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Ausgabe:

1966

Spalte:

684

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Titel/Untertitel:

Die katholische Kirche in Deutschland 1966

Rezensent:

Loewenich, Walther

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Seite 1

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683

Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 9

684

1577 folgt oder ob man die in der Hamburger Handschrift Cod.
theol. 1889 stehende Zeitangabe „Finitum den 11 Februarij des
1588 Jahres" für wahrscheinlicher hält. Die schon von dem Schreiber
dieser Handschrift bemerkten starken Beziehungen der
„Viererley Auslegung" zu Weigels Informatorium (1576) würden
den von Lieb vorgeschlagenen Ansatz jedenfalls stützen können.

Der zweite Schwerpunkt des Buches liegt in der Aufdeckung
der Bedeutung Benedikt Biedermanns, der als Zschopauer Dia-
conus zunächst Weigels Mitarbeiter und später sein Nachfolger
war. Es ist dem Verfasser durch sorgfältigste, keine Umwege
scheuende Kleinarbeit geglückt, Biedermann als Autor einer Anzahl
meist Weigel zugeschriebener Werke nachzuweisen und
zugleich das Schrifttum Biedermanns chronologisch und biographisch
einzuordnen. Dadurch gelingt es Lieb, Biedermanns wechselvollen
Weg von einem an Sebastian Franck geschulten erbaulichen
Spiritualismus über sein Schülerverhältnis zu dem frühen Weigel
bis hin zu seiner schematischen Kombinatorik wie auch zu seinem
Anschluß an die Apokalyptik Lautensacks aufzuzeigen. Zugleich
vermag der Verfasser deutlich zu machen, wie sehr sich der spontane
und unstete Biedermann von dem ruhig überlegenden und
sich selbst überall gleichen Weigel unterscheidet.

Es steht außer Zweifel, daß das vorliegende Werk einen
höchst wertvollen Beitrag darstellt, mit dessen vielfältigen Anregungen
sich die künftige Weigelforschung dankbar auseinanderzusetzen
haben wird.

Marburg/Lahn Winfried Zelltr

5 c h 1 i g 1, Istvän: Die Beziehungen Heinrich Bullingers zu Ungarn

(Zwingliana XII, 1966 S. 330-370).
S p i 11 m a n n , Kurt: Zwingli und Zürich nach dem Ersten Landfrieden

(Schluß) (Zwingliana XII, 1966 S. 309—329).

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Bizer, Emst: Ein Kampf um die Kirche. Der „Fall Schempp" nach den
Akten erzählt. Tübingen: Mohr 1965. VIII, 277 S. 8». DM 21.—; Lw.
DM 35.-.

