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Ausgabe:

1966

Spalte:

783-785

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Pinomaa, Lennart

Titel/Untertitel:

Sieg des Glaubens 1966

Rezensent:

Lohse, Bernhard

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 10

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gemacht, besonders an den drei Stellen: IV/l, 1953, 726 ff.; IV/2,
1955, 695 ff.; IV/3, 1959, 780 ff. Aus diesen (daneben aus dem
einen oder anderen der früheren Aufsätze und Vorträge Barths,
vor allem aber aus Äußerungen in seinem Römerbrief) stellt der
Verf. hier eine instruktive Skizze der Lehre Barths über die Kirche
zusammen. Nach der Herausstellung und Interpretation der charakteristischen
grundlegenden Perspektiven (1:1. Die eschatologische
Perspektive; 2. Die christologische Perspektive. 3. Israel und die
Kirche), wo besonders die Wiedergabe von Barths exegetischer Begründung
seiner Auffassung von der Kirche als „Leib Christi" (S.
15 ff.) eine Rolle spielt, besteht das Gros (und auch der Hauptwert
) der Arbeit in dem darstellenden Kap. I, II (S. 25—3 8).

Es handelt sich um die komprimierte Nachzeichnung des
dreifachenAspekts, unter dem Barth die Kirche (= Gemeinde
) sieht, oder, wie der Verf. formuliert: „Die dreifache
Struktur der Gemeinde": 1. „Was ist die Kirche?" (Kirch!. Dogm.
IV/l, 726 ff.: „Das Sein" u. „die Zeit der Gemeinde"), 2. „Wer
ist die Kirche?" (Kirchl. Dogm. IV/2, 695 ff.: „Das Wachstum",
„die Erhaltung" und „die Ordnung der Gemeinde"), 3. „Wozu ist
die Kirche da?" (Kirchl. Dogm. IV/3, 780 ff.: „Das Volk Gottes
im Weltgeschehen"; „Die Gemeinde für die Welt"; „Der Auftrag
der Gemeinde"; „Der Dienst der Gemeinde"). Zumal auf das
Dritte, die „Intentionalität" der Kirche, legt Barth
besonderen Wert, da er hiermit eine „Lücke" in der patristischen
und scholastischen, aber auch in der reformatorischen und nach-
reformatorischen Ekklesiologie ausfüllen möchte.

In einem II. Teil soll dann Barths Lehre von der Kirche mit
der römisch-katholischen konfrontiert werden, wie diese in der
Enzyklika „Mystici Corporis" (1943) niedergelegt ist. (Bäumlers
Arbeit wurde vor dem Erscheinen der in der 3. Session des II.
Vatic. Konzils beschlossenen Konstitution „De ecclesia" abgeschlossen
). Aber nach einer allzu kurz hergeholten Zeichnung der
„Vorgeschichte" der Enzyklika, einer zu allgemein gehaltenen
Wiedergabe ihres Inhalts und ihrer Interpretation nur nach einem
Punkte (nach Schmaus) beschränkt sich der Vergleich auf wenige
Grundgedanken: Ähnlich ist das ausschließende Verständnis der
Kirche im Sinne des „Leib-Christi"-Gedankens. (Bäumler kritisiert
hier Barth: er hätte statt dessen mehr von dem „Volk Gottes"-
Gedanken ausgehen sollen, S. 25. 48; sein Ansatz von dem „Leib-
Christi"-Gedanken öffne zu sehr der Spekulation Tor und Tür, S.
59). Die Differenz liege darin, daß Barth darauf dringt, daß das
Verhältnis von Haupt (Christus) und „Leib" (Kirche) unumkehrbar
ist, während es nach römisch-katholischem Verständnis
auch umkehrbar sei.

Im letzten, III. Teil will der Verf. Barths Lehre von der Kirche
mit der des „früheren Luther" (Vorwort: S. 7) konfrontieren.
Letztere wird kurz, aber zutreffend skizzier*, jedoch zu einer eigentlichen
Verhältnisbestimmung kommt es nicht. Es wird nur festgestellt
, daß Barth die Gestalt einer bekennenden Gemeinde
überzeugender herausgestellt hat (die Rechtfertigungslehre viel
stärker mit der paulinischen Charismenlehre verbunden hat), als
Luther das in seiner Situation tun konnte.

Eine gewiß wertvolle Skizze, aber doch eben nur eine
Skizze !

Münster/Westf. Errst Kinder

Pinomaa, Lennart: Sieg des Glaubens. Grundlinien der Theologie
Luthers, bearb. u. hrsg. v. H. B e i n t k e r. Berlin: Evang. Verlagsanstalt
; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht [1964]. 206 S. gr. 8°.

In den letzten Jahren sind drei Werke erschienen, die eine
Einführung in Luthers Theologie geben. Während P. Althaus' eine
systematische Übersicht über Luthers gesamte Theologie gegeben
hat, geht es G. Ebeling2 vor allem darum, an einigen ausgewählten
Problemen die dynamische Spannung darzutun, die Luthers gesamte
Theologie durchzieht. Pinomaas Einführung in Luthers
Theologie ist in der Auswahl der behandelten Themen ausführli -
eher als die von Ebeling, aber nicht so vollständig wie die von Althaus
.

