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1966

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Philosophie, Religionsphilosophie

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 10

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um recht viele Anwcndungsmöglidikeiten aufzuweisen. Man würde die
Intention Bernhards verkennen, wollte man sie als definitive logische
Festlegungen auffassen. Er bewahrt sich seine Freiheit in der anwendenden
Ausdeutung der Heiligen Schrift, um die Fruchtbarkeit des Textes
zu erhalten. Aus den ihm aus der Vätertradition zugeflossenen philosophischen
Elementen jedoch ein System zu formen, dürfte seiner Intention
nicht entsprechen.

Ebenso werden sich gegen den Versuch, im christlichen Sokratismus
und zwar in dem Sinne, daß ,.das Selbstbewußtsein, gewonnen durdi
Selbsterkenntnis, das erste und das letzte" (36) sei, den „Angelpunkt im
System des hl. Bernhard" (31> zu sehen, Bedenken erheben. Auch hier
hesteht die Gefahr, daß die Grundtendenz Bernhards, der nicht philosophisch
, sondern eminent theologisch denkt, verdeckt wird. Es geht bei
'hm nicht um Selbstbewußtsein, sondern um ein neues Selbstverständnis
des Menschen, das diesem durch das Wort Gottes geschenkt wird, daß er
sich nämlich als Sünder erkennt und bekennt. Das ist die Wahrheit Seiles
eigenen Seins, daß er vor Gott nichts ist. Cognitio sui ist für Bernhard
gleichbedeutend mit conversio. Die Verknüpfung des biblischen
Rufes ..Redditc ad cor", von der Bernhard ausgeht, mit dem Cognosce
teipsum des Delphischen Orakels, die Bernhard nur einmal in Sermo 2 3,9
seiner Hohcnliederklärung andeutet, stammt wohl nicht einmal von ihm:
er übernahm sie aus der Brevis commentatio zum Hohenlied (PL 184,425,
eap. 22), die aber ein Gemeinschaftswerk Bernhards und seines Freundes
Wilhelm von St. Thierry ist. von dem anscheinend die gelehrten Begriffe
und Hinweise in dieser Schrift stammen, die wir sonst bei Bernhard nicht
finden. — Auffällig ist, daß die deutsche Bernhardliteratur in dem Buche
his zum Jahre 1961 benutzt ist. die französische aber nur bis zum Jahre
*957, die italienische fehlt ganz. Da aber seit mehr als zwei Jahrzehnten
auf dem Gebiete der Bernhardforschung die französische Literatur führend
ist, wäre eine stärkere Heranziehung gerade der neuen Forschung,
die die theologischen Gesichtspunkte viel stärker als die ältere deutsche
Literatur herausstellt, dem Buche sehr zugute gekommen. Der Name des
heute unbestritten besten Bernhardkenners und -Interpreten, Jean Le-
clercq, kommt in ihm überhaupt nicht vor; in vielen Fragen, besonders
•n der Gesamtauffassung der Theologie Bernhards und damit auch seiner
Anthropologie, wie auch für die Bedeutung, die Bernhard dem Begriff
Philosophie gibt, hätte Leclercq Wesentliches zur Korrektur des
Gesamtbildes beitragen können. Auch H. de Lubac fehlt, dessen Exegese
medievale (1959) eine ausgezeichnete Einführung in Bernhards Art
der Bibclerklärung gibt; bei ihm hätte er auch eine einleuchtende Deutung
des „Angriffs" Bernhards auf Origcnes finden können (I 281—283;
zu Hiss 17 Anm. 43). Hiss hat an mehreren Stellen seines Buches darauf
hingewiesen, wie eng bei Bernhard Christologie und Anthropologie verbunden
sind. Hier hätten die Arbeiten von Amand Van den Busch über
die Christologie Bernhards manchen guten Fingerzeig geben können; in
einem eigenen Artikel „Presupposcs ä la Christologie bernardine" hat
er ausdrücklich die Anthropologie Bernhards zum Thema genommen
(Citeaux en de Nederlanden 9, 1958, 5—17); in eindringlicher Interpretation
wird hier das Grundanliegen der Anthropologie Bernhards unbefangener
herausgearbeitet als bei Hiss. der sich zu sehr von einer heute
modischen Tendenz dazu verleiten läßt, hinter den anthropologischen
Aussagen Bernhards überall einen metaphysischen Dualismus zu wittern.
Ohne Zweifel bewegt sich Bernhard in seinem Denken gemäß der Vätertradition
im Schema der Zwcinaturenlehre des Menschen; aber daß diese
gelegentlichen und noch nicht einmal eindeutig formulierten Aussagen für
Bernhards Anthropologie konstitutiv sein sollten, dürfte zuviel behauptet
sein. Hiss bemerkt (2e), daß das Wort Philosophie bei Bernhard erst
verhältnismäßig spät auftauche, etwa 1139/40; hier wäre jedoch darauf
hinzuweisen, daß es bereits zehn Jahre vorher in seinem Briefe an
Bischof Gilbert von London (ep. 24; PL 182, 12g) zu finden ist.

