Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1966

Spalte:

656-657

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Titel/Untertitel:

Les petits prophètes 1966

Rezensent:

Bardtke, Hans

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

655

Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 9

656

V e r d u, Alfonse-: Abstraktion und Intuition als Wege zur Wahrheit
in Yoga und Zen. Ein Beitrag zur Phänomenologie und Metaphysik
der nicht-christlichen Mystik. München: Pustet [1965]. 309 S. 8° =
Epimeleia. Beiträge zur Philosophie, hrsg. v. H. Kuhn in Verb. m.
F. Wiedmann u. I. Müller-Strömsdörfer), I. DM 32.—.

Pater Dr. phil. Alfonso Verdü (geb. 1925 in Alicante) ist
Professor für Religionswissenschaft und Religionsphilosophie an
der Internationalen Jesuiten-Universität in Tokio. Er hat
1954—1963 ausgedehnte Studien an deutschen Universitäten betrieben
. Sein vorliegendes Werk besteht aus drei Teilen:

Im ersten Teil legt er dar, wie im indischen Yoga es sich
um ein abstrahierendes Verfahren handle. Dabei bezieht er sich
zunächst auf Patanjali und dessen Ausleger. Der Übende steige
von einem konkreten Objekt allmählich ins Abstrakte und
komme zum Ziel, wenn es keinen Gegenstandes mehr bedürfe.
„Phänomenologisch äußert sich dieses Ausscheiden als Identifikation
, als völliges Aufgehen des Subjektes im Objekt" (50).
Das wird auch durch einen Autor unseres Jahrhunderts belegt
(Sivananda, Anm. 57, S. 52). Dabei — und das ist nun Verdüs
These — müsse solches Vorgehen aber keineswegs zu einer
monistischen Denkweise führen. Es ließen sich auch pluralistische
Auffassungen denken (das wird 76—8 3 am Sufismus
und 83—88 an der Bhagavadgita nachgewiesen; hier hätte man
gern in Anm. 114 auch Rudolf Ottos Ausgabe der Gita mit
berücksichtigt gesehen). Bei den Analysen dieses Teils ist aber zu
fragen, ob man wirklich von „Unterdrückung" sprechen dürfe
(ein tiefenpsychologisch als gefährlich verstandener Vorgang),
wo es doch um Abstraktion geht, also um Weglassen, Wegsehen
usw. (vgl. S. 104—106). Hoch interessant ist aber, wie
Verdü immer wieder Plotin heranzieht, somit das Asiatisch-
Fremde durch Bekannteres verdeutlichend.

Im zweiten Teil wird der Intuitionismus der Zen-Erleuch-
tung dargelegt (mit zahlreichen Beispielen von Gesprächen
zwischen Meister und Schüler, Mondo genannt). Der Hauptunterschied
zu den Yoga-Wegen ist die Originalität der fernöstlichen
Meister. „Ihre eigene Spontaneität gab ihnen die verschiedensten
Methoden ein, die sich mit der Mentalität des
Schülers änderten und doch immer das eine Ziel verfolgten",
nämlich die Voraussetzungen für das Aufbrechen der Erleuchtung
(Satori) zu schaffen (158). Nach drei Seiten wird diese Erleuchtung
erläutert: nach ihrem kosmischen Charakter (180 ff.), nach
ihrer Übergegensätzlichkeit (187 ff.), nach ihrer Plötzlichkeit
(196 ff.). Dabei darf aber nicht vergessen werden: „Es bedarf
langer Jahre der Vorbereitung, um das Bewußtsein nach und nach
zu jener unerläßlichen .Zuspitzung' zu führen", die dann die Erleuchtung
eintreten läßt (198).

Der dritte Teil bietet den „Versuch einer metaphysischen
Deutung des noetischen Gehaltes der bisher behandelten Erfahrungsweisen
" (207—274). Verdü bemüht sich zu zeigen, wie
jene östlichen Praktiken zwar nicht zum persönlichen Gott führen
, wie sie aber verstanden werden könnten als Bewegungen
des menschlichen Geistes, die an jene Grenze führen, wo Er ahnbar
wird. Hier nun spätestens muß ausgesprochen werden: das
ganze Werk hat zur Voraussetzung die scholastische Terminologie
, die als in sich geschlossene Größe hier ganz zum Zuge
kommt. Wer sie nicht kennt, wer nicht mit ihr einig geht, der
sieht sich von diesen Folgerungen ausgeschlossen. Der hochgelehrte
Verf. gebraucht das Koordinatensystem seiner scholastischen
Terminologie von Anfang an, so daß die Lektüre mitunter einer
Hochgebirgstour gleicht, zu der dem NichtScholastiker die alpine
Ausrüstung fehlt. So muß Verdü sich damit begnügen, vornehmlich
denen zu dienen, die scholastisch denken.

Das Werk enthält als Anhang (281—294) „Die fünf Stufen
der ZEN-SOTO-SEKTE nach der bildhaften Darstellung des
SOSAN HONSEKI" (mit Diagramm und japanisch-chinesischen
Schriftzeichen). Darauf folgt das Literaturverzeichnis der benutzten
Werke (295—298), darauf ein Register „Begriffe und
Namen" (299—309), das aber viel zu wenig an Namen enthält.
Solch ein Werk sollte ein ausführlicheres Namen-Register bieten,
unter Einschluß der vielen wertvollen Anmerkungen!

