Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1966

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

763

Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 10

764

Thiel) getrennt veröffentlicht wurden; mehrere kurze Fragmente
aus der Briefsammlung von Thiel schließen sich an (col. 746—763).
Es folgt der gelasianische Tractatus de duabus naturis adversus
Eutychen et Nestorium mit einer umfangreichen Sammlung Testi-
monia veterum de duabus naturis in Christo, einem Auszug aus
jenem Florilegium, das die Antiochener für das Konzil von Ephe-
sus 431 gegen Cyrill von Alexandrien zusammengestellt hatten
(col. 763-787).

Während man Briefe des Papstes Anastasius II. bei Migne bisher
vergeblich suchte, die Thiel'sche Sammlung dagegen auch unechtes
Material enthält, liefert vorliegender Faszikel drei echte
Stücke, darunter die umfangreichen Briefe an Kaiser Anastasius zur
Aufhebung des Schismas mit Byzanz und an die gallischen
Bischöfe gegen den Generatianismus (col. 787—797). Zu Avitus
von Vienne sind aus dem MGH (Ed. R. Peiper) mehrere Briefe und
Homilien übernommen; letztere liegen jedoch, wie die meisten
Avitus-Predigten, fast nur in Fragmenten vor (col. 798—822). Als
Anhang zu Avitus findet sich, ebenfalls aus der Edition von Peiper
, der Titulorum Gallicanorum Liber, Epithaphien des 6./8. Jh.,
soweit sie nicht schon früher bei Migne erschienen (col. 822—8 30).
Eine kurze Epistola de patria der Clerici Virodunenses (!), hrsg. v.
G. Morin u. C. Turner, bezeugt ein Einzelschicksal aus der Völkerwanderungszeit
; ein von E. Schwartz edierter Libellusfidei spiegelt
die dogmatischen Kämpfe des 5. Jh. wider (col. 831—833).

Breiten Raum nimmt ein von G. Morin entdeckter und 1939
durch A. Erikson edierter Evangelienkommentar ein, der im 5./7.
Jh. aus Homilien eines Epiphanius, Bischofs von Hispalis (5. Jh.)
oder Benevent (5./6. Jh.) kompiliert wurde. Seine 62 Kapitel sind
von recht unterschiedlichem Umfang und haben nach Inhalt und
Form wenig Anziehendes; der zu Grunde liegende Evangelientext
ist vorhieronymianisch (col. 833—964). Ein Glossar zu den Werken
des Prudentius ist im Gegensatz zur Meinung des Editors I. M.
Burnam (1905) erst im 9. Jh. entstanden (col. 965—1033). Der Faszikel
schließt mit Ergänzungen (aus MGH, Ed. F. Vollmer) zu Dra-
contius, einem im vandalischen Afrika lebenden begabten christlichen
Dichter, dessen Sprache und Prosodie den kulturellen Verfall
der Zeit freilich nicht verleugnen kann. Unter den vorgelegten
10 Gedichten der ursprünglich umfangreicheren Sammlung Romu-
lea (= Romana seil, carmina) befinden sich 2 Hochzeitslieder, die
übrigen entnehmen ihren Stoff der heidnischen Sagenwelt (col.
1033—1087). Das folgende (col. 1088-1108), 974 Hexameter umfassende
Epos Orestis Tragoedia, dessen Abschluß die nächste Lieferung
bringen wird, gehörte urprünglich wohl zur Sammlung der
Romulea. Trotz seiner anonymen Überlieferung ist es Dracontius
mit Sicherheit zuzuschreiben.

Würzburg Georg I.anggärtner

Campe au, Lucien: Le Catalogue liberien (Sciences Ecclesiastiques

XV III, 1966 S. 187—206).
Chenevert, Jacques: L'figlise et les Parfaits chez Origene (Sciences

Ecclesiastiques XVIII, 1966 S. 253—282).

Crouzel, H.: Seperation ou remariage Selon les Peres anciens
(Gregorianum XLVII, 1966 S. 472—494).

Ehlers, Barbara: Eine vorplatonische Deutung des sokratischen Eros.
Der Dialog Aspasia des Sokratikers Aischines. München: Beck 1966.
VII, 150 S. gr. 8° = Zetemata. Monographien zur klassischen Altertumswissenschaft
, hrsg. v. E. Burck u. H. Diller, 41. DM 22.—.

Farina, Raffaele: La teologia di Eusebio e la „svolta di Nicea"
(Salesianum XXVII, 1965 S. 666—671).

Castaldelli, Ferruccio: II meccanismo psicologico del peccato nei
„Moralia in Job" di San Gregorio Magno (Salesianum XXVII. 1965
S. 563—605).

Diesner, Hans-Joachim: Comes, domesticus, minister(ialis) im Van-

dalenreich (Forschungen und Fortschritte 40, 1966 S. 174—176).
Hanssens, Jean-Michel: Le Symbole baptismal de l'ordonnance

ecclesiastique latine (RechSR LIV, 1966 S. 241—264).
Koch, Klaus: Das Lamm, das Ägypten vernichtet, ein Fragment aus

Jannes und Jambres und sein geschichtlicher Hintergrund (ZNW 57,

1966 S. 79—93).

L o i, Vincenzo: Populus Dei — Plebs Dei. Studio storico-Iinguistico sulle
denominazioni del „Popolo di Dio" nel latino paleo-cristiano
(Salesianum XXVII, 1965 S. 606-628).

O r b e , A.: San Ireneo y el conoeimiento natural de Dios (Gregorianum
XLVII, 1966 S. 441—471).

R o n d e t, Henri: La predestination augustienne. Genese d'une doctrine
(Sciences Ecclesiastiques XVIII, 1966 S. 229—251).

