderlich erscheint. Wir können hier nicht
mehrere Einzelheiten aufbringen; an einem Beispiel sei es gezeigt
(5lf.). Ich selber habe das verbreitete Aufbegehren in den Kreisen
der Philosophie und der Religionslehrerschaft zur Genüge miterlebt
, so daß viele es für überflüssig hielten, ein eigenes Urteil über
die Bardische Kritik zu bilden. Dafür mußte erst G. Böhnes Buch
1929 erscheinen: „Das Wort Gottes und der Unterricht", immer
noch ärgerlich genug, aber auch geeignet, die Fachlehrer durch den
Fachlehrer für die geforderte Veränderung zu werben. F. zitiert die
Einwände des Philosophen Leisegang, der heraushebt, dem Lehrer
sei ein Amt „zunächst" nicht von Gott, sondern von Menschen
gegeben, die Eltern erwarteten von ihm, daß die Kinder gebildete
und berufsfähige Erwadisene werden könnten und vom Religionsunterricht
, „daß er diesen Erziehungszielen, der Leistungsfähigkeit
und der Bildung, nicht entgegenwirke...".
F.s einseitige Folgerungen werden dem Problem, das bis heute
dasselbe geblieben ist, nicht gerecht. Leisegang behält Recht bis zu
dem springenden Punkt, daß der RU den weltlichen Erziehungszielen
nicht entgegenwirken dürfe. Sollten wir heute nicht analytisdi
so urteilen, die Evangelische Unterweisung — deshalb haben wir
uns entschlossen, nicht mehr das Mißverständnis vom „Religionsunterricht
" zu verlängern — dürfe den Wahrheitsgehalt der biblischen
Botschaft nicht verleugnen, — positiv: in der Lehre von
Evangelium und Gesetz ihn statt dessen kritisch gegenüber einer
unangefochtenen Weltlichkeit zu Gehör bringen. In diesem pädagogisch
-theologischen Zirkel wird dasjenige, das F. aus der Römerbrief
-Dialektik folgert, erst bedeutsam. Was er bietet, wird
eine pädagogisch ausgerichtete Dogmatik im kleinen. Das abwägende
Ja und Nein zum „sokratischen Erziehen" (147ff.) wird
fruchtbar für die Verantwortung des evangelischen Erziehers.

Wichtig auch, die Fundamente noch einmal so präzise gereinigt
zu bekommen, auf denen wir uns längst von einem pädagogischen
Bekehrungseiferweg dazu gefunden haben, — wie Barth es
sagt: „das beste Gott zu überlassen." Hieran erweist sich jegliches
evangelisches Verständnis von Erziehung, mit Gott zu rechnen und

von ihm her unsere Kunst zu wagen. (150ff.) Ebenso wichtig die
erst heute zu unterstreichende Kritik an der pädagogischen Unbedarftheit
, allzubillig „Mitmenschlichkeit" zu propagieren. (I53ff.)
Es folgen gewichtige Kapitel zur „Gotteskindschaft" (157ff.)-

F. mußte es wagen und hat es gewagt, besondere und ausführliche
Kapitel dem Verhältnis der Antipoden zu widmen: Gogarten,
Emil Brunner, Bultmann. Ich gehe nur auf das längste ein: „Barth
— Gogarten" (177 — 217). Ohne sich etwas von der dem Theologen
Gogarten schuldigen Achtung (195) zu begeben, denkt sich F.
pädagogisch in die schmerzliche Entfremdung und in die theologische
Kritik Barths In Gogarten hinein; er gewinnt deutlich spürbare
eigene Erkenntnisse, auch in kleinen Extras gegenüber Barth.
Diese Analysen sind wegen der aktuellen Nachwirkung von Gogarten
für die Pädagogik am interessantesten und ergiebigsten. Besonders
erhellend, daß die Kritik beider am Idealismus bei Barth
unforsch vorgetragen wurde gegenüber der Forsche und Schroffheit
bei Gogarten, die dessen salto mortale in den völkischen Nomos
begünstigt haben (Theologie der Autorität und der Ordnungen).
Der „Vorteil" Gogartens, obwohl er selber sich nur wenig mehr
direkt zu pädagogischen Fragen geäußert hat, war der, daß sich seiner
Theologie durch M. von Tiling eine Zeitschrift — „Schule und
Evangelium" — von eklatanter Jüngerschaft erschloß. Dieses Schicksal
ist Barth erspart geblieben; er hätte sie wohl auch nicht geduldet
. Die Neigung Gogartens zu seinen, wenn auch differenzierten
.,Säkularisierungs"-theorien war für die Lehrer verführerisch und
hat bestimmten Auffassungen von „Wirklichkeitspädagogik" die
Bahn gemacht, die anthropologisch bedenklich geworden ist, bis in
die problematische „Schul"-theologie bei Verfechtern des „Religionsunterrichts
" gegen die „Evangelische Unterweisung" heute
bei Martin Stallmann und Gert Otto. Hierzu konnte F. gewichtige
Momente der Bardischen Theologie mobilisieren.