Pinomaas Buch basiert auf Vorlesungen, die von ihm an verschiedenen
Universitäten Europas und der USA gehalten worden sind. Die deutsche
Ausgabe stellt freilich keine bloße Übersetzung, sondern eine vor
allem von H. Beintker vorgenommene sehr weitgehende Überarbeitung
dar. Für die deutsche Übersetzung sollte nicht nur der deutsche Leserkreis
berücksichtigt werden, wodurch sich teilweise Straffungen oder
auch Erweiterungen ergaben. Vielmehr sind auch manche Kapitel ganz neu
hinzugekommen, so etwa cap. XI „Anfechtung und Evangelium", cap.
XVII „Die Heiligkeit des Christen", aber auch cap. XV „Das geistliche
Amt", das allerdings schon in der englischen Ausgabe enthalten war. Bei
der Überarbeitung ging es nicht zuletzt auch darum, „den systematisdien
Aufbau im Ganzen wie im einzelnen zu straffen" (Beintker S. 11). Trotz
der tiefgehenden Eingriffe, die Beintker in bestem Einvernehmen lß}t
Pinomaa vorgenommen hat, ist das Werk unter der alleinigen Verantwortung
Pinomaas erschienen.

Das Buch gliedert sich in 21 Kapitel, die nicht in Hauptteilen zusammengefaßt
sind. Sie behandeln nacheinander u. a. Luther als Gestalt der
Geschichte, Gottes Offenbarung, den Gottesbegriff sowie Gottes Alleinwirksamkeit
. Weiter folgen Kapitel über Vernunft und Glaube, die
Rechtfertigung, die Geschichtsanschauung, Christi Person und Werk,
Rechtfertigung und Heiligung, Anfechtung und Evangelium. Dann wendet
sich Pinomaa dem Werk des Hl. Geistes, Wort und Geist, der Kirche
sowie den Fragen des Amtes und der Sakramente zu. Am Sdiluß werden
die Bedeutung des Gesetzes und die zwei Reiche, die Ehe, der Beruf
sowie der Staat erörtert. Es folgen Erklärungen bestimmter Luther-Worte,
die in Zitaten begegnen und deren Sinn sich inzwischen gewandelt hat,
sowie ein Personenregister.

Der Aufbau folgt also einem locker durchgeführten trinitari-
schen Aufriß, woran dann Ausführungen über die Zwei-Rciche-
Lehre sowie über die Ethik angeschlossen worden sind. Man hätte
sich wohl gewünscht, daß dieser trinitarische Aufriß, der ja bei
den neuen Gesamtdarstellungen von Luthers Theologie sonst nicht
begegnet3, etwas deutlicher sichtbar gemacht wäre und auch zu einer
Erörterung von Luthers Trinitätslehre geführt hätte. Aber Pinomaa
hat sich in seinem Buch mit voller Absicht doch nicht das Ziel
einer umfassenden Darstellung von Luthers Theologie gesetzt, vielmehr
möchte er vor allem angesichts der Zersplitterung und der
Spezialisierung der modernen Lutherforschung eine knappe Zusammenfassung
und Einführung in Luthers Theologie geben.

Diesen Zweck erfüllt das Buch in guter Weise. Das erste Kapitel
gibt eine knappe Übersicht über die Geschichte der Lutherforschung
, über die Quellenfrage sowie über die wichtigsten
Werke zur Lutherforschung aus den letzten Jahren. In den einzelnen
Kapiteln, die zum Teil noch von dem Rede-Stil der Vorlesungen
geprägt sind und daher besonders gut lesbar sind, gibt Pinomaa
häufiger einen Überblick über die verschiedenen Positionen
der Forschung und sucht sich dann seinen eigenen Weg zu bahnen.
Die klare Gliederung sowie die anschauliche Sprache können insbesondere
Studenten den Zugang zu Luther erleichtern.

Was den theologischen Standort betrifft, von dem aus Luther
geschildert wird, so ist es im ganzen der der skandinavischen Lutherforschung
. Das zeigt sich vor allem natürlich bei der Darstellung
der Regimenten-Lehre: in dieser sieht Pinomaa nicht zwei
Personengruppen, sondern nur zwei Betrachtungsweisen (S. 187)-
Aber auch die Betonung des „Kampfmotivs" (z. B. S. 177) sowie
die Unterscheidung zwischen theozentrischer und anthropozentrischer
Religion (S. 32 ff.) in Luthers Theologie verdankt Wesentliches
den Beiträgen der skandinavischen Forschung. Hervorgehoben
sei ferner, daß Pinomaa für Luther eine Differenzierung zwischen
allgemeiner und spezieller Offenbarung ablehnt (S. 30).

Corrigenda und Desiderata: S. 15 Hanns (st. Heinrich)
Rückert. — S. 18 Nicht unproblematisch ist es, die Theologia crucis als
„zentrales Prinzip in Luthers Theologie" zu bezeichnen. — S. 21 und
174, 19 G. Hillerdal, Gehorsam gegen Gott und Menschen erschien 195 5,
nicht 1954. — S. 21 W. v. Löwenich, Luthers Theologia crucis erschien
in 1. Auf. 1929, nicht 1926. — S. 24 „Luther nennt sie (seil, seine reformatorische
Theologie) in der ersten Zeit theologia crucis": der älteste
Beleg für diesen Begriff findet sich m. W. erst 1518 WA 1, 613, 23 ff-
(Resolutiones disputationum de indulgentiarum virtute.) Ungefähr
gleichzeitig mit der Abfassung dieser Schrift dürfte die Konzipierung

der

Thesen für die Heidelberger Disputation sein, die bekanntlich diesen
Begriff scharf formulieren (WA 1, 354, 21 ff.) — S. 21 bei der Literaturübersicht
sowie in dem Abschnitt über die Lehre von den zwei Reichen

') Die Theologie Martin Luthers, 1962, 2. Aufl. 1963.
2) Luther. Einführung in sein Denken, 1964

*) Er findet sich zuletzt in der Darstellung von E. Seeberg, Luthers
Theologie in ihren Grundzügen, 1. Aufl. 1940.