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Ausgabe:

1966

Spalte:

691-692

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Nickel, Heinrich L.

Titel/Untertitel:

Byzantinische Kunst 1966

Rezensent:

Onasch, Konrad

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 9

692

Für die Kirchenbauten dieser Abschnitte werden die oben
angedeuteten „Erblinien" durchgezogen, wobei Bieler von seiner
ausgeprägt reformierten Sicht her wohl doch dem katholischen
und lutherischen Kirchenbau nicht ganz gerecht werden kann. Bei
den Beispielen der zweiten Periode sind leider die nordafrikanischen
und syrischen frühen Kirchen ganz ausgefallen.

Die angeführte Literatur ist sehr unvollständig und fast nur
schweizerischen oder französischen Ursprungs und betont ebenfalls
die reformierten Auffassungen.

In einem Anhang werden Antworten von Karl Barth auf
Fragen über „Probleme des protestantischen Kirchenbaus" gebracht
, die die Zeitschrift „Werk" ihm gestellt hatte. In diesen
Antworten finden wir wie bei Bieler die besondere Herausstellung
des Zentralraumes, die Ablehnung eines Altars, dafür den Vorschlag
, einen „markanten . . . hölzernen und leicht erhöhten
Tisch" aufzustellen, der durch einen beweglichen Pultaufsatz als
Predigtstätte dienen und außerdem die Taufschale tragen kann.
Orgel und Kirchenchor werden „als mehr oder weniger willkommenes
, aber grundsätzlich auch entbehrliches Beiwerk" bezeichnet
. „Bildliche und symbolische Darstellungen sind an keiner
Stelle des protestantischen Kirchenraumes am Platz."

Im Anhang werden außerdem ein Abschnitt über den „Ort
der Sakramente in der christlichen Gemeinde nach Calvin" und
auszugsweise „Richtlinien für den Bau einer Kirche" (Wettbewerb
für die Kirche in der Malagnou-Str. in Genf) gegeben. Aus beiden
Abschnitten wird das Sakramentsverständnis der reformierten
Kirche deutlich, und man versteht, daß sie den Zentralbau vorzieht
.

Die gründliche Beschäftigung mit dem Buch lohnt sich und
kann sowohl dem Kirchenbauer wie dem Theologen empfohlen
werden.

Vor allen Dingen ist erfreulich festzustellen, mit welchem
Ernst der Verfasser sein Ziel verfolgt, zu zeigen, wie „der architektonische
Plan der Kirche in seinen historischen und theologischen
Beziehungen zum evangelischen Gottesdienst" steht.

Einen Satz wie den folgenden kann man nur mit Schmunzeln
lesen, bei dem Bielers Meinung zu sein scheint, daß die gesamte
Kirche sich seine Auffassung, d. i. die Bevorzugung des Zentralraumes
, zu eigen machen wird: ,, . . . Aber man muß erst das
20. Jahrhundert abwarten, um es erleben zu können, wie der auf
einen Mittelpunkt ausgerichtete Plan die Bedeutung wiedergewinnt
, zu der gerade der Sinn des christlichen Gottesdienstes
ihn berechtigt; das geschieht als Folge der vom Evangelium herrührenden
Erneuerung, die sich innerhalb der ganzen Christenheit
der Ökumene quer durch alle Konfessionen hindurch bemerkbar
macht."

Zur Übersetzung muß leider ein kritisches Wort gesagt
werden. Abgesehen von einigen mißverständlichen oder falsch
wiedergegebenen Sätzen ist der ganze deutsche Text durch die
langen verschachtelten Sätze viel schwerer eingängig als der französische
. Es wäre gut gewesen, wenn der Übersetzer gewagt hätte,
die Sätze zu teilen und statt der oft gehäuften Substantive Verben
gleichen Sinnes zu verwenden.

Für eine Neuauflage ist zu wünschen, daß die Anmerkungen
wie in der französischen Ausgabe unten auf den entsprechenden
Seiten angeführt werden. Auch wäre eine deutlichere Unterscheidung
der Ziffern der Anmerkungen und der Bibelzitate eine
Erleichterung beim Lesen.

Hamburg Gerhard Lan gm a a ck

Nickel, Heinrich L.: Byzantinische Kunst. Leipzig: Koehler & Arne-
lang [1964]. 240 S. m. 16 Abb., 3 Ktn.-Skizzen, 95 Taf. (dav. 5 färb.),
1 Faltkte. 8°. Pp. MDN 16.20.

