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1966

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Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 9

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dien gegliederte Aufstellung aller Redner, die sich an der Diskussion
über das Schema beteiligten. Die Reden Montinis vom 22. 10. 62 und des
melchitischen Patriarchen Maximos IV. Saigh vom 23. 10. 62 werden im
Wortlaut wiedergegeben. Die Namen der Berichterstatter der Konzilskommission
auf den Generalkongregationen und eine Aufstellung über
die einzelnen Abstimmungsergebnisse zum Liturgieschema schließen die
Materialsammlung ab. Der deutschen Übersetzung des Buches ist ferner
der deutsche Text der „Instruktion zur ordnungsgemäßen Durchführung
der Konstitution über die heilige Liturgie" vom 26. 9. 64 beigegeben.

Der eigentliche theologische Kommentar (S. 131—216) beginnt
mit einer Untersuchung zum Gottes- und Christusbild der
LK. Mit einiger Überraschung stellt man fest, daß der Verf. sich
die Analyse der religiösen Lage der Gegenwart, wie sie Bischof
Robinson ("Honest to God") durchgeführt hat, ohne Einschränkungen
zu eigen macht und auch dessen Lösungsversuche zu übernehmen
vermag, um das Gottesbild der LK zu charakterisieren:
Dem „Gott über uns" und „außer uns" stellt er den „Gott mit
uns" und „in uns" gegenüber und greift zur Chiffrierung dieses
Sachverhaltes auf den biblischen „Emmanuel"-Begriff zurück (Jes.
7, 14; 8, 8; Matth. 1, 22 f). Der Gott der LK ist der „Emmanuel",
der nicht abseits „sozialer" Bezüge wirksam wird und dem Menschen
deshalb gerade auch im liturgischen Geschehen begegnet (S.
138 ff).

Bei der weiteren Lektüre stellt man allerdings schon bald fest, daß
Schmidt trotz dieser .Robinsonade" durchaus eigene Wege geht und die
Intentionen des Bischofs von Woolwich wohl kaum in letzter Konsequenz
erfaßt hat. Das gilt einmal für die Analyse der religiösen und sozialen
Lage, die erstaunlich wenig durchdacht und ausgeglichen ist (S. 136 wird
der „moderne Mensch" ob seiner „großen Liebe zu seinem Mitmenschen"
und seines „feinentwickelten Gerechtigkeitsgefühls" gerühmt; auf S. 146
ist jedoch mit einem Male „jeder sich selbst der Nächste", und demselben
Menschen wird mangelnde Ehrfurcht vor seinem Mitmenschen vorgeworfen
); das gilt aber auch für das Gottesbild der LK selbst: Es ist kaum
möglich, die diesbezüglichen Aussagen der LK — wie auch die vom Verf.
zitierten Ausführungen des regierenden Papstes über Transzendenz, Immanenz
und „communio" im Gottesverhältnis (S. 147 f) — mit den Gedankengängen
Robinsons in einen echten Zusammenhang zu bringen.

Wichtiger und vor allem für das ökumenische Gespräch bedeutsamer
ist die Art und Weise, wie Schmidt — in Durchführung
seiner „Emmanuel"-Konzeption — die Aussagen der LK über den
Modus der Gottesbegegnung in der Liturgie interpretiert; hier
finden sich durchaus Anklänge an grundlegende reformatorische
Erkenntnisse:

„Die christliche Liturgie ist... nicht in erster Linie ein Handeln
des Menschen Gott gegenüber, sondern umgekehrt zuerst ein Handeln
Gottes am Menschen" (S. 139). Der „Verherrlichung Gottes" durch den
Menschen muß die „Heiligung des Menschen durch Gott" stets voraufgehen
(S. 138 ff). Diese beiden — der LK entnommenen — Grundbegriffe
der Gottesbeziehung bezeichnen die „niedersteigende und zugleich aufsteigende
Richtung der Liturgie ... von Gott herab zu uns und von uns
aus zu Gott hin" (S. 142). Es ist deutlich, daß hier Art. 33 der LK in
seinem — fast wörtlichen — Gleichklang mit der berühmten Definition
Luthers aus der Torgauer Kirchweihpredigt von 1544 in einer ganz bestimmten
Richtung interpretiert wird; der hier wie dort fixierte „dialogische
Charakter" des Gottesdienstes als eines Gespräches zwischen
Gott und Mensch wird auch theologisch ernst genommen (S. 140). Die
„Heiligung des Menschen" vollzieht Gott durch „Wort und Sakrament"
(S. 143; auch dieses „reformatorische" Wortpaar wird von Schmidt
wiederholt aufgegriffen); dem Aspekt der „Verherrlichung Gottes" in
der Liturgie sind demgegenüber „Gebet und Opfer" als Mittel zugeordnet
. Freilich gehören beide Seiten unauflöslich zusammen, und man
darf weder den einen noch den anderen Aspekt im gottesdienstlichen Geschehen
vernachlässigen: es geht auch hier um die „Synthese der Antithesen
", wie sie — nach Meinung des Verf. — von der LK beispielhaft
durchgeführt wird (S. 143).

Das zweite Kapitel des theologischen Kommentars („Christus
— gestern, heute und in Ewigkeit") unterstreicht nachdrücklich die
heilsgeschichtliche Konzeption der LK und rückt mit Recht den
zentralen Begriff des „Pascha-Mysteriums" in den Vordergrund;
im Grunde läßt sich nach Meinung des Verf. die gesamte Heilsgeschichte
gewissermaßen auf das Osterereignis reduzieren
(S. 154 ff). Christus ist in seinem Sterben und Auferstehen in der
Kirche gegenwärtig; das in der Liturgie, besonders in der eucha-
ristischen Feier, ständig sich vergegenwärtigende und so „fortdauernde
" (S. 160) Ereignis des „Übergangs" Christi durch den
Tod in das Leben (S. 163) beschließt als das „Kerngeheimnis" alle
anderen heilsgeschichtlichen Geschehnisse in sich ein (S. 160 ff).

