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1966

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 11

B44

sung der folgenden Woche in der Zeit zwischen dem 12. November
15 50 und dem 10. Januar 1551 gehalten hat. Der Herausgeber,
Jean Daniel Benoit, ist bereits durch eine Anzahl von Calvinstudien
, u. a. durch eine Calvinbiographie, hervorgetreten (s. Wilhelm
Niesei: Calvin-Bibliographie 1901—1959, 1961). Seine Ausgabe
hält sich auf der Höhe der bisher vorgelegten Teilbände der
Supplementa Calviniana. Er gibt eine mehrseitige Einführung, die
Angaben über die Beschaffenheit des Manuskripts, die Schreiber,
die Datierung der einzelnen Sermone und die Editionsgrundsätze
enthält. Die Berechtigung des kritischen Apparates und des
„Glossaire" wird besonders erläutert, ebenso die Handhabung bei
der Wiedergabe von Zitaten aus biblischen Büchern. Beachtenswert
und sehr sinnvoll ist die Heranziehung der Vorlesungen Calvins
über Micha (S. XI, besonders Anm. 2). Ganze Passagen sind
im kritischen Apparat hieraus zum besseren Verständnis der Predigten
abgedruckt. Das bezieht sich speziell auf die üblichen
Schlußgebete, die bei den Predigten und den Vorlesungen aufschlußreiche
Vergleiche ermöglichen.

Der von Benoit beigebrachte Apparat soll den Leser in die
Lage versetzen, die Feststellung des Herausgebers mitzuvollzie-
hen: „Notre apparat eclaire certains passages en renvoyant aux
grandes affirmations doctrinales de l'Institution, ou aux Commcn-
taires ..." (S. XI). Benoit versucht, Calvin also zunächst aus Calvin
zu verstehen. Deshalb sind viele Belegstellen aus den zahlreichen
Bibelkommentaren des Reformators abgedruckt. Eine Befragung
der Tradition in Gestalt der Kommentierungen zu Micha von
Nikolaus von Lyra hat keine unmittelbare Nähe zu Calvin ergeben.

In seiner Einführung setzt sich Benoit u. a. mit den vor Jahrzehnten
getroffenen Entscheidungen der Herausgeber der Opera Calvini im Corpus
Reformatorum auseinander. Sie seien damals ausgegangen von dem vermeintlichen
Parallelismus zwischen den Texten der Vorlesungen
und der Predigten. Die Authentizität der Predigten sei zudem nicht
gesichert (wegen der Zwischeninstanz von Schreibern; im Falle der Midia-
predigten sind es drei), und außerdem seien die Kommentare und Vorlesungen
wissenschaftlich strenger und deshalb brauchbarer. Benoits
Argumente gegen diese Auffassungen schlagen durch; das Editionsunternehmen
der Sermons inedits ist vorbehaltlos zu begrüßen. Die Stenographie
der Nachschreiber hat sehr viel von dem Predigtvortrag erfassen
können; außerdem ist angesichts der großen Anzahl von Predigten und
der verschiedenen Nachschreiber ein persönlicher Eintrag von Gedanken
gegen den Prediger schwer möglich. Die vergleichenden Predigtanalysen
bringen Calvins eigene Meinung deutlich an den Tag. Sie ist auch bei
der in vielen Punkten aufweisbaren gleichbleibenden Terminologie zu
erkennen. Wissenschaftlicher Lehrvortrag und Predigt haben zwar die
gleiche Sache im Blick, aber sie leisten nicht dasselbe; und das eine wird
durch das andere nicht entbehrlich: „De fait, les lecons et Ies sermons
ne tendent pas au meme but et ne s'adressent pas au meme public. Les
lecons, ä l'Auditoire, veulent d'abord enseigner, et sont faites ä des
etudiants en theologie. Les sermons, ä l'eglise, veulent essentiellement
edifier et admonester, et sont preches ä la foule. Je sais bien que Calvin
n'entendait pas separer ces deux choses, l'enseignement et l'edification.
qu'il voulait edifier en enseignant, et enseigner pour mieux edifier; il
n'empeche que Ie point de vue est different, different le langage, diffe-
rente l'orientation de la pensee, different, si Ton peut dire, son centre
de gravite." (S. XII).

Auf den Inhalt der dargebotenen Predigten einzugehen, ist
hier nicht der Ort. Sicherlich wird die Durchforschung des Textbestandes
keine Revolution im Verständnis Calvinscher Hermeneutik
bringen, aber manche Bestätigung und manche Korrektur liefern
können. Zur Aufschlüsselung des Ganzen hat Benoit ein kleines
Glossar besonders markanter Begriffe beigesteuert; selbstverständlich
findet sich auch in diesem Band ein Bibelstellenregistcr.
Eine erfreulich ausführliche „Table analytique des Matieres"
(S. 246—259) verhilft zur Klärung theologischer und theologiegeschichtlicher
Sachverhalte. Schließlich ist ein Verzeichnis der Sprichwörter
und sprichwörtlicher Ausdrücke angefügt.