Die eigentliche Leistung der Abhandlung liegt in Teil IV, der
Hehr als die Hälfte des Buches umfaßt. Hier bleibt der Verfasser
seiner im Vorwort geäußerten Absicht treu und arbeitet umfassend
und in sorgsamer Analyse die „philosophischen Elemente im
Menschenbild des Abtes von Clairvaux" heraus. Diese Aufgabe
hat er voll gemeistert, und daher stellt sein Buch trotz der geäußerten
grundsätzlichen Bedenken eine erfreuliche Bereicherung der
heut so spärlich gewordenen deutschen Bernhardliteratur dar. Es ist
sauber aus den Quellen gearbeitet, überall spürt man, wie intensiv
sich der Verfasser mit dem Text beschäftigt hat. Er hat auch
die schwierige Aufgabe auf sich genommen, die enge Verbindung
der Lehre Bernhards mit den Anschauungen der Väter quellenmäßig
genau zu belegen. Seinen Auseinandersetzungen mit E. Brun-
ner, Castren und Kahles, dessen tendenziöser Schrift er fast zuviel
Aufmerksamkeit schenkt, wird man zustimmen. In dieser präzisen
Herausarbeitung der im Gesamtwerk Bernhards verstreuten philosophischen
Elemente zur Anthropologie wird man das Hauptverdienst
dieses Buches sehen.

Erturt ßrf* K 1 e i n e i (I a in

Apel, Karl Otto: Wittgenstein und das Problem des hermeneutischen

Verstehens (ZThK 63, 1966 S. 49—87).
Arntz, Joseph: Atheimus im Namen des Menschen? Der Atheismus

des J. P. Sartre und des M. Merleau-Ponty (Concilium 2, 1966 S

422—425).

Bamberger, John: Ist die Religion Selbsttäuschung? Freuds Kampfansage
an die Theologie (Concilium 2, 1966 S. 436—443).

B e n z 1 e r, Dietrich: Du sollst — du kannst — du darfst (ZdZ 20, 1966
S. 261—265).

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248.

Echternach, Helmut: Begreifen und Ergriffensein. Über das Verhältnis
von Philosophie und Religion (ZW X XVII, 1966 S. 448—456).

Fessard, Gaston: Die theologischen Strukturen im marxistischen
Atheismus (Concilium 2, 1966 S. 407—415).

Fetscher, Iring: Wandlungen der marxistischen Religionskritik (Concilium
2, 1966 S. 455—466).

Finance, Joseph de: ,,L'Analyse Totale" d'Amedee Ponceau (Gre-
gorianum XLVII, 1966 S. 306—315).

Jouvenal, Roberto: II ritorno dell'esscre. (Protestantesimo XXI,
1966 S. 91—96).

Kierkegaard, Sören: Die Lilie auf dem Felde und der Vogel unter
dem Himmel. Übers, u. eingeleitet v. D. Hoffmann. Berlin: Evang.
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Kimmerle, Heinz: Der marxistische Atheismus (EvTh 26, 1966 S.
434—447).

Kramers, Robert P.: Der vollkommene Mensch in konfuzianisdier
und in christlicher Sicht. Das gegenwärtige Gcsprädi zwischen chinesischen
Konfuzianern und Christen (EMZ 23, 1966 S. 87—101).

Landmann, Michael: Martin Buber — Deuter in der Krise der Gegenwart
(Universitas 21, 1966 S. 591—598).

L e p p i n , Eberhard: Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht. Eine Antwort
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Moltmann, Jürgen: Hoffnung ohne Glaube? Zum eschatologischen
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Nogar, Raimond J.: Der sogenannte „evolutionäre Humanismus" und
der heilsgeschichtliche Glaube (Concilium 2, 1966 S. 425—429).

R a v ä , Marcella: La religione di Ernesto Buonaiuti (Protestantesimo
XXI, 1966 S. 97—103).

Ricoeur, Paul: der Atheismus der Psychoanalyse Freuds (Concilium

2, 1966 S. 430—435).
Rosenthal, Klaus: Das Problem des Nihilismus im Denken von

Karl Jaspers (EvTh 26, 1966 S. 422—434).
Schmidt, Erik: Ludwig Feuerbachs Lehre von der Religion (NZSTh

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Stüttgen, Albert: Ideologie und Vorurteil (StZ 178, 1966 S. 25—34).

Wahlert. Gerd von: Ist der Darwinismus überholt? (KidZ 21, 1966
S. 261—265).

Welte, Bernhard: Die philosophische Gotteserkenntnis und die Möglichkeit
des Atheismus (Concilium 2, 1966 S. 399—406).

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Bänmler, Christoph; Die Lehre von der Kirche in der Theologie Karl
Barths. München: Kaiser 1964. 60 S. gr. 8° = Theologische Existenz
heute. Eine Schriftenreihe, hrsg. von K.G. Steck und G. Eichholz,
N. F. 118. DM 4.80.

Obwohl eine ausgeführte Ekklesiologie von Barth thematisch
in seiner „Kirchlichen Dogmatik" noch aussteht, hat er in ihr doch
schon wichtige Ausführungen über die Kirche (oder die Gemeinde)