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Ausgabe:

1966

Spalte:

743-748

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Alonso Schökel, Luis

Titel/Untertitel:

Estudios de poética hebrea 1966

Rezensent:

Bertram, Georg

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Seite 1, Seite 2, Seite 3

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 10

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Untersuchung der Hexateuchprobleme in Aussicht (S. 8); es ist zu
hoffen, daß hier eine eingehendere Begründung erfolgt. Bisher scheint
mir die Quelle N durchaus entbehrlich zu sein. Mit dieser Neu- bzw.
Wiederentdeckung einer Quelle N hängt es zusammen, daß F.s
Quellenscheidung einen wesentlich komplizierteren Eindruck macht als
etwa die von Noth. Daß sie überzeugender wäre, kann ich nicht sehen.
Man lese einmal die Quellen und Quellenfragmente, wie sie in der
Tabelle S. 124 f aufgeführt sind, jeweils in ihrem Zusammenhang! Ihre
Zerstückelung kann man natürlich den Redaktoren anlasten, aber auch
das Verfahren solcher Redaktoren wird so nicht gerade einsichtiger.
Schon auf S. 23 stellt F. vier verschiedene Verfahrensweisen der
Redaktion heraus, und zwar allein bei dem kurzen Abschnitt
1, 7 — 2, 10!

2. Über die Frage, wo die historische Mosegestalt nun eigentlich
haftet, wrid es wohl noch lange Diskussionen geben. Die These F.s,
die Verbindung Mose-Sinai sei recht alt und die Gottheit Jahwe der
Moseschar sei im Grunde auch eine Vätergottheit (S. 53), bleibt auch
angesichts der Energie, mit der F. sie vorbringt, eine Hypothese, so
sehr man ihm in seiner Argumentation gegen Klaus Koch zustimmen
möchte. Auch hier wird leider mehr dekretiert als argumentiert. Was
F. nachweisen müßte, nachdem die überlieferungsgeschichtliche Schule
so dezidiert das Gegenteil behauptet hat: daß Ägypten- und Sinaithema
des Pentateuchs von jeher zusammengehören, wird bei ihm
allzu schnell zur Voraussetzung seiner Ausführungen.

3. Der Nachweis, daß die zehnte Plage und das Passa nichts miteinander
zu tun haben, ist, so scheint mir, nicht gelungen. Gewiß war
es falsch, im Passa ein Erstgeburtsopfer zu sehen (Pedersen u. a.);
aber daraus kann man nicht ohne weiteres folgen, daß letzte Plage
(Tötung der Erstgeburt) und Passa nichts miteinander zu tun haben.
F. behauptet, die Einbeziehung der Erstgeburt sei für die kultische
Theorie unumgänglich (S. 91). Wieso eigentlich? Der Sinn dieses
„ersten" Passas ist gerade die Verschonung der (israelitischen)
Erstgeburt, und zwar durch das Opfer eines Tieres, von dem nirgendwo
in unseren Texten gesagt wird, es müsse ein erstgeborenes Tier
sein. Tatsächlich ist (mit F.) die Tötung der Erstgeburt ein selbständiges
Element in der Überlieferung, das nicht aus dem Passaritus
herausgesponnen ist. Trotzdem bleibt die These wahrscheinlich, daß
dieser Ritus Keimzelle der Plagenüberlieferung ist; das Verbindende
ist Verschonung durch Blutritus, Nachtzeit, Aufbruchssituation.

4. Die Auseinandersetzung mit anderen Ansicht macht F. sieht oft
etwas leicht. Die Argumentationsreihe auf S. 83 oben ist z. B. ohne
große Schwierigkeiten zu entkräften. Ähnliches gilt für die Argumente
S. 29 oben, für die Beweisführung S. 46. Manchmal scheint die
Gründlichkeit der Prägnanz und Kürze zum Opfer gefallen zu sein;
leider ist dabei auch die Überzeugungskraft ein Opfer solcher allzu
straffen Gedankenführung geworden.

Wenn so auch manche Wünsche offen bleiben, so darf der
Autor des Dankes seiner Fachkollegen für diese glänzend geschriebene
Analyse von Ex 1—1? gewiß sein.

Corrigenda: S. 71 muß es im dritten Absatz unter d) heißen:
„Geschwüre (VI)";

S. 124 (Tabelle), Spalte J, fünfte Zeile v. u. lies „12,29 — 30" statt
„1 2, 23 — 30".

Münster/W. Franz Hesse

Schökel, Luis Alonso S. I.: Estudios de Poetica Hebrea. Barcelona:
Juan Flors 1963. XI, 549 S. 8°.

