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Ausgabe:

1966

Spalte:

735-736

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Morenz, Siegfried

Titel/Untertitel:

Gott und Mensch im alten Ägypten 1966

Rezensent:

Otto, Eberhard

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Seite 1

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735

Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 10

73«

RELIGIONSWISSENSCHAFT

Morenz, Siegfried: Gott und Mensch im alten Ägypten. Leipzig: Köhler
& Amelang [1964]. 179 S. m. 49 Abb. 8°. Pp. MDN 12.80.

Dem Nichtägyptologen einen Einblick in das Wesen der ägyptischen
Religion zu geben, ist das Hauptanliegen des Buches, das
wenige Jahre nach des Verfassers „Ägyptische Religion", Stuttgart
1960, folgt. Man kann natürlich der Meinung sein, es sei grundsätzlich
verfrüht, einem größeren Kreise einen Gegenstand darzustellen
, über den in der engeren Fachwelt sich noch keineswegs
eine einhellige Meinung abzeichnet. Aber abgesehen davon, daß es
fraglich ist, ob eine solche Einhelligkeit je eintreten wird (und ob
sie überhaupt wünschbar sei), fühlt sich der Spezialist mit Recht
verpflichtet, die Ergebnisse seiner Forschungen und sein Bild des
Gegenstandes dem Kreise zugänglich zu machen, der unterrichtet
werden will, weil er seinerseits diese Forschungsergebnisse
braucht. Verfasser und Leser werden sich dabei bewußt bleiben,
daß das gegebene Bild vorläufig sein muß und, daß bei der Eigenart
des Gegenstandes keine „objektiven Wahrheiten" im Sinne
naturwissenschaftlicher Erkenntnisse gegeben werden können.
Schon die Auswahl des darzubietenden Materials und noch mehr
der umfassende Gesichtspunkt, unter dem es dargestellt werden
soll, bedeuten eine Vorentscheidung des Verfassers. Wo ist die
„Lebensmitte" der ägyptischen Religion zu finden? Morenz entscheidet
sich eindeutig: Die Beziehungen zwischen Gott und
Mensch (S. 8). Damit erschwert er sich seine Aufgabe: Denn
gerade über diese Beziehungen geben die Quellen über lange Zeitstrecken
recht unvollkommen Auskunft und die Zahl der Vorarbeiten
, auf die der Verfasser sich stützen könnte, sind nicht eben
zahlreich. Weiterhin stellt er sich die Aufgabe, diese Beziehungen
nicht nur phänomenologisch darzustellen, sondern in ihrer geschichtlichen
Entwicklung, wobei wiederum die Ungleichwertigkeit
der Quellen in der Zeit besonders berücksichtigt werden muß. Es
gehört Mut und Umsicht dazu, die Aufgabe unter diesen Umständen
in Angriff zu nehmen!

Ein notwendigerweise ausführliches Einleitungskapitel über
die „Struktur der ägyptischen Religion" stellt den religionsgeschichtlichen
Untergrund heraus, auf dem die Beziehungen zwischen
Gott und Mensch stattfinden und durch den sie in ihren
grundsätzlichen Möglichkeiten bestimmt werden. Drei Alternativen
werden aufgestellt: Nationalreligion gegen Weltreligion, Kultrc-
ligion gegen Buchrcligion, historisch gewachsene gegen Offenbarungsreligion
. Die Kennzeichnung der ägyptischen Religion als
historisch gewachsene Kult- und Nationalreligion setzt bereits die
entscheidenden Akzente für alles Folgende. Besonders ihr Charakter
als Kultreligion kann nicht wichtig genug genommen werden.
Von hier aus erhellt die Bedeutung des Rituals für die religiöse
Existenz des Landes, für die Rolle des Königs als des „Agierenden
" (S. 21 f.) und schließlich für die Bedeutung des „Zaubers"
(S. 140 ff.).

Ebenfalls als eine Art Voraussetzung zum Verständnis des
Folgenden ist der Abschnitt „Der Lauf Gottes im geschichtlichen
Horizont des Ägypters" zu betrachten. Sein Inhalt schließt eng an
des Verfassers Abhandlung „Die Heraufkunft des transzendenten
Gottes in Ägypten" (Sb. S. A. W. phil. hist. Kl. 109, 2, Berlin 1964) an.

Referent muß gestehen, daß er hier, ohne das allerdings im Rahmen
einer Anzeige ausführlich begründen zu können, manches anders
sehen zu müssen glaubt, Es erscheint ihm weder die Koppelung von Immanenz
und Verfügbarkeit, noch der Satz „Der Lauf aus der Immanenz
in die Transzendenz ist der Schicksalsweg der ägyptischen Gottheit
schlechthin" (S. 43) der religiösen Wirklichkeit in Ägypten bei Berücksichtigung
der Quellenlage befriedigend zu entsprechen. Für die letzten
Jahrhunderte der ägyptischen Kultur möchte er auf seine Abhandlung
„Gott und Mensch nach den ägyptischen Tempelinschriften der griediisdi-
römischen Zeit" <Abh. H. A. W. phil. hist. Kl. 1964, 1) verweisen. Was
die ersten Jahrhunderte betrifft, den Zeitraum von der „Reichseinigung''
bis in die 5. Dynastie, so hat er den Eindruck, daß das Quellenm.iu-ri.il
uns überhaupt nur das überliefert, was man „Staats- und Königstheologie
" nennen möchte und was jedenfalls ein hochstiltsicrtcs Dogma aus
einem religiösen Untergrund darstellt, der uns unmittelbar überhaupt
nicht faßbar ist. Versuche, die Religiosität des Alten Reiches zu erschließen
, enthält Hermann Junkers Buch „Pyramidenzeit" (Einsiedeln-Zürich-
Köln 1949). Tatsache ist doch, daß uns ein „transzendenter Aspekt" der

Gottheit bereits dort begegnet, wo überhaupt zum ersten Male von der
Gottheit außerhalb des Königsdogmas gesprochen wird, eben in der 5./6-
Dynastie, daß dieser Aspekt in der „Äuseinandersetzungsliteratur" der
ersten Zwischenzeit am strengsten formuliert wird, von da an immer wieder
wirkend in Erscheinung tritt, niemals aber die Gottheit als Ganzes
aus der Welt herausnimmt.

