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Ausgabe:

1966

Spalte:

834-835

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Titel/Untertitel:

750 Jahre Kreuzkirche zu Dresden 1966

Rezensent:

Mai, Hartmut

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 11

834

KIRCHENGESCHICHTE: ALLGEMEINES
UND TERIUTOHIALMIICHENGESCHICHTE

Klei nei dam, Erich: Univcrsitas Studii Erffordcnsis. Überblick über
die Geschichte der Universität Erfurt im Mittelalter 1392—1521. Teil I:
1392—1460. Leipzig: St. Benno-Verlag 1964. XXV, 398 S. gr. 8° =
Erfurter Theologische Studien, hrsg. v. E. Kleineidam u. H. Schürmann,
Bd. 14. Kart. MDN 24.50.

Die umfangreiche, mit großer Gründlichkeit in alle Einzelheiten
gehende Abhandlung stellt einen wertvollen Beitrag zur
spätmittelalterlichen Universitäts- und Gelehrtengeschichte dar.
Sie schildert anschaulich die Schwierigkeiten, die um die Wende des
14. und 15. Jahrhunderts, vor allem infolge des Schismas, mit Universitätsgründungen
verbunden waren, im besonderen das zähe
Ringen um Bullen und Privilegien, die als Rechtsgrundlage für eine
neue Universität unentbehrlich waren. So entstand die Llniversität
Erfurt, nicht als fürstliche, sondern als städtische Gründung des
Rates, nachdem eine erste päpstliche Bulle von 1379 nicht ausgenutzt
werden konnte, im Jahre 1392 auf Grund einer Bulle Urbans
VI. von 1389. Die neue Universität bekam bald großen Zulauf
, den sie zunächst dem großen Ansehen ihrer juristischen Fakultät
verdankte, und wurde so zur meistbesuchten deutschen Universität
des 15. Jahrhunderts. Es war eine Zeitlang geradezu
Mode, in Erfurt zu studieren, so daß unter den Studenten viele
junge Leute von Adel vertreten waren. Sehr eindrucksvoll ist die
Schilderung der weitverzweigten gelehrten Verbindungen Erfurts
und seiner Professoren zu vielen anderen deutschen und europäischen
hohen Schulen, zu Prag, Heidelberg, Leipzig, Köln, Wien,
Paris. Bei der Gründung jüngerer LIniversitäten (Rostock 1419,
Löwen 1426, Greifswald 1456, Basel 1460) waren Erfurter Doktoren
und Magister maßgebend beteiligt. Der Gründer Greifswalds,
Heinrich von Rubenow, war einst Erfurter Student gewesen.

Die Geschichte Erfurts bietet aber nicht nur allgemeine Universitätsgeschichte
. Vielmehr ist sie als Beitrag zur Reformationsgeschichte
von großem Interesse. Sie schildert Entstehung und Entwicklung
der geistigen Umwelt, in der Luther später seine akademische
Bildung empfangen sollte. Zwar schließt der zunächst erschienene
Teil I mit dem Jahr 1460 ab, also vier Jahrzehnte vor dem
Beginn des Studiums Luthers, aber das Gesicht seiner Universität
war bereits entscheidend geprägt. Erfurt zeigt sich als eine im damaligen
Sinne moderne Llniversität, die Prag als ihre geistige Mutter
anerkannte. Die via moderna war vorherrschend, Anhänger der
via anriqua traten nicht hervor. So blieben Erfurt Kämpfe der Lehrmeinungen
erspart, und es herrschte Einigkeit in den Grundfragen
des geistigen Lebens. Man ist versucht, die Parallele zu den im
Aufklärungszeitalter gegründeten Universitäten wie Erlangen und
Götfingen zu ziehen, wo gleichfalls in den Anfängen eine vom
herrschenden Zeitgeist geprägte Einmütigkeit des Denkens gegeben
war. Von Prag her hatte Erfurt die nominalistische Tradition
in Verbindung mit dem Occamismus übernommen. — Vor allem
stand man in Erfurt dem Gedanken einer kirchlichen Reformation
Positiv gegenüber. Viele reformfreundliche Bischöfe hatten in Erfurt
studiert. Man wandte sich gegen Auswüchse des Wallfahrtswesens
. Der bedeutende Erfurter Theologe Heinrich Toke vertrat
seine Universität auf dem Konzil von Basel und war wie der gesamte
Lehrkörper Anhänger der konziliaren Idee. Als Abgesandter
des Konzils nahm er eine versöhnliche Haltung gegenüber den
Hussiten ein. Das alles zeigt ein geistiges Milieu, das manzwarnicht
als kirchlich-revolutionär, aber als kirchlichen Reformen weit aufgeschlossen
bezeichnen kann. Auch von hier laufen geistige Verbindungen
zu dem Reformator Luther, der niemals Revolutionär
sein wollte. Lind schließlich sei betont, wie in dieser frühen Geschichte
Erfurts die Autorität seiner Doktoren besonders hervortritt
. Die Hochachtung vor den Erfurter Doktoren hat, wie der
Verf. mit Recht hervorhebt (S. 251), bis heute nachgewirkt, wenn
die volkstümlichste Bezeichnung Luthers noch immer „Doktor
Martin Luther" lautet. — Man darf mit Spannung den Teil II erwarten
, der mit den Jahren 1461 bis 1521 die Studienzeit Luthers
umfaßt.