In einem weiteren Kapitel („Heilige Zeichen") baut der
Verf. bestimmte Aussagen der LK zu einer Theologie der Sakra-
mentalität aus; als „sakramental" im weiteren Sinne kann er jede
Weise göttlicher Offenbarung bezeichnen, die den Menschen in
verschleierter, aber doch sichtbarer, in verhüllter, aber doch wirksamer
Weise mit dem Heil konfrontiert (S. 169, 179). In diesem
Sinne ist der inkarnierte Christus das „Ursakrament", das „Zeichen
Gottes" für die Welt (S. 168). Seine „Sakramentalität" setzt
sich in der Kirche fort, die in diesem Sinne ebenfalls ein „Sakrament
" genannt werden kann, weil sie in gewisser Weise am Inkarnationsgeschehen
teil hat (S. 169 f, S. 181). Die überlieferten
Sakramente im eigentlichen Sinn sind spezifische Multiplikatoren
dieser in der Inkarnation begründeten allgemeinen Sakramentalität
der Offenbarung (S. 170).

Ein eigenes Kapitel ist dem „Wort Gottes" gewidmet. Ausgehend
vom innertrinitarischen „Wortgeschehen", begründet der
Verf. auch die Bedeutung des „Wortes" für das Sein und das
Leben der Kirche im Ereignis der Heischwerdung des Xdyog (S-
180 f). Die Zusammengehörigkeit von Wort und Sakrament wird
nachdrücklich betont: „Das Sakrament läßt Wirklichkeit werden,
was im Wort verkündet wird, und das Wort verkündet, was wirklich
ist und wirklich wird" (S. 181 f). Die Bedeutung der Wortverkündigung
im allgemeinen und der Heiligen Schrift im besonderen
wird stark herausgestellt.

Ein eigenartiger Widerspruch ergibt sich, wenn der Verf. auf das
Problem der „Sprache" zu sprechen kommt: Ebenso nachdrücklich, wie er
für das Christentum eine „eigene Sprache" postuliert, die „Außenstehende
und abständige Hausgenossen nicht verstehen können" (S. 184),
zieht er an anderer Stelle gegen eine solche „Sprache" zu Felde (S. 187 f).
Der Leser kann nur ahnen, daß es sich beidemale um eine verschiedene
Blickrichtung handelt. Auffällig ist auch die Polemik gegen gewisse Richtungen
in der katholischen Kirchenmusik, die das ganze Buch wie ein
roter Faden durchzieht (S. 127 f, 189 ff, 204 f).

Das letzte Kapitel in dieser Reihe befaßt sich mit dem Gemeinschaftscharakter
des Gottesdienstes („Gottes Volk"). Das
Gottesvolk in seiner Gesamtheit ist Träger der Liturgie, die Taufe
befähigt von sich aus — und ohne kirchenrechtliche Delegation —
zum liturgischen Dienst (S. 201 f). Daneben gibt es natürlich die
Aussonderung durch das Weihesakrament zum besonderen priesterlichen
Dienst. Die Kirche, die sich zum Gottesdienst versammelt
, ist so eine „organisch gegliederte Gemeinschaft" aus getauften
Laien und geweihten Priestern (S. 202, 207).

Trotz mancher Unausgeglichenheit, die sich streckenweise
bemerkbar macht und die auf eine etwas zu eilige Abfassung des
Buches zurückzuführen sein dürfte, wird der Kommentar von H.
Schmidt doch ohne Zweifel eine Rolle in der theologischen Diskussion
um die LK spielen. Eine spürbare ökumenische Offenheit
auch in der Sprache befähigt ihn zudem dazu, den theologischen
Gehalt der LK auch der nichtrömischen Christenheit zu verdeutlichen
.

Sagard/Rügen Kail-Heinridi Bieritz

Adam, Adolf: Fragen der Kalenderreform (TThZ 75, 1966 S. 154—
168).

Auf der Maur, Hansjörg: Eine Vorform des Exsultet in der griechischen
Patristik (TThZ 75, 1966 S. 65—88).

Blankenburg, Walter: Gottesdienste in neuer Gestalt (Quatem-
ber 30, 1965/66 S. 108—114).

Lachenschmid, Robert: Heilswerk Christi und Liturgie. Verständnis
der Fortdauer des Heilswerkes Christi in der Liturgie aus der
Überzeitlichkeit des Christusgeheimnisses (ThPh 41, 1966 S. 211
—227).

Meyer, Hans Bernhard, S. I.: Lebendige Liturgie. Gedanken zur

gottesdienstlichen Situation nach dem Beginn der Liturgiereform.

Innsbruck-Wien-München: Tyrolia-Verlag [1966]. 100 S. kl. 8° =

Tyrolia-Geschenktaschenbücher, 35.
-Liturgie als Hauptfach (ZKTh 88, 1966 S. 3 1 5-335).
— Schriftverständnis und Liturgie ZKTh 88, 1966, S. 163—184).
Mußner, Franz: Liturgiekonstitution und Schriftauslegung für die

Gemeinde (TThZ 75, 1966 S. 108—118).
Pesch, Otto H: „Der umhergetragene Gott". Für und wider die

Fronleichnamsprozession (Wort und Anwtort 7, 1966 S. 84—91).
Schneyer, Johannes B.: Die scholastischen Sermones als Quellen der

Liturgiewissenschaft. Versuch einer Quellenerschließung (ThPh 41.

1966 S. 228—242).