Kirchenleitungen lassen sich nicht gern beim Wort nehmen.
Wer das tut, gerät gar bald in größte Konflikte, wovon die
Blätter der Kirchengeschichte voll sind. Anderseits können hohe
Kirchenbehörden überraschend großzügig sein, sofern man sich
ihnen nicht mit der theologischen Kneifzange nähert. Paul
Schempp ist mit diesem Instrument seinem Bischof und Oberkirchenrat
zu Leibe gegangen. Das konnte nicht gut ausgehen.
Die Tragödie dieses „Kampfes um die Kirche" wird in dem Buche
von Ernst Bizer erzählt. Paul Schempp (1901—1959) war ein ausgezeichneter
Theologe, zugleich ein verantwortungsbewußter
Prediger und Hirte seiner Gemeinde. An der Bibel und an Luther
geschult, zugleich mit Kierkegaard vertraut, gab es für ihn nur
einen Maßstab für kirchliches Handeln. Schon als junger Pfarrer
geriet er mit dem Kirchenamt wegen der Frage der Zwangseintreibung
von Kirchensteuern in einen Streit, der damit endete,
daß er sein Pfarramt niederlegte und in den Schuldienst ging, aus
dem ihn die Nationalsozialisten 1933 entfernten. Darauf bekam
er die Pfarrstelle in Iptingen (Kreis Vaihingen). Von dieser kleinen
Gemeinde aus führte er seinen Kampf um die g e i s 11 i c h e
Ordnung der Kirche. Wer Bizers ausführliche Darstellung liest,
könnte zunächst meinen, es handele sich um einen kuriosen
Sonderling, um einen jener hartschädeligen „Stiftsköpfe", wie sie
das Schwabenland zur Genüge kennt. Gewiß war Schempp kein
bequemer Partner, unerbittlich in seinen Argumentationen, zu
keinerlei Kompromiß bereit. Wer die Briefe liest, die er auf dem
Höhepunkt des Kampfes an seine kirchlichen Vorgesetzten richtete
, könnte allein im Blick auf das zur Verwendung kommende
Vokabular zu der Frage kommen, wer wohl mehr zu bewundern
ist: der wie ein evangelischer Coriolan gegen die „Hurenkirche"
anstürmende Dorfpastor oder die „doppelzüngigen" „Kardinäle"
der Stuttgarter „Gottlosenzentrale", die den Wolkenbruch von
Invektiven — mit Geduld oder Verzweiflung — lange Zeit über
sich ergehen ließen. Ich verzichte auf eine Aufzählung der jeweils
konkreten Anlässe der Konflikte, die sich zur Kette eines Dauerkampfes
schlössen. Man kann sie sehr genau bei Bizer nachlesen.
Aber niemals hat Schempp für sich gekämpft, niemals sein
Recht geltend machen wollen. Es ging ihm durchweg um ein
Thema: was ist Kirche? Er hat diese Frage nicht wie ein theologisches
Geheimnis behandelt, sondern in die Praxis seines
Pfarramtes gestellt, in erster Linie an sich gerichtet, dann aber
auch bei den einzelnen Vorkommnissen im Verkehr mit den Behörden
, an diese. Theologische Existenzfragen sind nicht nach
dem Geschmack von Leitungsgremien. Das hatte schon der „Fall
Dehn" in seiner ersten Phase gezeigt. Schempp ließ sich nicht so
leicht abschütteln. Die Frage, ob auch die kirchliche Hierarchie,
vom Bischof bis zum Dekan, sich vor der Welt als Kirche Jesu
Christi bewähren müsse und in ihrem »inneren" Betrieb alles
Tun und Lassen am Wort der Schrift prüfen, das war die glühende
Sonde, die er erbarmungslos seiner Landeskirche in ihr Adergeflecht
schob. Der Oberkirchenrat schrie keineswegs vor Schmerz
auf. Er reagierte so, wie Behörden in der ganzen Welt handeln,
wenn sie auf Insubordination stoßen: er ließ die disziplinare Verwaltungsmaschine
langsam anlaufen. Schempp versuchte sich aus
deren Räderwerk, in das er mehr und mehr geriet, u. a. auch
durch Lutherzitate zu befreien, ohne doch zu bedenken, daß
Luther aus seinem Kampf gegen die römische Kirche nur deshalb
ohne Katastrophe herauskam, weil die Situation des Reiches ihm
günstig war, vor allem weil die sächsische Obrigkeit, trotz Bann
und Acht, sein stärkster Schutz blieb. Schempp stand — wie einst
Arnold von Brescia — faktisch allein. Gewiß: seine Iptinger Gemeinde
hielt auch in den ärgsten Zeiten bei ihm aus, die Freunde
der Sozietät bekannten sich zu ihm, verteidigten ihn, die VKL
der BK gab brüderliche Ratschläge, aber schon mit befremdlichem
Kopfschütteln. In den Konsequenzen seines Vorgehens mußte
Schempp den Weg des Singulären, des Einsamen, gehen. Bis zum
Verlust des Pfarramtes und Ausscheiden aus der Landeskirche.
Und darin besteht vielleicht die eigentliche Bedeutung dieser
dokumentarischen Veröffentlichung: der „Fall Schempp" ist nicht
so sehr ein biographisches Phänomen, obwohl das Individuell-
Menschliche dieses ungewöhnlichen Lebens, bis zum frühen Ausgang
, jeden Leser tief ergreifen muß; der „Fall Schempp" ist ein
Zeichen, das an die letzten Fragen der empirischen Kirchengeschichte
rührt.

Berlii Karl K u p i s c h

Schnabel, Franz: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert.

Bd. 7: Die katholische Kirche in Deutschland. Bd. 8: Die protestantischen
Kirchen in Deutschland. Freiburg/Br.: Herder [1965]. 344 S.
u. 368 S. kl. 8° = Herder Bücherei 209/210 u. 211/212. Je DM 4.95.

Von Franz Schnabels bekannter vierbändiger „Deutscher
Geschichte im neunzehnten Jahrhundert" ist nun eine Taschenbuchausgabe
in 8 Bänden in der Herder-Bücherei erschienen.
Der 7. und 8. Band entsprechen dem 4. Band der Originalausgabe
( 1936; 19533 ). Soviel ich sehe, ist dieser, den Kirchenhistoriker
besonders angehende Band in der ThLZ nicht besprochen
worden. Es ist nicht meine Absicht, dies jetzt — so
lange nach dem Erscheinen der Originalausgabe — nachzuholen.
Immerhin sei gestattet, auf die Rezensionen durch Ernst Wolf
(Theologie der Gegenwart 32, 1938, S. 41) und durch Erich
Seeberg (ZKG 59, 1940, S. 178 ff.) hinzuweisen. Die Taschenbuchausgabe
bringt den Text unverändert; es entfallen jedoch
die Anmerkungen (in Band IV sind das 40 S.) und das Sachregister
. Das Personenregister ist neu bearbeitet. Jeder Band
der Taschenbuchausgabe hat eine kurze Einführung erhalten, in
der Schnabel eine knappe Zusammenfassung gibt und die Bezüge
zur Gegenwart herstellt. Außerdem sind von ihm für diese
Taschenbuchausgabe noch zwei weitere Bände geplant, durch die
das gesamte Werk nach langer, durch die NS-Zensur verursachter
Unterbrechung, zu Ende geführt werden soll.

Erlangen Walther t. Loewenich

Lindström, Harald: Wcsley und die Heiligung, übers, v. W. B.
Strobcl u. C. E. Sommer. Frankfurt/M.: Anker-Verlag [1961J-
174 S. gr. 8° = Beitrage z. Geschichte des Methodismus, 6.

Lw.

DM 12.50.

Die 1946 in Uppsala unter dem Titel „Wesley and Sancti-
fication" erschienene Untersuchung, die im Umschlagtext als