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Ausgabe:

1966

Spalte:

706-708

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Schmidt, Herman

Titel/Untertitel:

Die Konstitution über die Heilige Liturgie 1966

Rezensent:

Bieritz, Karl-Heinrich

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 9

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rigkeit der angewandten Methode in der exakten Unterscheidung
der verschiedenen Integrationsstufen. Es galt jeweils zu fragen:
in welcher Weise sind die oft sehr disparaten biblischen Assoziationen
, „ausgehend von der biblischen .Mitte' bis zur .Sprache
Kanaans' ganz am Rande, die oft durch weiter nichts als den
Reim- und Verszwang diktiert ist", dem Charakter eines Liedes
als literarischer und künstlerischer Einheit sinnvoll einzuordnen?
Worin liegt also die „Mitte" eines Liedes? Was sind demgegenüber
„Haupt"- oder „Nebenbeziige" ?

Aber es gilt nicht nur auf die in der Schrift begründete
Motivreihe den Blick zu richten. Als weitere Motive der Kirchen-
heddichtung sind das überlieferte Glaubensgut, wie altkirchliche
Hymnen, Katechismusstücke und ähnliches, und das persönliche
Erlebnis nicht zu übersehen. Bei beiden Motivarten muß weiter
gefragt werden, wieweit wir über den Stoff hinaus, der vielfach
seine hymnologische Dignität in sich selbst trägt, zur biblischen
Mitte in diesem Fall nicht des Liedes, sondern seines Stoffes vordringen
können. Wichtig ist schließlich immer auch die Sicht, aus
der heraus der Bearbeiter, d. h. der Dichter in unserm Gesangbuch
, das überkommene Gut gestaltet hat. Gerade bei dem aus
der Geschichte der Kirche überkommenen Glaubensgut zeigt sich
immer wieder, wie bei den Neugestaltungen zum evangelischen
Gemeindelied die Schrift als norma normans sich geltend macht.
Da nun, wo das persönliche Erlebnis zum Ausgangspunkt der Dichtung
geworden ist, war wiederum zu fragen, wieweit die Schrift
etwa zur nachträglichen Bestätigung persönlicher Glaubenserfahrungen
oder zum Motiv einzelner Gedankengänge geworden ist.

Für die Art, in welcher der Schriftgrund im Kirchenlied zum
Tragen kommt, stellt der Verf. drei Möglichkeiten fest: ,,a) Die
durchaus selbständige Zurückführung des im Lied gestalteten
Motivs auf seinen biblischen Ursprung. Das gilt in gleicher Weise
für die ,Mitte' des Ganzen wie für die Assoziationen, b) Die Bildung
eigner biblischer Assoziationen des Bearbeiters im Anschluß
an a). c) In späterer Zeit, besonders bei Paul Gerhardt, nicht
selten auch eine freie Variation des durch das Motiv gestellten
Themas in sinnverwandten Schriftworten."

Der Verf. gibt in seiner „Einführung" (S. 9—22) sehr instruktiv
Rechenschaft darüber, in welche Richtung die Bemühungen
Sehen müssen, soll das Kirchenlied uns in seiner ganzen Bedeutung
als Träger des Wortes verständlich werden. Er darf mit Recht
behaupten: „Die Erforschung dieser Motive ist Neuland der hym-
n°logischen Forschung. Bisher ist kaum die Aufgabe erkannt, geschweige
denn etwas in dieser Richtung unternommen. Angaben
in den Quellenwerken und der übrigen Literatur sind spärlich
und beschränken sich fast ganz auf wörtlich bearbeitete Vorlagen.
Damit ist aber nur ein Bruchteil der Motive erfaßt. Wirklich zu
lösen ist die Aufgabe auch nur im Zusammenhang mit einer
systematischen Erforschung der Gebets- und Erbauungsliteratur"
(S. 18).

Es ist unmöglich, über den Hinweis auf die grundsätzliche
Bedeutung dieser Neuerscheinung hinaus an dieser Stelle zeigen
Sollen, wie der Verf. nun an den 394 Liedern des EKG die von
ihm erstmals in dieser Weise gesichtete Aufgabe durchführt. Hier
Silt es, sich in einzelne Lieder wirklich einmal hineinzugraben,
Und man wird dabei nicht selten dessen inne, daß die Auslegung
der Hl. Schrift nicht allein Sache des wissenschaftlichen Exegeten
!st, sondern sich der glaubenden Gemeinde aller Zeiten Zugänge
2ur Wahrheit der Schrift aufgetan haben, die wie eine Erfüllung
der Verheißung von Joh. 16, 13 erscheinen.

Drei ausführliche Verzeichnisse bringen die Zusammenstellung
der biblischen „Mitte" (I.), der Hauptassoziationen (II)
Und der Nebenassoziationen (III) in der Beziehung der Kirchen-
heder zur Schrift. Als Anhang ist ein ausführliches Verzeichnis der
-Motive aus dem Glaubensgut" gegeben.

Das vorliegende Werk, eine Frucht staunenswerter Bemühung
um die im Lied der Kirche beschlossenen unvergänglichen
J/erte, sollte vor allem in der kirchlichen Praxis genutzt werden.
^s zeigt, wie sehr es sich lohnt, einmal vom Gesangbuch her den
r;Ugang zur Hl. Schrift zu nehmen, und kann die Auslegung von
Kirchenliedern zu einer besonders wertvollen Form unserer Ge-
^eindearbeit machen; der Rezensent hat sich seinerseits früher

schon darin versucht und kann solche Gesangbuchstunden nur anraten
. Wirkliche Kenntnis der im Gesangbuch beschlossenen
Werte ist auch der beste Weg, der heute landläufigen oberflächlichen
Kritik daran entgegenzutreten und die Gemeinde gegenüber
jenem seichten Liedersatz immun zu machen, der ihr heute
von manchen Seiten aufgedrängt wird.