Die byzantinische Kultur gehört zu den kompliziertesten und
z. T. noch immer sehr umstrittenen Erscheinungen der europäischen
Kulturgeschichte. Wenn s. Z. Ph. Schweinfurths Werk
„Die byzantinische Form" (Berlin 19542, 1. Aufl. Berlin 1943) in
beiden Auflagen eine starke Diskussion auslöste und solche Debatten
fast jede allgemeinbildende, ein weites Publikum ansprechende
Veröffentlichung begleiten, wird das Wagnis des
Verf.s deutlich, auf einem relativ engen Raum von 122 Seiten
dieses Phänomen einem interessierten, aber nicht spezialisierten
Leserkreis zugänglich zu machen. N. gliedert sein Buch in vier
Kapitel: „Byzantinische Geschichte" (S. 7—29), „Die byzantinische
Gesellschaft" (S. 29—47), „Frühbyzantinische Kunst, von
den Anfängen bis zum Bilderstreit" (S. 48—98) und „Mittel-
und spätbyzantinisdie Kunst" (S. 99—122). Es folgen zu den im
Text bereits geführten fünf Farbtafeln, Skizzen und Karten die
90 Bildtafeln von fast ausnahmslos vorbildlicher Qualität und
verschiedene Anhänge (Anmerkungen, Erklärung der Fachausdrücke
, Verzeichnis der wichtigsten Literatur und eine vergleichende
Zeittafel). Die Darstellung ist klar und übersichtlich, trotz
der an den Leser schon vom Thema her gegebenen Ansprüche
verständlich geschrieben. Verf. erweist sich als Kunsthistoriker,
der mit Umsicht eine Auswahl von Themen, Problemen und Bildmaterial
aus seinem Fachgebiet getroffen hat. Man darf nicht
übersehen, daß er nicht nur die reichsbyzantinische, sondern auch
die provinzielle Kunst einschl. so selbständig und eigenproblematisch
sich weiterentwickelnder Gebiete, wie Rußland, Serbien,
Bulgarien und den nahen Orient behandelt. Verständlicherweise
bleiben bei dieser Gedrängtheit manche Sonderwünsche übrig.
Vielleicht hätte die gerade für die slawische Welt so bedeutsam
gewordene paläologische Renaissance etwas ausführlicher gewürdigt
werden können. Was N. S. 111 über diese Epoche schreibt
( „ . . . feinnervige, überkultivierte . . . hochgezüchtete höfische
Kunst, die den Kontakt zur Wirklichkeit eingebüßt hat und daher
blutarm wirkt") ist einseitig und erfaßt nur eine Seite dieses Phänomens
. Allerdings würde eine etwas intensivere Analyse der
sog. Paläologenrenaissance in einigen Punkten der vom Verf.
S. 122 vertretenen Gesamtanschauung der byzantinischen Kunst
entgegenstehen: „Ihre Lebenskraft schöpfte sie aus einer großartigen
Einseitigkeit. . . Die .Byzantinische Form' war der konsequenteste
und beständigste Kunststil in der europäischen Geschichte
". — Außerhalb des Kunsthistorischen zeigt die Darstellung
einige Unebenheiten und noch nicht völlig durchdachte
Vorstellungen. Das gilt vor allem für die kirchengeschichtlichen
und -politischen Zusammenhänge, die nun allerdings für das Verständnis
des „byzantinischen Phänomens" von nicht geringer Bedeutung
sind. Die Ausführungen über Nestorianer und Mono-
physiten werden den Leser kaum zu einem solchen tieferen Verständnis
führen können (S. 13 ff). Daß Kyrill und Method in Bulgarien
missioniert hätten (S. 20) ist eine längst überholte Sonderauffassung
. Sie haben in Mähren gearbeitet. Über dieses durch
immer neue Ausgrabungen sich langsam erhellende, wenn auch
zugleich eine Fülle kontroverser Meinungen aufwerfende, zwischen
West und Ost stehende Gebiet auch in kunsthistorischer Hinsicht
hätten sich statt dessen hier einige Sätze finden können. Ebenso
wird heute die Theorie mit guten Gründen bestritten, nach der
die Kirche der alten Rus von Bulgarien abhängig gewesen wäre.

In das „Verzeichnis der wichtigsten Literatur" (S. 22 5—226)
sollten bei einer dem Buch zu wünschenden Neuauflage noch aufgenommen
werden: Hans-Georg Beck, Kirche und theologische
Literatur im byzantinischen Reich, München 1959, und, auch wenn
man über einige Beiträge geteilter Meinung sein kann: H. Bay-
nes und Henry St. L. B. Moss, Byzanz. Geschichte und Kultur des
oströmischen Reiches, München 1964, eine deutsche Übersetzung
der bekannten 1948 erschienenen englischen Originalausgabe. —
Was wir oben hinsichtlich der Darstellung kirchengeschichtlicher
Zusammenhänge sagten, gilt auch für die Zeittafeln im Anhang,
die überarbeitet werden könnten. So brechen die acht ökumenischen
Konzile mit dem fünften ohne Jahreszahl ab. In dem erwähnten
Werk von Beck findet man über die byzantinische Kirchengeschichte
und theologische Literatur die notwendige Auskunft
.

Wenn N.s Buch auch in den hier bemerkten Partien ergänzungsbedürftig
ist, seiner kunsthistorischen Darstellung kann
sich der Leser anvertrauen. Daß sie zu weiteren Diskussionen,
vor allem über die grundsätzliche Einschätzung der byzantinischen
Kunst Veranlassung gibt, dürfte nur ein gutes Zeichen sein. Der
Verlag hat dieses Buch vorbildlich ausstatten lassen.

Halle/Saale Konrad Onlirb