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1966

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Systematische Theologie: Allgemeines

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 11

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fach die Erfahrung von der Realität der Tiefe des Seins und von
unserer Verbindung zu dieser Realität." So stützt Tillichs Symbol
nur die fides qua creditur, nicht die fides quae creditur. McLean
hingegen besteht darauf, daß der Mensch eine Kenntnis von der
Natur Gottes haben kann, die aus der Analogie der Proportionalität
stammt. Thomas' Analogie der Proportionalität bestätigt ein
Verhältnis im Wesen Gottes, das wie auch immer geeignet ist zu
zeigen, daß die reine Vollkommenheit der Schöpfung im Schöpfer
zu finden sei. Da Tillichs Symbolbegriff dieses Resultat einer Aussage
über das Wesen Gottes nicht erreicht, wird er als unzureichend
abgewiesen und dennoch als beachtlicher Versuch des Protestantimus
gewertet, sich der Erkenntnis des Thomas zu nähern.
Daß jedoch Tillich zu solch einem Analogiebegriff nicht gelangen
kann, wird nicht nur von McLean am Verständnis vom .Fall' des
Menschen erklärt. Obwohl die existierenden Wesen von der
Schöpferkraft Gottes leben, sind sie nach Tillich durch den .Fall
des Menschen' von Gott entfremdet. Darum kann der Mensch
auch nur die Frage nach Gott stellen, die Antwort aber kann er
nur empfangen, wenn das Heilige als Offenbarung in einzelnen
Dingen und Situationen zum Menschen durchbricht.

Vor allem von Gustave Weigel trifft Tillich der Vorwurf,
daß seine Erkenntnistheorie und damit auch seine Ontologie zu
abhängig von existentialistischen Kategorien, von subjektiven
Faktoren und von Relativierungen sei. Infolgedessen füge Tillich
zu den drei Quellen für die Aussagen eines Theologen (die
Schrift, das kontinuierliche Leben der Kirche und die kulturellen
Forderungen der Gemeinschaften — oder kurz: „die biblische Botschaft
in ihrer Assimilierung durch die lebende, geschichtliche Kirche
") noch eine Quelle hinzu: die Bedeutung des Menschen als
das Neue Sein. Damit sei dem Individualismus Tür und Tor geöffnet
. Tillich könne somit die ganze Tradition des Protestantismus
aufnehmen: Die Selbstsicht (inwardness) Luthers und Calvins,
den Antirationalismus des Pietismus und die Sentimentalität
Schleiermachers, die Anerkennung der historisch-kritischen und
sogar der pragmatischen (empiricism) Methodik, ja schließlich den
Zug des Existentialismus als Zusammenfassung aller dieser Elemente
. Auch hier wird Tillich Thomas' objektivere Ontologie
entgegengehalten.

Ist für die katholischen Autoren Tillichs Urteil über die ana-
logia entis der Schlüssel für ihr Tillich-Verstehen, so ist für einen
protestantischen Leser wohl am aufschlußreichsten die Sicht des
protestantischen Prinzips, dem fast alle Untersuchungen einen entscheidenden
Platz einräumen, vor allem interessant zu lesen bei
Weigel, McLean, Dulles, Smith und besonders Tavard.

Tillichs Protestantisches Prinzip, daß Gott durch nichts Bedingtes
, auch nicht durch die Bibel, die Kirche oder die Sakramente
verfügbar gemacht werden kann, ist für McLean die bedeutendste
Verteidigung der Transzendenz Gottes innerhalb des
amerikanischen Protestantismus. Tavard erkennt darin die Abwehr
der „katholischen Versuchung, die neue Schöpfung als die
Einführung einer neuen Institution in die Welt vorzubilden". Er
sieht in diesem Prinzip die theologia gloriae eingebettet in die
theologia crucis, „denn nirgendwo war Christi Herrlichkeit direkter
zu sehen als am Kreuz". Dennoch schließt sich Tavard einem
katholischen und einem auch bei protestantischen Kritikern Tillichs
ständig lauernden Verdacht an mit dem Urteil, daß Tillichs
Neues Sein nicht supcrnatural im traditionellen Sinn des Wortes
sei, sondern lediglich die ontologische Tiefe einer jeden Erfahrung
aufweise.

Die Auswertung Tillichs erstreckt sich natürlich auch auf
weitere Fragestellungen, wobei Kirche und kirchliche Autorität,
Schriftnorm, Christologie und auch Mariologie vorwiegend zur
Diskussion stehen. Nur mitunter hat man den Eindruck, daß Tillich
unzureichend erfaßt und beantwortet worden ist, so z. B. in
dem Beitrag von Christopher Kießling ,The Life of the New
Being'. Als beachtenswertester Impuls Tillichs wird von allen Autoren
seine Bemühung anerkannt, das Evangelium für Menschen
unserer Zeit verständlich zu predigen.

Vielleicht ist es ein Nachteil des Sammelbandes, daß einige
der Beiträge schon vor Jahren verfaßt worden sind und ihre Stellungnahme
sich vielleicht auch für die Verfasser inzwischen korrigiert
hat. Um so mehr ist zu begrüßen, daß in den letzten beiden
Kapiteln schon Tillichs 3. Band der Systematischen Theologie, der
in deutscher Sprache noch gar nicht vorliegt, in der Ekklesiologie
dargestellt und einer ersten Beurteilung unterworfen wird. Besonders
erfreulich ist, daß Paul Tillich zu diesem Buch auf die Bitte der
Herausgeber hin ein Nachwort geschrieben hat, so daß sich schon
innerhalb des Buches der Dialog von katholischem mit protestantischem
Denken in aller Fairness und Schärfe ergibt.

Die Einführung der Herausgeber und das Vorwort von J.
Heywood Thomas geben einige Einblicke in den Lebenslauf Tillichs
. Für intensive Studien bietet das ausführliche Register eine
gute Hilfe. Es ist bedauerlich, daß dieses für katholisches Denken
sehr aufschlußreiche Buch nicht in deutscher Übersetzung vorliegt.

Klosterfelde b. Berlin Reinhaid Glöckner

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