Treu, Ursula: Zur Datierung des Physiologus (ZNW 57, 1966
S. 101—104).

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

W i n k I e r, Eberhard: Exegetische Methoden bei Meister Eckhart. Tübingen
: Mohr 1965. VII, 130 S. gr. 8° = Beiträge z. Geschichte der
biblischen Hermeneutik, hrsg. v. O. Cullmann, E. Käsemann, H. Riesenfeld
, H.-J. Kraus, K. H. Schelkle, P. Schubert, E. Wolf, 6. Kart.
DM 18.-.

Bekanntlich hat Meister Eckhart von seinem geplanten Opus
tripartitum nur größere Stücke des dritten Teils, des Opus exposi-
tionum, zur Ausführung gebracht. Dieser Teil umfaßt sowohl die
Sennones als auch Auslegungen zu einzelnen biblischen Büchern
(zwei zu Gen, ferner zu Ex, Sir 24, Weish, JohEv; vgl. Winkler 19).
Eckharts erhaltene lateinische Werke bestehen also in der Hauptsache
aus Schriftauslegungen, obwohl man sie nicht eigentlich als
Kommentare bezeichnen kann (s. u.). So erhebt sich die nicht nur
für die Eckhartforschung wichtige, sondern auch für die Geschichte
der Hermeneutik und Schriftauslegung belangvolle Frage nach dem
hermeneutischen Programm und den exegetischen Methoden des
Meisters. Nach Vorarbeiten von Josef Koch in den Einleitungen zu
Eckharts Lat. Werken Bd. III und IV (1936 und 1956) und besonders
in einem wichtigen Beitrag über „Sinn und Struktur der
Schriftauslegungen" (in: Meister Eckhart der Prediger, hg. v. LI.
M. Nix u. R. Öchslin, i960, 73—103) hat W. in seiner jetzt
gedruckten, von K. Weiß betreuten Rostocker Dissertation (1961)
eine sorgfältige, auf gründlichem Quellenstudium beruhende
Arbeit zum Thema geliefert. Inzwischen hat Weiß selbst einen
bedeutsamen Aufsatz „Meister Eckharts biblische Hermeneutik"
publiziert (in: La Mystique Rhenane, Paris 1963, 95—108), in dem
er W.s Ergebnisse bereits verwertet.

W.s Darstellung ist übersichtlich gegliedert. Um Eckharts Position
auf dem Hintergrund der traditionellen hermeneutisdien Themen zu
verdeutlichen, behandelt er einleitend (1—18) in sieben Abschnitten
„Probleme der patristischen und scholastischen Hermeneutik" (Zur
Struktur des vierfachen Schriftsinnes, Die Bedeutung des Literalsinnes,
Der sensus parabolicus, Voces und res. Mehrfacher Literalsinn, Die
Typologie, Exegese und Systematik). Hier stützt sich W. naturgemäß
weitgehend auf bereits bekanntes Material. Folgende Gesichtspunkte
sind hervorzuheben: Wesentlicher Bestandteil der altkirchlichcn und
mittclalterlidien Schriftauslegung ist die Unterscheidung eines literalen
und eines allegorisch-mystischen Schriftsinnes; demgegenüber kommt
der in der hermeneutischen Theorie betonten Lehre vom vierfachen
sensus scripturae in der Praxis meist nur sekundäre Bedeutung zu OD-
Obwohl der Literalsinn seit dem 12. Jh. bei einigen Theologen stärker
aufgewertet wird und Thomas nur ihn als Grundlage der dogmatischen
Beweisführung anerkennt, bleibt er doch aufs Ganze gesehen dem sensus
allegoricus untergeordnet (3—7). Zur Frage eines mehrfachen Literalsinnes
(12f) tritt m. E. bei W. nicht deutlich genug hervor, daß hier offenbar
ein Zusammenhang mit jener Tendenz zur Aufwertung des sensus
litteralis besteht: littera ist nicht nur das oberflädiliche Verständnis des
Textes, sondern auch die geistlichen Schriftsinne sind bereits von ihr
intendiert und in ihr enthalten. Für diese Auffassung, die ansatzweise
z. B. bei Bonaventura begegnet (deutlicher als die bei W. 12 Anm. 4
herangezogene Stelle aus Sent. II d. 15 dub. 3 ist das S. 3 Anm. 6 stehende
Zitat aus Sent. II d. 12 a. 1 q. 2), aber erst von Thomas schärfer
durchdacht wird, konnte man sich auf den augustinischen Gedanken vom
doppelten Autor der Schrift berufen (13).

Der Hauptteil des Buches gliedert sich in vier Abschnitte, von
denen I (Die Quellen, 19—22) und IV (Zusammenfassung, 114—117)
nur kurz sind. Abschnitt II (Das hermeneutische Programm Meister
Eckharts, 22—49) behandelt Eckharts Absicht, die Hl. Schrift in Übereinstimmung
mit den Lehren der Philosophen zu erklären, weil theologische
und philosophische Erkenntnisse gleichermaßen aus Gott als der
Quelle der Wahrheit hervorgehen (22—24); ferner das Thesenwerk als
Voraussetzung für die Auslegung (29f), die Aufgabe der reichhaltigen
Schriftzitate, die die Funktion des Schriftbeweises haben und sich oft
gegenseitig auslegen (30—32), den mehrfachen Schriftsinn (32—34), die
Allcgorese und ihr Verhältnis zur Literalexegese (34—42), das Verhältnis
von Altem und Neuem Testament (42—45), die Bedingungen des
Verstehens (45—47), schließlich Eckharts auswählendes Verfahren (47f)