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Ausgabe:

1966

Spalte:

654

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Panikkar, Raimundo

Titel/Untertitel:

Kultmysterium in Hinduismus und Christentum 1966

Rezensent:

Mensching, Gustav

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 9

654

H. entkräftet, es sind aber alle hinfällig, wie sich ohne große
Mühe zeigen ließe. Es kann das Problem hier nicht auseinandergelegt
werden. Ich bemerke nur, daß Hoppenbrouwers' umsichtig
geführte Analysen ihm recht geben, wenn er die Zeit vom 3. bis
5-Jh. frei hält, d.h. aber: auf dem Grunde rein sprachlicher Beobachtungen
läßt sich Commodian nicht anders als sehr ungefähr
datieren. Was H. für den frühen Ansatz plädieren läßt, sind die
Archaismen des Autors. Diese lassen sich aber nicht in der Weise
geltend machen, daß aus ihnen das 3. Jh. als Lebenszeit des Dichters
erschlossen werden könnte, sondern man müßte dann schon
folgerichtig bis in das 2. Jh. hinaufgehen Im dritten ist Commodian
ebenso auffällig und isoliert wie im 4. und 5. Jh. Bei diesem
Verfahren wären freilich die „Archaismen" verkannt und mißbraucht
, weil man sie als Symptome der Zeit und Umwelt Coramo-
dians aufgefaßt hätte. In Wirklichkeit — und Hoppenbrouwers hat
das selbst schön gezeigt — sind sie der sehr persönliche Ausdruck
des Dichters und Moralisten Commodian. Man darf sie also nicht
ais schlichte historische Angaben nehmen, aus denen sich die Zeitumstände
ablesen ließen. Versuchte man es, so hätte man die Gestalt
Commodians sehr verkannt, die sich hinter den stilistischen
und reli giösen Archaismen und Sonderbarkeiten eher verbirgt als
darstellt. Erst wenn seine Zeit auf Grund anderer Indizien ermittelt
ist, vermögen die sprachlichen Erscheinungen zur geschichtlichen
Einordnung beizutragen. Solche andersartigen Indizien
stehen in der Tat zur Verfügung, und man kann sich nur immer
wieder wundern, wie leicht die sich mehrenden, Vertreter der Datierung
in das 3. Jh. an ihnen vorübergehen, als ob sie nicht vorhanden
seien. Und doch hat Brewer längst gesehen, daß Commodian
um 460 in Gallien gewirkt hat. Die altertümlichen Züge in
seinem Bilde fügen sich dem ohne Anstoß ein 4, und sprachliche
Bedenken bestehen nicht, wie aus H.s Abhandlung erneut hervorgeht
. Es wäre von Vorteil für die weitere Untersuchung, wenn
Verf. sich die Argumente für die späte Datierung noch einmal
durch den Kopf gehen ließe und sich in seiner nächsten Abhandlung
zu ihnen äußerte. Vor allem erinnere ich an die Ausführungen
Holls''. Sie sind nicht widerlegt, können vielmehr durch eine Anzahl
alter und neuer Beobachtungen und Erwägungen bekräftigt
werden. Doch ist hier nicht der Ort, davon zu handeln.

Beiden Abhandlungen sind sorgfältige Register beigegeben.

Tübingen Üans-Dietridi Altendorf

3) Thraede S. 111 deutet die Konsequenz richtig an, überlegt sich
'ber nicht die daraus zu ziehende Folgerung, daß nämlich die bedeutungs-
Keschichtliche Untersuchung von weit geringerer Tragweite bezüglich der
Datierung ist, als er annimmt, da eine Datierung in das 2. Jh. ja ausgeschlossen
ist.

*) Und auch die von Thraede so stark hervorgehobenen „Juda-
ls'erenden" ( Hoppenbrouwers zeigt sich hier von Thraede beeindruckt,
obwohl er dem Richtigen nahe kommt (S. 72).

5) K. Holl, Über Zeit und Heimat des pseudotertullianischen Gedichts
adv. Marcionem, Ges. Aufsätze III (1928) 47 ff.

C o x , Harvey: Über Ort und Ziel der Theologie (Pastoraltheologie 5 5,

1966 S. 193-199).
^ a e c k e , Sigurd: Teilhard — mißverstanden, entschärft, gefälscht? Ein

Bericht über die Teilhard de Chardin-Literatur (Pastoraltheologie 55,

1966 S. 257-269).
Diem, Hermann: Theologie contra Kirche? (KidZ 21, 1966 S. 146

—149).

Narnmerstein, Franz von: Martin Buber als Fragender (ZdZ 20,

1966 S. 202-208).
"Jyer, Milton: Der Mann, der nicht ins Schema paßt [Albert

Schweitzer) (JK 26, 1965 S. 665—668).
Füller, Josef: Zu den theologie-geschichtlichen Grundlagen der

Studienreform Rautenstrauchs (ThQ 146, 1966 S. 62—97).
Soucck, J. B.: Werner Schmauch — Lebensweg und Lebenswerk

(ZdZ 20, 1966 S. 209—217).