Schließlich sei noch eine vielleicht ketzerische Frage erlaubt
: Kann man über Mystik überhaupt schreiben, ohne selbst

Erfahrungen auf ihren Wegen gemacht zu haben? Wenn dem so
wäre, müßte dann der Kritiker nicht auch eigene Erfahrungen
anführen und dem Leser zeigen, wie man das nachprüft, was die
Zeugnisse anderer aussprechen; wie solches Nachprüfen gelingt,
und wenn nicht, warum wohl nicht?

Geislingen/Steige FrisoMelzor

Ayers, Robert H.: „Myth" in Theological Discourse: A Profusion
of Confusion (AThR 48, 1966 S. 200—217).

Edsman, Carl-Martin: Histoire et religion (Temenos 1, 1965 S. 7
-30).

Hartman, Sven S.: Dionysos and Heracles in India aecording to

Megasthenes: a Counter-argument (Temenos 1, 1965 S. 55—65).
Hautala, Jouko: Survivals of the Cult of Sacrifice Stones in Finland

(Temenos 1, 1965 S. 65—86).
Hultkrantz, Ake: The Study of North American Indian Religion:

Retrospect, Present Trends and Future Tasks (Temenos 1, 1965

S. 87—121).

Lehmann, Arno: Das Bild der Frau in den Hymnen des Tayumana-
var (EMZ 23, 1966 S. 121—130).

P a u 1 s o n, Ivar: Die rituelle Erhebung des Bärenschädels bei arktischen
und subarktischen Völkern (Temenos 1, 1965 S. 150—173).

Sacksteder, William: The Religious Functions of Myth (AThR 48,
1966 S. 41—62).

Waack, Otto: Christologisches Gespräch mit dem Hinduismus (EMZ
23, 1966 S. 130—143).

BIBELWISSENSCHAFT

Pirot, L., u. A. Clamer: La Sainte Bible. Traduction francaise
d'apres les textes originaux commentaire exegetique et theologique.
VIII (lre partie): Les petits prophetes. Par A. DeissleretM. Del-
c o r. I: Osee-Jonas. II: Michee, Nahum, Habacuc, Sophonie, Aggee,
Zacharie, Malachie. Paris: Letouzey & Ane 1961/1964. VIII S. u. S.
293—668. 8°.

Das Werk ist folgendermaßen aufgebaut: Nach einer allgemeinen
Einführung von rund 15 Seiten, die mit einer knappen
Literaturauswahl sowie mit einem Verzeichnis der verwendeten
Sigel und Abbreviaturen schließt, folgen die Auslegungen der
einzelnen Bücher. Die Auslegung wird unter dem jeweiligen Text
gegeben. Jeder Vers wird erst in der lateinischen Übersetzung der
Vulgata zitiert und dann in französischer Übersetzung nach dem
hebräischen Text dargeboten. Textkritische Anmerkungen werden
unter die zweite (französische) Übersetzung gestellt. Im
Auslegungstext sind zu große hebräische Typen verwendet worden
, so daß ungewöhnlich große Abstände zu den Zeilen mit
hebräischem Text sich nicht haben vermeiden lassen. Jedem Prophetenbuch
ist eine gründliche Einleitung vorangestellt. Sie führt
in die textlichen, literarischen, einleitungswissenschaftlichen und
theologischen Fragen ein und bietet jeweils am Ende ein
Literaturverzeichnis.

Die beiden Bearbeiter des Zwölfprophetenbuchs haben sich
die Auslegung so geteilt, daß Deißler Hosea, Obadja, Micha, Ze-
phanja, Haggai und Maleachi übernommen hat, während auf
Dekor die Bücher Joel, Arnos, Jona, Nahum, Habakuk und Za-
charja entfallen sind. Dekor hat als Leiter des Gesamtwerkes
zugleich die allgemeine Einleitung geschrieben. Zwischen beiden
Exegeten besteht ein Unterschied der Methode, die Dekor in
einer dem Titelblatt vorangestellten Bemerkung offen ausgesprochen
hat. Während Deißler die Methode des Neukirchener Kommentars
übernommen hat, hat Dekor darauf verzichtet unter
Berufung auf seine exegetischen Lehrer, für die Textkritik,
Literaturkritik und theologischer Gehalt untrennbar voneinander
waren und entsprechend bei der Exegese in einem Zusammenhang
berücksichtigt werden mußten. Dekor gibt zu, daß gewiss«
Aspekte der Problematik eines Stückes bei seiner Methode vielleicht
nicht klar genug heraustreten könnten (de laisser dans
l'ombre). Man wird ihm aber zugestehen müssen, daß seine exegetische
Leistung darum keine Verkümmerung aufweist, DeißkrS
Exegese ist häufig ausführlicher, während bei Dekor sie geraffter
und gestraffter ohne Verlust an Substanz erscheint. Deißler bietet
zu jedem Auslegungsstück fünf Abschnitte, die sich mit den
Fragen der Textkritik, der literarischen Form, der Wort- und