Erlangen Hans Lic-rmann

W e n d e 1 i n, Gerhart [Hrsg.]: 750 Jahre Kreuzkirche zu Dresden. Berlin
: Evang. Verlagsanstalt [19651. 96 S., 36 Taf. 8°. Kart. MDN 3.20.

Mit der Herausgabe des Buches wird der guten Tradition
entsprochen, aus Anlaß eines Kirchenjubiläums auch eine Festschrift
erscheinen zu lassen, die einen breiten Kreis an dem Ereignis
teilnehmen läßt. Zumal bei einer Kirche von so weitreichender
Bedeutung wie der Dresdner Kreuzkirche scheint das
Unternehmen voll berechtigt. In der von Stadtsuperintendent
Dr. Gerhart Wendelin herausgegebenen und mit einem Vorwort
(S. 7 f.) versehenen Schrift kommen mit der Kreuzkirche besonders
verbundene Männer zu Wort.

Der Dresdner Historiker Dr. Hermann Löscher entwirft
mit seinem Beitrag „Stadtkirche — Wallfahrtskirche — Hauptpfarrkirche
zum Heiligen Kreuz. 1200—1875" (S. 9—36) ein
differenziertes Bild Dresdner Kirchengeschichte. Die als Tochter
der Frauenkirche um 1210 gegründete Stadtkirche St. Nikolai erhielt
1234 als Reliquie einen Splitter vom Kreuz Christi, den man
in einer an diese angebauten Kapelle aufbewahrte. 13 88 wurde
der Name der Kreuzkapelle auf die ganze Kirche übertragen. Die
Einführung der Reformation (15 39) brachte die Neuordnung der
gesamten kirchlichen Verhältnisse. Die Kreuzkirche wurde Stadtpfarrkirche
. Der erste evangelische Pfarrer, Johann Cellarius, erhielt
zugleich das Amt des Superintendenten. Die folgende
Charakterisierung der einzelnen Superintendenten schenkt der
Persönlichkeit und dem Lebenswerk Valentin Ernst Löschers
(geb. 1673, gest. 1749) besondere Aufmerksamkeit.

Fritz Steudtner, leitender Architekt des Wiederaufbaus
der Kreuzkirche, gibt in seinem „Steine reden" überschriebenen
Beitrag (S. 37—45) einen Überblick über die wechselvolle Baugeschichte
der Kreuzkirche, die von der doppeltürmigen romanischen
Basilika über die spätgotische Hallenkirche bis zum spätbarocken
Neubau nach dem Siebenjährigen Kriege reicht. Nach
dem Brande von 1897 erhielt die Kirche ihre einheitliche Ausstattung
im Jugendstil. Diese wurde durch die Zerstörung im
Jahre 1945 und den nachfolgenden Wiederaufbau bis auf geringe
Reste beseitigt.

In seinem Bericht „Der Kreuzchor in seiner Heimatkirche"
(S. 46—51) schildert Kreuzkantor Professor D. Dr. h. c. Rudolf
Mauersberger den vielseitigen kirchenmusikalischen Dienst
des Chores, der in der Pflege des Werkes von Heinrich Schütz
gipfelt und in den allsonnabendlichen Vespern, den Vespern und
Metten an den hohen Festen und im Sonntagsgottesdienst seinen
besonderen Ort hat.

Mit Spannung liest man die Darstellung der neueren Kirchengeschichte
, die Gerhart W e n d e 1 i n unter das Thema „Bewährung
und Bewahrung. 1875—1965" (S. 52—85) gestellt hat und die
damit den Faden des ersten Beitrages wieder aufnimmt. W. zeichnet
ein detailliertes Bild von den Bemühungen der verantwortlichen
Kirchenmänner um den organisatorischen Neuaufbau und
die Erweckung eines Gemeindelebens in der wachsenden Großstadt
. Besondere Würdigung erfährt D. Franz Dibelius (Superintendent
von 1884—1910), der sich in seiner Praxis als Theologe,
Prediger, Seelsorger und Organisator des kirchlichen Lebens
gleichermaßen bewährte. Auch das kirchliche Leben steht mehr
und mehr im Banne der großen weit- und innenpolitischen Ereignisse
, die seit 1914 rasch wechseln und mit der Katastrophe von
1945 enden. Es ist wie ein Wunder, daß nach dem Zusammenbruch
in der zerstörten Dresdner Innenstadt von neuem Gemeinde gesammelt
wurde, bis schließlich seit 1960 in der Kreuzkirche wieder
regelmäßig Gottesdienst stattfindet.

Den Darlegungen sind angefügt die Verzeichnisse der
25 Superintendenten, 134 Pfarrer der Kreuzkirche, 25 Kreuzkantoren
.

36 Abbildungen zeigen Ansichten der Kreuzkirche, Super-
intendentur und einiger Superintendenten aus verschiedenen Jahrhunderten
.

Der Gesamtentwurf der Festschrift kommt wegen der Fülle
historischer und statistischer Angaben im ersten und letzten
Aufsatz, die man zugunsten stärkerer Akzentuierung wesentlicher
Ereignisse hätte einschränken können, nicht genügend zur Geltung.