Der aufrichtige Dank für die Vorlage eines so ausgezeichneten
Arbeitsmaterials zum Calvinverständnis wird nicht gemindert,
wenn man sich bei dem Abkürzungsverzeichnis eine deutlichere
bibliographische Spezifikation wünscht (z. B. I. C. = Institution
chretienne; Vg. = Vulgate — welche Ausgaben sind gemeint?) und
wenn zum Ausdruck gebracht wird, daß man sich über klare Versbezeichnungen
über jeder Textseite freuen würde (wie sie zur

leichteren Orientierung bei den Jesajapredigten gegeben sind).
Ein Neudruck müßte die fünftletzte Zeile (En. outre) der S. XII in
der Liste der Corrigenda berücksichtigen.

Generell wäre natürlich zu fragen, ob sich nicht auch für Calvin
die .Galeerensklavenarbeit' lohnte, die gegenwärtig in bezug
auf Luther geschieht, nämlich ausführlicher als in dieser Ausgabe
geschehen die Quellen Calvins in der kirchlichen Tradition aufzugraben
. Wie ergiebig ein solches Unternehmen wäre, vermag der
Rezensent nicht zu überschauen, aber vielleicht wäre bei einer
Neuauflage nach dem Vorgang der Ausgabe von Jesajapredigten
wenigstens ein „Index des Auteurs cites" erreichbar. Der Herausgeber
würde in diesem Falle den Leser zu großem Dank verpflichten
.

Berlin Joachim Roggc

Alberigo, Guiseppe: Das Konzil von Trient in neuer Sicht (Con-
cilium 1. 1965 S. 574—583).

B a r t o s , F. M.: Wer ist der Verfasser der Reformation Kaiser Sigmunds
? (Communio Viatorum 8, 1965 S. 123—144).

Beumer, Johannes: Die Kirche des Ostens im Urteil katholischer
Kontroverstheologen aus der Reformationszeit (ThPh 41, 1966 S.
567—571).

Dan t ine, Johannes: Das christologische Problem im Rahmen der
Prädestinationslehrc von Theodor Beza (ZKG LXXVII, 1966 S.
81—96).

Frank, Isnard: Konzilsbeschlüsse und ihre Verwirklichung. Ein Rückblick
auf Trient (Wort und Antwort 7, 1966 S. 110—116 und S.
147—150).

Gundermann, Iselin: Das „Feuerzeug christlicher Andacht" eine
Gebetssammlung Herzog Albrechts von Preußen (ZKG LXXVII, 1966
S. 97—104).

Ha endler, Klaus: Melanctithons Kirchenverständnis im Licht seiner
Auslegungsgeschichte (NZSTh 8, 1966 S. 122—151).

Hassinger, Erich: Religiöse Toleranz im 16. Jahrhundert. Motive-
Argumente-Formen der Verwirklichung. Basel-Stuttgart: Helbing &
Lichtenhahn [1966]. 35 S. 8° = Vorträge der Aeneas-Silvius-Stiftung
an der Universität Basel, VI. sfr. / DM 5.50.

Kantzenbach, Friedrich Wilhelm: Der Ruf nach einem Konzil im
Jahrhundert der Reformation (ZW XXXVII, 1966 S. 667—677).

Meyer, Harding: Der III. Internationale Kongreß für Lutherforschung
(KidZ 21, 1966 S. 497—503).

Molnar, Amedeo: Hus et son appel ä Jesus Christ (Communio Viatorum
8, 1965 S. 95—104).

Schüler, Oswaldo: As Causas da Reforma (Igreja Luterana XXVII,
1966 S. 90—123).

Steubing, Hans: Die letzten Einigungsverhandlungen zwischen Katholiken
und Protestanten 1539—1541 (KidZ 21, 1966 S. 510-517).

Vanneste, A.: Le Decret du Concile de Trente Sur le peche origi-
nel (Nouvelle Revue Theologique 98, 1966 S. 581—602).

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Kalb, Friedrich: Die Lehre vom Kultus der lutherischen Kirche zur Zeit
der Orthodoxie. Berlin: Luth. Verlagshaus 1959. 152 S. gr. 8U m
Arbeiten z. Geschichte u. Theologie d. Luthertums, hrsg. v. W. Maurer,
K. H. Rengstorf u. E. Sommerlath, III. Kart. DM 13.80.

— Theology of Worship in 17,1,-Century Lutheranism. Translatcd by
Henry P. A. Hamann. St. Louis, Missouri: Concordia Publ. Hou**
[1965]. XIII, 192 S. gr. 8°. Lw. $ 3.95.

Die nunmehr erschienene amerikanische Übersetzung der
K.sehen Untersuchung zur altlutherischen Lehre vom Gottesdienst
(= GD; gottesdienstlich = gd.) mag Anlaß sein, in dieser Zeitschrift
— wenn auch mit (nicht vom Rez. verschuldeter) Verspätung
— auf eine Arbeit aufmerksam zu machen, die nicht nur unser
Wissen von der Geschichte des GD-Verständnisses im reformatorischen
Protestantismus in willkommener Weise bereichert und
vertieft, sondern darüber hinaus geeignet ist, die traditionelle Einschätzung
der lutherischen Orthodoxie als einer toten doktrinären
Scholastik, die jeden Zusammenhang mit dem Glaubens- und
Frömmigkeitsleben verloren hat, in Frage zu stellen und zu korrigieren
. In dieser Hinsicht tritt diese Arbeit den neueren Bemühungen
, die altprotestantische Theologie angemessen und