Der aufrichtige Dank, der dem Verf. gebührt, möchte, gewiß
in dessen Sinn, nicht unerwähnt lassen, daß diese Arbeit fortdauernd
von förderlichem Austausch mit dem Mann begleitet war,
dessen Verdienste um Kirchengesangbuch und Kirchenmusik
heute unbestritten sind, Professor D. Dr. Oskar Söhngen-Berlin.
Greifswald William Nagel

Schmidt, Hermann: Die Konstitution über die heilige Liturgie. Text,
Vorgeschichte, Kommentar. Übers, von A. Schilling. Freiburg/Br.:
Herder [1965]. 268 S. kl. 8° = Herder-Bücherei, 218.

Der Verf. — holländischer Herkunft, jedoch schon seit längerer
Zeit als Liturgiewissenschaftler in Rom tätig — legt hier keinen
Kommentar vor, der in der üblichen Weise den zu behandelnden
Text fortlaufend auslegt. Es handelt sich eher um eine Untersuchung
monographischer Art zur theologischen Struktur und zum
Aussagegehalt der Liturgiekonstitution des II. Vatikanischen Konzils
(im folgenden = LK), die durch eine instruktive Materialsammlung
eingerahmt und durch einen historischen Überblick eingeleitet
wird. Dem Verf. geht es darum, die in dem „bunten
Mosaik" der LK „verborgenen Grundlinien" herauszuarbeiten und
in ihrer „lebendigen, harmonischen Einheit" sichtbar werden zu
lassen (S. 14).

Dem Text der LK, der in der von den deutschsprachigen Bischofskonferenzen
approbierten Übersetzung geboten wird, folgt jener einleitende
Überblick über „Vorgeschichte und Werdegang" der LK (S. 51 —
128). Der Verf. holt hier ziemlich weit aus und beginnt mit einer
knappen Darstellung der Geschichte der liturgischen Bewegung in der
römisch-katholischen Kirche, von den umstrittenen Ursprüngen in Soles-
mes bis hin zur letzten großen Krise am Vorabend des Konzils. Wenn er
dabei auch — in offensichtlich harmonisierender Weise — die Äußerungen
der Päpste durchweg für den Fortschritt der liturgischen Bewegung in
Anspruch nimmt (Pius XII. wird allerdings „wenig Gespür für die Feier
der Liturgie" bescheinigt; S. 55), so deckt er doch keineswegs den Gegensatz
zwischen der amtlichen Rubrizistik und der an einer lebendigen Erneuerung
des Gottesdienstes interessierten Bewegung zu; besonders
heftige Kritik übt er an der gänzlich überflüssigen, voreiligen und kostspieligen
„Reform" der Rubriken und liturgischen Bücher von 1960, die
von gewissen Kreisen nur zu dem Zweck durchgeführt wurde, um einer
konziliaren Liturgiereform vorzugreifen und dem Konzil die Hände zu
binden (S. 65 ff). Man spürt das Engagement des Verf., wenn er im
Zusammenhang damit als Hauptziel der liturgischen Bewegung die Befreiung
der Liturgie aus ihrer „klerikalen und rubrizistischen Verkapse-
lung" proklamiert (S. 59) und der „Verrechtlichung" der Kirche und ihres
Gottesdienstes den Kampf ansagt (S. 66).

H. Schmidt war Konsultor der liturgischen Vorbereitungskommission
für das Konzil, kann also aus unmittelbarer Erfahrung
über die Zeit der Vorbereitung berichten. Er verbirgt nicht den berechtigten
Stolz dessen, der „mit dabei gewesen" ist, und der das
Lob der Konzilsväter und der kirchlichen Öffentlichkeit für den
vorzüglichen Entwurf auch auf seine Arbeit beziehen darf; er verschweigt
aber auch nicht die kurialen Intrigen, die das Werk lange
Zeit hindurch gefährdeten: die Vergewaltigung des Schemas
durch die zuständige Untergliederung der Zentralkommission, die
dann vom Konzil glücklicherweise wieder rückgängig gemacht
wurde (S. 75 ff); die intriganten Unternehmungen gegen Lercaro
und Bugnini, die noch bei der Bildung der Liturgiekommission des
Konzils eine Rolle spielten (S. 79 f).

Auf Grund seiner umfassenden Kenntnis der Ereignisse und der
Quellen gelingt es dem Verf., die Behandlung des Schemas auf den
Generalkongregationen in übersichtlicher Weise darzustellen, die Intentionen
der Väter, die zum Text das Wort ergriffen, zu verdeutlichen und
das verwickelte Abstimmungsverfahren auch dem Uneingeweihten einsichtig
zu machen. Sehr aufschlußreich ist der Überblick über die Verbesse-
rungs- und Änderungsvorschläge zu den einzelnen Artikeln des Schemas
(S. 94—118). Ein dem Kommentar beigegebener Anhang (S. 219—240)
gewährt einen Einblick in die Zusammensetzung der Vorbereitungskommission
und der Konzilskommission für Liturgie, zählt die in der
Konzilsaula gehaltenen Eucharistiefeiern nach nichtrömischen Riten auf
und gibt eine genaue, nach Generalkongregationen und Herkunftsberei-