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Ausgabe:

1966

Spalte:

673-674

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Clemens Alexandrinus, Le pédagogue 1966

Rezensent:

Altendorf, Hans-Dietrich

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 9

674

und kann nicht durch Logik ergänzt werden, auch wenn man damit
unzufrieden ist.

Wichtiger sind die aus dem Begriff der ecclesia mater abgeleiteten
Folgerungen. Sie beruhen auf dem unbestreitbaren Satz,
daß für Augustin die Vereinigung des Menschen mit Christus
ohne die Kirche undenkbar ist. Es kommt hier freilich auf die
Akzente an. Ist die Kirche Voraussetzung der Einigung mit
Christus oder zeigt sich die Einigung mit Christus als Sein in der
Kirche? Der Vf. neigt offenbar zur ersten Alternative. Die Kirche
ist wirkursächlich an der Heilsvermittlung mitbeteiligt (S. 210—
12), sie hat eine aktive, instrumentale Heilsmacht (S. 240), die
Guten bewirken einen Zuwachs an Gnade (ebd.). Die Sünde eines
Kirchengliedes behindert dieses synergistische Heilswirken der
Kirche. — Damit wird der Boden des Augustinismus offensichtlich
verlassen. Für Augustin gibt es kein die Gnade Gottes „vermehrendes
" Handeln der Kirche, sondern es gibt nur das souveräne
Wirken der Gnade Gottes.

Den Vorzügen des Buches: ausgezeichneter systematischer
Aufbau, klare, mit Quellenstellen belegte Darstellung, steht als
Nachteil gegenüber die Neigung, durch logisch-spekulative Folgerungen
über den historischen Befund hinauszugehen, wobei die
Harmonisierung Augustins mit der gegenwärtigen katholischen
Theologie nicht immer vermieden wird. Dem entspricht die unzureichende
Benutzung protestantischer Literatur — auch der im
Literaturverzeichnis genannten.

Mainz Rudolf Lorenz

Clement d'Alcxandric: Le Pedagoguc. I: Texte grec. Introduction
et notes de H.-I. M a r r o u. Traduction de M. H a r 1. II: Texte grec.
Traduction de C. Mondesert. Notes de H.-I. M a r r o u. Paris:
Les Editions du Cerf 1960/65. 298 S. u. 246 S. 8° = Sources Chre-
tiennes, 70 u. 108. ffr. 16.80 u. 24.—.

Die ersten beiden Bände der kommentierten Ausgabe und
Übersetzung des großartigen Buches stellen, wie die Namen der
Bearbeiter nicht anders erwarten lassen, eine treffliche Leistung
dar. Dem Text liegt Stählins Edition in der Neubearbeitung von
1936 zugrunde; die, nicht zahlreichen, Abweichungen sind kenntlich
gemacht. Clemens stellt, jeder Leser seiner Werke weiß es,
hohe Anforderungen an Können und Sprachempfinden des Übersetzers
. Marguerite Harl und C. Mondesert haben sich ihrer Aufgabe
gewachsen gezeigt und eine genaue und schmiegsam die Gedankenführung
des Schriftstellers wiedergebende Übersetzung
vorgelegt, die sich leicht liest und schon damit zum Verständnis
des Textes nicht wenig beiträgt1. Marrous Anmerkungen erläutern
ihn aufs kundigste. Sie geben dem Leser weit mehr Hilfe
an die Hand, als es die knappen und spröden Noten Stählins tun,
die seiner Ausgabe und seiner Übersetzung in der Bibliothek der
Kirchenväter beigegeben sind. Nicht allein die interessanten und
berühmten Sittenschilderungen der alexandrinischen Gesellschaft,
sondern vor allem die philosophischen, vor allem stoischen, Überlieferungen
in denen Clemens steht, verlangen zum Verständnis
ein gehöriges Maß antiquarischer und historischer Kenntnis.
Marrous Gelehrsamkeit hat in den Anmerkungen alte und neue
Beobachtungen und Hinweise ausgebreitet, die der Ausgabe ihren
Wert geben. Hoffen wir, daß der Abschlußband, der auch die
Register enthält, nicht lange auf sich warten läßt.

Marrou hat dem Paidagogos' eine glänzend geschriebene
Einleitung vorangestellt, die vorzüglich die inhaltliche und formale
Eigenart des Buches beleuchtet. Dem Kenner der antiken
Bildungsgeschichte verdanken wir wieder ein Kabinettstück an
durchsichtiger und geistreicher Darlegung eines vielschichtigen
Sachverhaltes. Die gehaltvollen Ausführungen enthalten mehr als
eine Beobachtung, die unser Verständnis des Clemens und seiner
Schriftstellerei vertieft. Ich muß es mir versagen, auszuführen,
wie faszinierend die Lektüre des Pädagogen ist, eines Buches, das
einem geläufigen Genus der Literatur zuzuzählen ist; doch be-

*) Auf M. Harls Bemerkungen zum Stil des Schriftstellers (Bd. I,
5. 98 ff) mache ich aufmerksam.

J) Über den „titre ingenieux" (Marrou S. 14), den Clemens gewählt
hat, und über den Alexandriner überhaupt vergleiche man die
schönen Ausführungen Werner Jaegers, Das frühe Christentum und die
griechische Bildung, 1963 (übers, v. W. Eltester), S. 40 ff.

dient sich seiner ein gebildeter Christ, um den Gebildeten unter
den Christen seiner Zeit die Lebensform vor Augen zu stellen,
die unter der Pädagogie des Logos sich gestaltet. Alles bleibt
ganz der griechischen Paideia verbunden, und doch ist das hinzutretende
christliche Element nicht oberflächlich haftender Firnis,
sondern erweist seine Kraft, den Gehalt der Aussage zu wandeln 3.