RELIGIONSWISSENSCHAFT

P a n i k k a r , Raymondo: Kultmysterium in Hinduismus und Christentum
. Ein Beitrag zur vergleichenden Religionstheologie. Freiburg-
München: Alber [1964]. 198 S. 8°.

Das vorliegende Buch ist aus verschiedenen Gründen bemerkenswert
: zunächst des Verfassers wegen. Er wurde in Indien
geboren, lebte in der indischen Kulttradition und kennt durch
sein Studium ihre geistig-religiösen Inhalte und Hintergründe. An
deutschen Unversitäten studierte P. Physik und Chemie, ehe er
sich der Philosophie und Theologie zuwandte. Als Studentenpfarrer
in Rom pflegte er das ökumenische Gespräch zwischen
Hinduismus und Christentum. Bemerkenswert ist dieses Buch sodann
wegen der grundsätzlichen Einstellung, die der offenbar
katholische Theologe (das Buch erschien gleichwohl ohne kirchliches
Imprimatur) dem zu behandelnden Phänomen- und Problemkomplex
gegenüber einnimmt: in erstaunlicher Unvorein-
genommenheit wird nämlich das religiöse Leben und Denken im
Hinduismus ernst genommen und im 2. Teil sogar als in verschiedener
Hinsicht vorbildlich für das heutige Christentum
dargestellt. Drittens muß anerkannt werden, daß sachlich sehr
interessante und aufschlußreiche Einsichten in das innere Leben
der hinduistischen Kultfrömmigkeit gegeben werden.

In dem ersten Teil des Buches wird nicht etwa die ganze bunte
Erscheinungsfülle des Hinduismus erörtert, sondern ausschließlich die
Kultformen bzw. die Heilswege in den Veden (karma-märga), in den
Upanishaden (jnäna-märga) und in den hinduistischen Gnadenreligionen
(bhakti-märga) werden behandelt. Auf dieser dem zeitlichen Ablauf der
indischen Religionsgeschichte folgenden Darstellung der drei Hcilswegc
baut sich nun eine Erörterung der drei zentralen Formen des Gottesum-
gangs auf: des Opfers, des Gebetes und der Verehrung. Wie bemerkt,
behandelt der 2. Teil des Themas ,,Der Kult im Hinduismus und das
Christentum" (S. 119 ff). Wie aus der Überschrift hervorgeht, wird nicht
etwa der christliche Kultus selbständig behandelt (wie es im 1. Teil mit
dem hinduistischen Kult geschah), sondern die vorbildliche Bedeutung
des hinduistischen Kultus für das heutige Christentum, wobei keine
Unterscheidung zwischen katholischem und protestantischem Christentum
gemacht wird.

Wir können auf Einzelheiten hier nicht eingehen. Das gedanken-
und erkenntnisreichc Buch des mit den indischen Quellen ebenso wie
mit der neutestamentlichen Forschung und der einschlägigen evangelischen
und katholischen theologischen Literatur vertrauten Verfassers
bietet für Theologie und Religionswissenschaft eine Fülle wertvoller
Anregungen. So bemüht sich der Verf. z. B. um die jüngst von Ernst
Benz ebenfalls aufgeworfene Frage nach den Bedingungen des Ver-
stehens fremder Religionen. P. meint, es gäbe zwei Wege zur Erfassung
des Sinnes des hinduistischen Kultes: die Übersetzung und die „Konversion
", worunter er ein Verständnis „per connaturalitatem" versteht.

Um das von P. angestrebte innerliche Verstehen religiöser Gegebenheiten
zu ermöglichen, wird der Begriff des Symbols eingehend
analysiert und verwendet. P. betont, daß gegenüber der Anwendung
des Symbolbegriffes auf religiöse Vorstellungs- und Kultformen „ein
gewisses Unbehagen" in der ganzen Geschichte des Christentums spürbar
sei (S. 127). Diese These wird durch die Enzyklika Papst
Pauls VI. „Mysterium fidei", in der ein symbolisches Verständnis
des Abendmahls abgelehnt wird, bestätigt. P. ist dem gegenüber
der m. E. berechtigten Ansicht, daß mit dem Symbol nicht eine
Verflüchtigung religiöser Wahrheit verbunden sei, sondern daß vielmehr
im eigentlichen Symbolvollzug ein Anteilgewinn an göttlicher Wirklichkeit
gegeben ist und ursprünglich auch verstanden wurde.

Worauf der Verf. letzten Endes hinaus will, ist, die christliche
Verkündigung und den christlichen Kultus nach dem Beispiel
des hinduistischen Kultus als Ereignis der Verwirklichung
bzw. der Vermittlung göttlicher Wirklichkeit verstehen zu lehren.
Dabei spielt für P. auch das Problem der Entmythologisierung
eine Rolle. Der Verf. lehnt das Programm R. Bultmanns ab, weil
er der Ansicht ist, daß der Mythos, den P. sehr überzeugend
analysiert, unvermeidbar ist (S. 179). Statt dessen tritt er für eine
„Ummythologisierung" ein, um „den überlogischen Sinn des
Logos" wiederzugewinnen.

Bonn Gustav M e n s ch i n g