„Die Wechselwirkungen zwischen Gott und Mensch", wie
sie sich in den Aktionen Gottes und den Reaktionen der Menschen
darstellen, bilden nun das Hauptthema der folgenden Untersuchung
, in der das typisch Ägyptische in seinen mannigfaltigen Erscheinungsformen
dargelegt wird: Unterweisung, Belehrung,Forderung
von der einen Seite, Ergebenheit, Frömmigkeit, auch rituelles
Handeln („Ritus mit Frömmigkeit vereint", S. 112) von der
anderen. Allerdings ist ein unmittelbares Gegenüber von Gottheit
und Einzelmensch das Ergebnis einer langen, nicht immer geradlinigen
Entwicklung. Vor allem zwei Erscheinungen bzw. Begriffe
sind es, die diesen Weg nicht eigentlich hinderten, aber seinen für
Ägypten kennzeichnenden Lauf bestimmten. Das ist einmal das
göttliche Königtum, dessen Mittlerrolle zeitweise stark in den
Vordergrund tritt; zum anderen ist es der Begriff der Maat, der
Weltordnung und ihrer Forderungen, ein Ordnungsbegriff, der
zwischen Gottheit und Mensch steht. Beide haben Anteil an ihm:
aber im Grunde ist er doch eine Macht eigenen Wesens, die zu den
beiden Partnern ein durchaus wechselndes Verhältnis haben kann-

Die Gedankenfülle und geistige Weite des Buches kann hier
nur angedeutet werden. Dadurch aber erfüllt es nicht nur seinen
Zweck, nämlich dem Nichtfachmann die religiöse Lebendigkeit des
Alten Ägypten gegenwärtig zu machen. Es wird darüber hinaus die
unvergängliche Wirklichkeit des historisch Vergangenen überzeugend
dargestellt. Nicht nur das ausgedehnte Wissen des Verfassers,
sondern auch seine eindringende Liebe zum Gegenstand vermögen
von der zeitlosen Lebendigkeit und damit Gültigkeit dessen zu
überzeugen, was vor Jahrtausenden gedacht und geglaubt worden
ist.

Die Anzeige des Buches wäre unvollständig, wenn nicht auf
seine schöne Ausstattung hingewiesen würde. Die zahlreichen Abbildungen
verlebendigen die religiöse Vorstellungswclt zugunsten
des Textes. Wenn hier für eine spätere Auflage ein Wunsch ausgesprochen
werden darf, so wäre es der, das Verzeichnis der Abbildungen
durch eine Beschreibung im einzelnen zu erweitern. Ich
glaube, daß gerade dem Nichtägyptologen dadurch manches noch
eindringlicher gedeutet werden könnte.

Heidelberg Eberhard O i tu

L y k o, Dieter: Gründung, Wachstum und Leben der evangelischen
christlichen Kirchen in Iran. Leiden: Brill 1964, IX, 285 S„ 1 Kte.
gr. 8° = Ökumenische Studien, hrsg. v. E. Benz, V. Lw. hfl. 45.—.

Der Verfasser hat seine Arbeit, eine Marburger Dissertation,
auf Grund „schriftlichen Materials, mündlicher Auskünfte der
Missions- und Kirchenangehörigen sowie eigener Erfahrungen
geschrieben. Das „sdiriftlichc Material" bestand aus 14 „Originaldokumenten
aus der Geschichte und dem Leben der evangelisdien
Kirchen in Iran", die im VII. Teil des Buches, aus dem Englisdien
bzw. Persischen übersetzt, beigefügt sind, dazu aus „Quellenmaterial
", das sich in den Archiven der „Evangelical Church in Iran
zu Teheran und der „Episcopal Church of Iran" zu Isfahan befin'
det. Durch die reichliche, in Anmerkungen stets belegte Verwendung
der schriftlichen Quellen und mündlichen Mitteilungen hat
das Buch einen kompilatorischen und statistischen Charakter bekommen
, der leicht ermüdend wirkt; aber es vermittelt dem Leser
in seiner breiten Streuung ein erschöpfendes Bild der beiden evangelischen
Kirchen in Iran und der außergcwöhnlidi schweren Belastungen
einer jeden von ihnen von draußen und drinnen.

Die „Kurze Einführung in die frühe Geschichte des Christentums
in Persien" ist zu kurz geraten und bleibt farblos. Der l-
Teil schildert die „Geschichtliche Entwicklung von der Mission zur
Kirche", von den „Anfängen christlicher Missionsgeschichte in Persien
" an über die Entstehung und Konsolidierung der Gemeinden
und Kirchen bis hin zur Gründung der „Zwischenkirchlichen Konferenzen
" und des „Kirchenrates von Iran". Der II. Teil beschäftigt
sich mit der „Arbeit und Zusammenarbeit der christlichen Kirchen