Tübingen Hans-Dietrich Altendorf

3) Auch in die Diskussion einiger Textstellen kann ich nicht eintreten
, um den zugemessenen Platz nicht zu überschreiten; ich hoffe, bei
anderer Gelegenheit eigene Beobachtungen vortragen zu können.

Tetz, Martin: Eine Antilogie des Eutherios von Tyana hrsg. Berlin:
de Gruyter 1964. XLVI, 90 S. gr. 8° = Patristische Texte u. Studien,
i. Auftr. d. Patristischen Kommission d. Akademie d. Wissenschaften
zu Göttingen, Heidelberg, Mainz, München, hrsg. v. K. Aland u.
W. Schneemelcher, Bd. 1. Lw. DM 36.—.

Die neue Publikationsreihe der Patristischen Kommission ist
mit einer beachtlichen editorischen Leistung vielversprechend eröffnet
worden. Der vom Herausgeber formulierte Titel läßt nicht
auf den ersten Blick erkennen, daß es sich dabei um einen schon
bekannten Text handelt, nämlich um die sonst „Confutationes
quarundam propositionum" genannte Schrift, die, unter Athanasius
' Werken überliefert, z. B. bei Migne PG 28, 1337—1393 in
einer freilich unvollständigen Fassung abgedruckt ist und als
deren Verfasser schon bisher Eutherius, der auf dem Konzil von
Ephesus im Jahre 431 als Anhänger von Nestorius abgesetzte
Erzbischof von Tyana, gelten durfte. Gestützt auf die Vorarbeiten
von G. Ficker und H. G. Opitz, hat T. nun die endgültige Edition
des Textes vorgelegt und sich mit dieser seiner Arbeit im Jahre
1961 an der Bonner Evangelisch-theologischen Fakultät habilitiert
.

Mit dem Charakter als Habilitationsschrift hängt es wohl
zusammen, daß die Einleitung (IX—XLVI) verhältnismäßig ausführlich
gehalten ist. Manches möchte man sich sogar noch genauer
erörtert, anderes jedenfalls günstiger angeordnet wünschen. Der
Herausgeber steht ja vor einem gewissen Dilemma: Er selbst muß
mit allen Problemen der Überlieferung des Corpus Athanasianum
gründlich vertraut sein, innerhalb dessen die Eutheriusschrift auf
uns gekommen ist, — und von solcher Vertrautheit legt T. allenthalben
Zeugnis ab. Wer sich dagegen mit dieser Schrift näher befassen
möchte, der wird das tun, weil er sich für die christo-
logische Kontroverse in der Periode vor Chalkedon, für Nestorius
und für die antiochenische Theologie interessiert. Ihm sind
jene athanasianischen Überlieferungsprobleme nicht ohne weiteres
geläufig — und brauchen es nicht zu sein! Der Herausgeber müßte
also das zur Einführung in diese Schrift Notwendige so vortragen,
daß es ohne zusätzlichen Rückgriff auf die Speziallitcratur zu
Athanasius verständlich wird. Das ist T. nicht völlig gelungen.

Übersichtlichkeit und Verständlichkeit sind ohne Zweifel eher gewährleistet
, wenn man etwa bei der Besprechung der Handschriften
'X—XXVI) in der üblichen Weise von den älteren zu den jüngeren
Textzeugen fortschreitet und ihr Verhältnis zu einander erst zu erörtern
beginnt, wenn sie alle dem Leser bekannt gemacht worden sind. Dazu
gehört in diesem Fall weiter, daß wenigstens im Überblick der Gesamtinhalt
der Codices mitgeteilt wird, denn er spielt ja für deren Bewertung
und Einordnung mit eine Rolle, wie T. selber gelegentlich (vgl.
XIV oben, XXI f) anerkennen muß, obwohl er diese Fragen zunächst
allein von der Eutheriusschrift her zu entscheiden sucht (vgl. XXV).

Diese Einwände betreffen wohlgemerkt nur die Form der
Darstellung. Die von T. erarbeiteten Ergebnisse hinsichtlich der
Einleitungsfragen sind im Ganzen überzeugend.

Das Stemma der Codices (XLVI) weist nur an einer Stelle eine
geringfügige Differenz zu den vorangegangenen Erörterungen auf, und
zwar hinsichtlich des auf S. XII oben festgestellten Abhängigkeitsverhältnisses
innerhalb der jüngsten Handschriftengruppe. Abgesehen
davon bedürfen zwei Fragen einer kritischen Besprechung.

1) Der Titel des Werkes ist in den Handschriften nicht überliefert.
Den beiden ältesten Testimonien (XXVI ff), deren Verläßlichkeit sich
darin zeigt, daß sie allein den richtigen Verfassernamen nennen, war
die Schrift offenbar unter dem Titel Kara KvqIXXov bekannt. Er entspricht
durchaus dem Inhalt und Tenor der Schrift, und wenn er ursprünglich
so gelautet hat, ist auch leicht einzusehen, daß die spätere
Überlieferung ihn streichen mußte. Trotzdem meint T. (IX), einen