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1966

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 9

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G e n n r i c h , Paul Wilhelm: St. Salvator in Prag. Ein Denkmal deutschtschechischer
Verbundenheit im Glauben (Die evangelische Diaspora
36, 1966 S. 164—171).

Jansen, Elmar: Das „Große Testament" des Malers Georges Rouault
(ZdZ 20, 1966 S. 136—141).

Langmaack, Gerhard: Glockenturm oder Glockenträger (Kunst und
Kirche 29, 1966 S. 14—17).

Nyman, Helge: Zur Theologie des Kirchenraumes (Kunst und Kirche
29, 1966 S. 3—8).

Volp, Rainer: Um die Gestalt der Gemeinde. Gedanken zur Planung
eines Gemeindezentrums (Kunst und Kirche 29, 1966 S. 22—24).

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

L e G u i 11 o u , M.-J.: Sendung und Einheit der Kirche. Das Erfordernis
einer Theologie der communio. Übers, v. K. Schmitz-Moormann
, Mainz.: Matthias-Grünewald-Verlag [1964]. 686 S. 8°. Lw.
DM 48.-.

Diese Übersetzung (franz. Original): Mission et Unite,
erschienen bei Editions du Cerf, Paris) des historisch wie systematisch
sehr reichhaltigen Buchs des französischen Dominikaners
und Mitglieds des Ökumenischen Studienzentrums „Istina" in
Paris (seit 1958 lehrt G. über östliche Theologie an der Ordenshochschule
Le Saulchoir bei Paris; 1961, auf der 3. Vollversammlung
des Ök. Rates in Neu-Delhi, war er einer der fünf offiziellen
katholischen Beobachter) stellt der Rezensent gern in der ThLZ
vor. Das Werk atmet den Geist des modernen römisch-katholischen
Ökumenismus. In seinem ersten Buch (bis S. 3 31) wird die
ökumenische Bewegung, die zum Ökumenischen Rat der Kirchen
führte, dargestellt (I. Teil), ferner (im II. Teil) mit besonderer
Liebe und großem Kenntnisreichtum die Geschichte und die Pro-
Herne der östlichen Orthodoxen Kirche (II. Teil). Im
zweiten Buch wird die Stellung der römisch - katholischen Kirche
>m ökumenischen Kontext charakterisiert.

Das Charakteristische dieses Buches, das es in allen seinen
Teilen durchzieht, ist, daß die ökumenische Proble-
matikunddieökumenischeAufgabenstellung
in der Perspektive der „missionarischen Dimension
" der Kirche gesehen werden (wie schon der
Titel des Buches zeigt): Nur im Blick auf die gemeinsame Erfüllung
der Sendung der Kirche an die nicht-christliche „Welt" können
die Spaltung in bezug auf die kirchliche Gemeinschaft überwunden
werden! (S. 148 wird in einer Anm. gesagt, daß bei der
Niederschrift dieses Buches das von H. J. M a r g u 11, Theologie
der missionarischen Verkündigung. Evangelisation als ökumenisches
Problem, 1959, noch nicht erschienen war.) Wie der Untertitel
des Buches zeigt, geht es dem Vf. nicht um die Herstellung
einer Einheitskirche, vielmehr um die echte „communio" der
dienstbezogenen Kirchen. Im gemeinsamen Ernstnehmen der Sendung
der Kirche wird die ..Lösung" der verschiedenartigen ökumenischen
Problematik gesehen. „Der Missionseifer müßte . . .
jede christliche Konfession dahin bringen, den Wunsch der anderen
zu begreifen, sie zu einer einzigen Kirche zu führen".

Schon die zwischenkirchlichcn Spaltungens sind
nur aus der Mission der Kirche zu erklären (S. 339 ff.): Indem
die Kirche ihrem Gesandtsein in alle Welt und an alle Völker
nachkam, wodurch sie sich jeweils dem Geist des betreffenden
Volkes und Kulturkreises und dem geschichtlichen Zeitalter hin-
Sab, entstanden in ihr Spannungen (wie etwa die zwischen dem
Palästinischen Christentum und dem der paulinischen Mission,
Welche hellenistische Elemente in sich aufnahm) und später Brüche
(wie die zwischen den „nestorianischen" und „monophysitischen"
Nationalkirchen und der griechisch-byzantinischen Großkirche
ehalcedonensischer Observanz) und schließlich der Bruch zwischen
der griechischen und der lateinischen Kirche (1054). Den verkehrten
und heute im großen Ganzen zu beklagenden Reaktionen
auf das Ost - West - Schisma auf beiden Seiten wird (S. 349)
s°rgfältig nachgegangen, und liebevoll und kenntnisreich wird die
schrittweise Auflockerung der Ostkirche in neuerer Zeit aus ihrer
jahrhundertelangen ungeschichtlichen Verfestigung und starren
Anti-Haltung gezeigt (S. 201 ff.; 208 ff. „Die Orthodoxe Kirche
und die Ökumenische Bewegung"; S. 244 ff. „Die Orthodoxe
Kirche und ihr Verhältnis zur katholischen Kirche"; S. 271 ff.:

„Die Orthodoxe Kirche angesichts ihres Auftrags, Zeugnis zu geben
"). Mit G. Horovsky führt G. das eigentliche Wesen der
Orthodoxie, das in der Orthodoxen Kirche in jüngster Zeit
lebendiger wird, auf das missionarische Motiv zurück. Den Eintritt
der Orthodoxie in das ökumenische Gespräch betrachtet er als
besondere Chance für die Überwindung der „ekklesiologischen
Neutralität."

