Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1966

Spalte:

852-854

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Paul Tillich in catholic thought 1966

Rezensent:

Glöckner, Reinhard

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

851

Theologisdie Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 11

852

Ausmaß, in Frage gestellt werden: die Gottheit Christi und die
Ganzheit seiner menschlichen Natur" (S. 59). L. denkt dabei nicht
nur an den christologischen Bezug der trinitarischen Auseinandersetzungen
, sondern er versucht die im engeren Sinne christolo-
gische Konzeption der Arianer herauszuarbeiten. Die alte Literatur
darüber ist zwar äußerst dürftig, so daß es sehr schwer, wenn nicht
unmöglich ist, „die arianische Christologie zu rekonstruieren"
(S. 60). Indem L. aber die persönlichen Forschungen von M.
Richard (vgl. ebd.) auswertet, versucht er einige bisher „dunkle
Punkte" aufzuhellen.

Er kommt dabei zu der Überzeugung, daß die Arianer trotz
der Betonung der Zugehörigkeit Christi zum Bereich der Geschöpfe
mit der Leugnung der Seele Christi eine unvollkommene
Menschheit in Christus lehren (vgl. S. 60ff.). Daraus ergäbe sich
ein grundlegender „Monophysitismus, insofern die Einheit des
Wortes mit seinem Fleisch im strengen Sinn wie die Einheit der
Seele mit dem Leib verstanden wurde" (S. 63). Eustathius von
Antiochien hat s. E.s als erster „die entscheidende Lücke in der
Christiologie der Arianer" (S. 65) entdeckt und dem arianischen
System vom Typus „Wort — Fleisch" eine ausdrückliche „Wort —
Mensch" Christologie entgegengesetzt (vgl. S. 66). Die Notwendigkeit
, die arianische Leugnung der Seele Christi zu bekämpfen,
sei im Osten aber vor dem Ausbruch des Apollinaristenstreites
nicht allgemein gesehen worden (vgl. S. 69 u. S. 77).

In der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts kam es sowohl in
Alexandrien wie in Kappadozien und Antiochien zu einer Stellungnahme
gegen die Leugner der Seele Christi und zu einer
grundsätzlichen Anerkennung der Ganzheit seiner menschlichen
Natur. Aber jetzt erhob sich als neues Problem, wie „diese Dop-
pelheit in der Einheit, welche das Sein Christi charakterisiert, korrekt
zum Ausdruck" (S. 88) zu bringen ist. Damit ist das Thema
des Streites bezeichnet, der dann mit Macht im 5. Jahrhundert ausbrach
und schließlich zur Entscheidung des Konzils von Chalcedon
führte.

L. schildert anschaulich und aus profunder Sachkenntnis den
Verlauf der Auseinandersetzungen. Seine Darstellung erhält dadurch
eine besondere Note, daß er es aus seiner Sicht der ganzen Entwicklung
für geboten hält, den „beachtlichen positiven Beitrag"
auch der antiochenischen Tradition bei der Ausarbeitung des Dogmas
herauszustellen. Diese habe — was „bisweilen noch verkannt
wird" — „vor allem durch ihr lebendiges Bewußtsein von der
Fülle der Menschwerdung des Wortes" einen Beitrag geleistet, der
in den Kontroversen des 4. und 5. Jahrhunderts fruchtbar gewesen
sei und den die Dogmengeschichte heute nicht mehr ignorieren
dürfe (vgl. S. 127).

Welches Verhältnis hat nun die vorangestellte „Einführung
in die bibliche Christologie" zu der von der dogmatischen Fragestellung
durchgehend bestimmten Darstellung der christologischen
Lehrentwicklung? Obwohl diese einen anderen Verfasser hat, ist
sie von Anfang an von einer ähnlichen Doppelorientierung bestimmt
. Denn es ist doch wohl Lamarches Meinung, daß die heutige
christologische Forschung (in der Literaturangabe findet sich
auch eine große Anzahl älterer und neuer Werke protestantischer
Autoren) mit den zwei verschiedenen Wegen — die einen befassen
sich mit dem Glauben der Lirgemeinde, die anderen suchen die
historische Wahrheit über Jesus ausfindig zu machen (vgl. S. l) —
vor der gleichen Problematik steht, wie Liebaert sie in der Zeit
vom 2. — 5. Jahrhundert herausgearbeitet hat.

Damit bekommt seine These, daß diese beiden Wege sich
nicht ausschließen, sondern daß das Glaubenszeugnis der Urge-
meinde vom auferstandenen Christus auf das irdische Leben Jesu
von Nazareth verweist, von vornherein ein dogmatisches placet.
Die These als solche kann sicher auch auf evangelischer Seite mit
der Zustimmung vieler rechnen. Die sie entfaltenden Ausführungen
— auf gut 9 Seiten behandelt der Verfasser das Christuszeugnis
der Apostelgeschichte, der paulinischen Briefe, den Hebräerbrief
und die Evangelien — sind allerdings zu knapp, um auf die
vielschichtige Problematik der neutestamentlichen Christusaussagen
eingehen zu können. Das ist offenbar auch nicht beabsichtigt.
Lamarche beschränkt sich darauf, einen Überblick über die wichtigsten
Textstellen des Neuen Testamentes zu geben, um die „großen
Linien zu verstehen, die sich in der Lehre der verschiedenen
apostolischen Schriftsteller wiederfinden" (S. 12).