Die Ergebnisse moderner Stilforschung an spanischen literarischen
Texten haben den Verfasser angeregt, die Erfahrungen
dieser Arbeiten auf die Bibel zu übertragen. Es geht ihm um die
Überlieferung des AT, um die durch Rhythmus, Reim und andere
äußere Formen gebundene Rede, sowie um die innere Bindung in
Bild und Gleichnis. Dabei sucht er die umfassende Literatur über
das Gesamtgebiet wie über Einzelfragen für die eigene Arbeit
fruchtbar zu machen. Wesen und Wert der verschiedenen Arbeiten
werden zu Beginn der einzelnen Abschnitte umrissen und kritisch
z. T. mit Beispielen erörtert. Ein einleitendes Kapitel beschäftigt
sich mit der Geschichte der Behandlung der Bibel als eines literarischen
Phänomens von den Vätern über Mittelalter und Renaissance
bis ins 19. und 20. Jahrhundert. Der literarische Wert der
Bibel wird zwar grundsätzlich anerkannt und hoch erhoben, aber
in der Forschung tritt die ästhetische Untersuchung hinter der
religiösen und theologischen Verarbeitung zurück. Der supranaturale
religiöse Anspruch muß für die literarische Fragestellung
außer betracht bleiben. Diese geht über einseitig rhetorische
, romantische oder historisch genetische Gesichtspunkte
hinaus und sucht mit gründlicher, genauer und zugleich wendiger
und verantwortlicher Methode die Stilelemente nüchtern zu erarbeiten
. Als Beispiel dienen die Kapitel Jes 1—3 5, die der Verfasser
als eine im wesentlichen intakt erhaltene Sammlung betrachtet.
Dazu werden auch Stücke aus Jes II und III, aus anderen Propheten
und sonstigen Büchern des AT herangezogen. Zunächst aber beschäftigen
den Verfasser allgemeine Voraussetzungen der sprachlichen
Morphologie, der Syntax, sowie der Lautgebung, des Rhythmus
und der Bilder, wobei er die vergleichende Methode benutzt,
die Ganzheit eines literarischen Produktes ins Auge faßt und
Kristallisationspunkt und Gestaltungskraft der verschiedenen Stilmittel
zu erfassen sucht.

Auszugehen ist von der phonetischen Grundlage. In der
hebräischen Bibel ist sie trotz der bekannten Probleme (Aussprache
der BGDKPT, Dages forte, Einsilbigkeit der Segolata) für die Konsonanten
verläßlich, weniger für die Vokale, aber für sie und
schließlich auch für die Akzente doch so weit, daß stilistische
Untersuchungen sich erfolgversprechend durchführen lassen. Ähnliche
Phänomene in anderen Sprachen erweisen ebenfalls die stilistische
Bedeutung der lautlichen, klanglichen Gestaltung, der Anklänge
und Gleichklänge bei Konsonanten und Vokalen. Dabei
kann der Sinn des Wortes wie des engeren und weiteren Zusammenhanges
als Richtschnur dienen. Eine etwaige symbolische
Bedeutung läßt sich nur für Wortgruppen mehr erahnen als bestimmen
, wenn man nicht in Willkür verfallen will. Der bildhafte,
sinnlich konkrete Charakter des biblischen Hebräisch läßt vermuten
, daß die alttestamentlichen Dichter und Propheten ein lebendiges
Gefühl für die klangliche Wirkung ihrer Worte und Sätze
hatten, zumal sie sich weniger an Leser als vielmehr an Hörer
wandten. Darüber hinaus muß man sich auch von den unbewußten
schöpferischen Kräften, die den Ausdruck bestimmen, Rechenschaft
zu geben suchen.

Mit der Einzelanalyse setzt der Verfasser bei Jes 10, 28—32
ein, einem Text, dessen lautmalender Charakter unmittelbar auffällt
und deshalb ein vorzügliches Beispiel für die Methode der
LIntersuchung gibt. An die Umschrift, für die Verfasser bestimmte
von der Masora unabhängige Regeln der Lautgebung annimmt,
schließen sich Beobachtungen an, die durch Hinweise auf andere
Stellen ergänzt werden. Von diesen Beispielen aus geht der Verfasser
an die fortlaufende lautliche Analyse von Jes 1 ff. Er bietet
diese Texte ebenfalls in Umschrift und macht dabei sofort am
Rande auf Alliterationen am Anfang oder im Inneren der Wörter,
auf Anklänge und Reime und andere besondere Effekte in den
einzelnen Zeilen aufmerksam. Außerdem werden Sprachelemente
aufgezeigt, die die Satzglieder und Verse lautlich und formal miteinander
verbinden. So häuft sich das Material; die wichtigsten
Beobachtungen und Ergänzungen werden herausgehoben und wenn
nötig besprochen. Gelegentlich wird auf der phonetischen Grundlage
wenn nicht die Wiederherstellung so doch wenigstens die
Strukturanalyse schwieriger oder verderbter Texte versucht. Dabei
wird eine gewisse Freiheit und Wandlungsfähigkeit der lautlichen
Verknüpfungen angenommen. Auch wo der Rhythmus wenig regelmäßig
ist, zeigt der Dichter eine bemerkenswerte Feinfühligkeit für
die lautlichen Hilfsmittel der poetischen Sprache. Paarweise Wortverbindungen
wie ,Distel und Dornen' kommen in allen Sprachen
vor und sind lautlich gesehen der Reduplikation verwandt. Einfache
lautmalende Darstellung oder solche von gleichnishafter oder sinnbildlicher
Lautgebung kommen verhältnismäßig häufig vor und
gehen öfter ineinander über. Weiter gehören Leit- oder Schlüsselworte
und Wortspiele zu den sprachlichen Mitteln von Dichtung
und Prophetie, wie sie der gehobenen Sprache überhaupt eigentümlich
sind. Der Vergleich mit den Übersetzungen, in denen diese
Stilmittel wohl meist verloren gehen, würde ihre Anwendung im
Urtext noch mehr hervorheben.

Mehr als mit dem Stilmittel der Lautgebung hat sich die Forschung
mit dem Rhythmus befaßt. Die natürliche Grundlage des
Rhythmus bilden Herzschlag und Atmung im menschlichen Organismus
. Auf dieser Grundlage entwickeln sich eine Fülle von Möglichkeiten
, die sich nicht, wie es immer wieder versucht wird, in
feste Gesetze fassen lassen. Hier setzt sich der Verfasser vor allem
mit Mowinckel und der deutschen Forschung auseinander. Neben