(Ein Versehen auf S. 182: Die Orthodoxe Kirche Finnlands untersteht
nicht dem Moskauer Patriarchat, sondern hat sich nach dem
2. Weltkrieg dem Patriarchat von Konstantinopel unterstellt!)

Auch die „Kettenreaktion" der Spaltungen, die durch die
Reformation des 16. Jhdts. inauguriert wurde, versteht G. nach
den eigentlichen Anliegen in der Linie der „Mission" der Kirche
(S. 370 ff.: Lösung der Kategorie der Verkündigung des
Wortes Gottes aus dem kirchlichen Sakramentalismus, Betonung
des Personalen über dem Institutionellen, Aktualisierung des
kirchlichen Lehramts usw.). Ob damit allerdings das Eigentliche
der Reformation getroffen ist? Daß, wie schon beim Ost-
West-Schisma, der päpstliche Primatanspruch bei der Reformation
des 16. Jhdts. eine bedeutende Rolle spielte, wird zu sehr zurückgestellt
!

Tief zutreffend ist, wie G. das Entstehen der modernen ökumenischen
Bewegung aus dem Lebendigwerden des Missionsgeistes
im Protestantismus seit etwa dem Pietismus (S. 3 3 ff.)
schildert. (Vielleicht wird dabei etwas zu schnell die mangelnde
missionarische Aktivität der Refonnationszeit und der Zeit der
protestantischen Orthodoxie auf einen prinzipiellen ekklesiologischen
Mangel zurückgeführt!) Mit Recht wird die Verbindung
von missionarischem Impuls und Vereinigungsbestrebungen
aufgewiesen. (Ein Versehen: S. 76: Nicht Adolf Keller kann als
Gründer des Weltbundes für Freundschaftsarbeit der Kirchen angesprochen
werden!) Das Verhältnis starker gegenseitiger Inspirierung
und Befruchtung von Weltmission und ökumenischen
Bemühungen, wie wir es heute erfahren, (Korrektur zu S. 81:
193 8 bei der Bildung des Vorläufigen Ökumenischen Rates der
Kirchen ging es noch nicht um die Zusammengehörigkeit von
ökumenischer Bewegung und Weltmissionsbewegung, sondern um
die der ökumenischen Bewegungen für Praktisches Christentum
[,,for Life and Work"] und für „Faith and Order"!) bestätigt die
These des Verfs., daß die missionarische Zielsetzung dem Ökumenischen
Rat entscheidend seine Dynamik verlieh und die ihm
angehörigen Kirchen aufruft, „von dieser immer stärker fordernden
Katholizität zu leben, die im Zeugnis von der Königsherrschaft
Christi besteht". Die Reflexionen auf S. 118 ff. über
das Verhältnis von Kirche (bzw. Ekklesiologie) und Mission sind
grundsätzlich sehr wichtig!

Auf die Einseitigkeiten der an sich wichtigen Hoekendijk-
sehen Konzeption, daß das „Wesen" der Kirche einzig in ihrem
Gesandtsein an die Welt bestehe, wird (S. 129 ff.) aufmerksam gemacht
, nur ist es wohl nicht richtig, darin die charakteristisch reformatorische
Sicht zu erblicken (S. 139)! — Die „Basis" des Ökumenischen
Rates mit den alten „Fundamentalartikeln" zu vergleichen
(S. 154), trifft wohl nicht die eigentlichen Intentionen hier wie dort!

Daß auch die römisch-katholische Kirche von der
modernen ökumenischen Bewegung erfaßt ist und sich nun in
aller Form dem Dialog mit den nicht - römischen Kirchen stellt,
würdigt G. im zweiten Buch mit Betonung. Er sagt gegen Ende
des ersten Buches, daß die Zukunft des Ökumenischen Rates durch
drei Hauptereignisse in ihrer Beziehung aufeinander bestimmt
werden wird: „die Bedeutung der Jungen Missionskirchen, die für
das Gespräch aufgeschlossene Haltung der Orthodoxie und das
diskrete, aber ernsthafte Interesse der katholischen Kirche an der
Oekumenischen Bewegung" (S. 326). Wenn sie sich an dieser von
ihrem ekklesiologischen Standpunkt aus (der von G. erfrischend,
aber auch erschreckend deutlich gutgeheißen wird!) auch nicht
direkt beteiligen kann, so empfindet sie doch ihre Sendung gegenüber
den nicht-römischen Kirchen, weil sie sich als die Krche
versteht, wo die Mittlerschaft Jesu Christi „auf dem von ihm
errichteten Fundament ausgeübt wird". Hier wird der Gegensatz
zwischen der römisch - katholischen ekklesiologischen Konzeption
(und damit der von „ökumenisch"!) und der der Orthodoxie und
vor allem der der Reformation deutlich. (Von der Nähe der orthodoxen
Ekklesiologie zu der römischen ist G. wohl z u sehr über-