Späterhin wird, in zum Teil treffenden Interpretationen, „K.
Barth im Werk evangelischer Pädagogen" dargestellt und in einem
längeren Kapitel für Unterricht und Unterweisung die Frage von
„Verkündigung, Belehrung oder . . . ?" erörtert. Die Christologie,
Rechtfertigung und Heiligung, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit,
Gebot und Gebote, Sünde, Freiheit, Taufe u. a. werden in bezug auf
„Erziehung im Zeugendienst" behandelt. Zuletzt geht es auf
„Kindheit unter 1. Kor 13" zu.

Wir wollen nicht mit der kritischen Bemerkung schließen, die
aber ausgesprochen werden muß, daß Fangmeier noch nicht genügend
Erkenntnisse — vielleicht auch Kenntnisse — zur Theorie der
Erziehungswissenschaft erworben hat. Diese Aufarbeitung könnte
einer 2. Auflage in (?) Jahren zugute kommen. Wichtiger ist, daß
hier einer bei Barth und von Barth so gründlich Theologie gelernt
hat, daß ihm anzuerkennen ist, mit diesem Werk eine außerordentliche
Hilfe für die Begegnung von Theologie und Pädagogik
geleistet zu haben. Ihm ist zu wünschen, daß er dieses Niveau und
diese Erkenntnisse weiterhin fruchtbar ausarbeiten kann. Dafür
hat er sich durch die Gründlichkeit der Studien und der durchdachten
Folgerungen einen freien Zugang erworben.

Hcdifenkirchen O^kar Hum mel sbeck

Neidhart, Walter: Konfirmandenunterricht in der Volkskirche.

Zürich: EVZ-Verlag [1964]. 232 S. gr. 8°. Lw. DM 19.80.

Hervorgewachsen aus Vorträgen vor Sdiweizer Pfarrern, will
das Buch dazu anleiten, „die mannigfaltige, heute geübte Praxis
(zu) erfassen, (zu) verstehen und nach theologischen Gesichtspunkten
(zu) beurteilen" (S. 5). Daß dabei Schweizer Verhältnisse
im Blickfeld des Verfassers liegen, ist für den deutschen Leser kein
Nach teil; denn teils sind die Probleme durchaus gleichartig, teils
sind sie vergleichbar und teils sind sie in ihrer Andersartigkeit
instruktiv. Für das Gesamtverständnis der Ausführungen Neid-
harts will beachtet sein, daß Volkskirche stets reformierte Volkskirche
meint; aber auch diese Einschränkung ist für lutherische
oder unierte Leser durchaus instruktiv im Sinne der Rückfrage nach
entsprechenden eigenen Verhältnissen, sofern sie anders als die
geschilderten sind.

Neidhart setzt ein mit der Darstellung dreier möglicher Ziele des
Konfirmandenunterrichts: Konfirmandenunterricht als „Vermittlung der
christlichen Lehre" (S. 10 ff.), als „geistliche Erziehung oder Hilfe zur
Entscheidung" (S. 17 flf.), als „Lebenskunde" (S. 22 ff.). Es handelt sich