Von der Zielsetzung des Buches her mag diese Beschränkung
verständlich sein. Aber die innere Bewegung und Auseinandersetzung
, die den biblischen Einzelzeugnissen zugrunde liegt, wird damit
zu einem sehr erheblichen Teil abgeblendet. Das ist sachlich zu
bedauern. Man wird allerdings zugeben müssen, daß eine Einführung
in die biblische Christiologie, die die heutigen Fragestellungen
, den Diskussionsstand und die Ergebnisse darstellen will, nur
als eine umfangreiche Monographie möglich ist. Das hätte Rahmen
und Zielsetzung der vorliegenden Arbeit gesprengt. Hier liegt
aber eine Aufgabe, die von den Dogmenhistorikern und Dogmatikern
zusammen mit den Neutestamentlern angepackt werden will.
Es ist m. E.s keine unsachgemäße Einschränkung der Forschungsarbeit
des Neutestamentiers, wenn er auf dogmatische Fragestellungen
aufmerksam gemacht wird, die sich im Umgang der Kirche mit
dem Zeugnis der Schrift ergeben haben. Daraus können ihm vielmehr
Hilfen für seine Arbeit erwachsen. Aber er hat nun auch umgekehrt
mit seiner Arbeit an der Schrift gegenüber der dogmatischen
Entwicklung eine kritische Funktion. Die Lehrentwicklung in
der Kirche muß sich immer wieder neu mit dem biblischen Zeugnis
konfrontieren lassen und dabei offen für neue Fragestellungen sein.
Die gemeinsame Bemühung der Kirche muß der Verkündigung der
Kirche dienen, deren Aufgabe es ist, dem Zeugnis der Schrift in seiner
Tiefe und Weite immer neu zu entsprechen.

Neuendetlelsau Wilhelm An d c r s e n

[Tillich, P.:] Paul Tillich in Catholic Thought, ed by Th. A.

O'Mearau. C. D. Weisser. Foreword by J. H. Thomas. With
an afterword by P. Tillich. Dubuque/Iowa/USA: The Priory Press
[1964]. XXIII, 323 S. gr. 8°. $ 2.95; Lw. $ 5.95.

In der langen Reihe der Untersuchungen, Darstellungen.
Essays, Dissertationen, Entgegnungen und Monographien zu Paul
Tillichs Denken, wie sie aus der Literafurliste des Paul-Tillich-
Archivs in Göttingen hervorgeht, verdient der Sammelband ,Paul
Tillich in Catholic Thought' einen besonderen Platz. Mit fünfzehn
Beiträgen stellen sich elf katholische Theologen, unter ihnen Gustave
Weigel SJ, George Tavard, Erich Przywara SJ und George F.
McLean OMI dem Gespräch mit der Theologie Paul Tillichs. An
vielen Stellen wird deutlich, daß die Untersuchungen in diesem
Buch bewußt den ökumenischen Dialog katholischer mit protestantischer
Theologie aufnehmen wollen. Darum liegt in der Regel der
Akzent auf den für katholisches Denken anregenden Argumenten
und nur wenige Beiträge sind stärker von Abwehr als von Verständnis
geprägt.

Da Paul Tillich vorzugsweise in religionsphilosophischen Begriffen
denkt und die biblische Begründung nur selten aufweist,
findet er bei vielen protestantischen Theologen so wenig Verständnis
, daß man sich fragt, ob einige der protestantischen Kritiker
überhaupt bereit sind, philosophisch bzw. ontologisch mitzudenken
. Ganz im Gegensatz hierzu bewegen sich die katholischen
Gesprächspartner dieses Buches völlig selbstverständlich, ja fast
ausschließlich und mit auffallender Sicherheit im philosophischen
Denken. Selbst wenn Tillichs Bibelverständnis zur Diskussion
steht, werden scholastisch-dogmatische Voraussetzungen anstelle
von historisch-kritischen Analysen zur Schlußfolgerung herangezogen
. Das eigentliche Gegenüber findet Tillich hier in Thomas von
Aquin, denn an dessen theologisch-philosophischen Erkenntnissen
wird sein Denken überprüft. So verwundert es nicht, daß im Zentrum
der Auseinandersetzung ständig der Vergleich von Tillichs
Symbolverstehen mit der analogia entis nach Thomas steht.

Bezeichnenderweise ist die gründlichste und tiefgreifendste
Untersuchung .Symbol and Analogy: Tillich and Thomas' von
McLean in der Mitte des Buches zu finden. McLean sieht den
Grundunterschied zwischen Tillich und Thomas darin, daß das
Symbol bei Tillich das Resultat der Begegnung zwischen einem
Subjekt und der Realität Gottes ist, wohingegen die analogia entis
nach Thomas unabhängig von subjektivem Relativismus objektiv
gültige Aussagen über die Realität Gottes zuläßt. Tillichs Symbol
kann kein Mittel der Gotteserkenntnis sein. „Was im religiösen
Symbol als solchem enthalten ist, ist nicht Information über die
Natur Gottes oder gar die Wurzel solcher Information. Es ist ein-