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Ausgabe:

1966

Spalte:

634-636

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Voelkl, Ludwig

Titel/Untertitel:

Die Kirchenstiftungen des Kaisers Konstantin im Lichte des römischen Sakralrechts 1966

Rezensent:

Liermann, Hans

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 8

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RELIGIONSPÄDAGOGIK

Padberg, Rudolf: Personaler Humanismus. Das Bildungsverständnis
des Erasmus von Rotterdam und seine Bedeutung für die Gegenwart.
Ein Beitrag zur Revision des Humboldtschen Bildungsideals. Paderborn
: Schöningh [1964]. 189 S. 8° = Schriften zur Pädagogik und
Katechetik, 12, hrsg. v. Th. Kampmann u. R. Padberg. Kart. DM 9.—;
Lw. DM 12.-.

Diese Studie des Ordinarius für Katechetik in Paderborn
will einen für unsere Zeit pädagogisch gültigen Humanismusbegriff
bekannt machen, den personal-dialogischen oder Du-be-
zogenen (S. 18). Mit diesem sollen die Fehler des zu weit gefaßten
materialistisch-existenzialistischen (Sartre) oder des zu engen,
verchristlichten Begriffs (Maritain) vermieden werden (S. 15). Der
Vf geht sein Thema nicht systematisch, sondern paradigmatisch
an. Am Lebenswerk des Rotterdamers möchte er zeigen, daß ein
solcher Humanismusbegriff keine Erstlingsfrucht modernen
Denkens ist.

Das erste Kapitel setzt sich mit der Erasmusinterpretation
der Vergangenheit auseinander. Es zeigt (im Gefolge von A. Flitter
), wie die nachreformatorische Zeit in Erasmus den spöttischen,
undurchsichtigen Rufer nach Reform sah, der den Reformatoren
im Ernstfall die Weggenossenschaft versagte, wie Aufklärung
und Romantik in ihm den scheinbaren Rationalisten und Dogmen-
Segner verehrten und wie seit der Mitte des letzten Jahrhunderts
Erasmus als Skeptiker und Stubengelehrter galt. Diese Mißverständnisse
reichen nach Meinung des Vf bis in die Gegenwart
(Lichtenstcin, Hammelsbeck, Weinstock), trotz der Erasmus-Renaissance
durch Huizinga, Meissinger, Stange u. a. (S. 36 ff).

In die Revision des falschen Erasmus-Bildes stimmt der Vf
mit ein, indem er im zweiten Kapitel Erasmus als Pädagogen
zeichnet. Er schildert die Entwicklung seiner Bildungskonzeption
lri drei Stufen. Auf der ersten, in den Zwanzigerjahren seines
Lebens (vor 1500), wendet.er sich als Sprecher gleichgesinnter
Mönche (vor allem in Briefen) „wider die Barbaren". Er fordert
Kulturoffenheit, das Recht, sich mit musischen Dingen und klassischen
Sprachen beschäftigen zu dürfen (S. 43). In seinem „Lob der
Torheit" geht er mit dem diesbezüglichen Banausentum der zeitgenössischen
Lehrer und Geistlichen beißend ins Gericht. Zur
Klärung kommt die Bildungskonzeption des Erasmus in England
(S. 56 ff). Hier begegnet er John Colet und Thomas Morc, über
letzteren auch dem Werk des Pico della Mirandola. Von der Synthese
zwischen Antike und Christentum, zu der er findet, zeugen
die „Colloquia familiaria". Die Wiederentdeckung der patristi-
schen Lehre vom Logos spermatikos erleichtert dem Christen
Erasmus diesen universalistischen Standpunkt. Zugleich wirkt
Plato über die Kirchenväter auf die Anthropologie des Rotterdamers
, die er vor allem im „Enchiridion" entfaltet. Zurückgekehrt
aus England beginnt die dritte Stufe, die Verwirklichung
des Programms (seit ca. 1516). Sie geschieht in dreifacher Weise:
Einmal in den Ausgaben des griechisch-lateinischen Neuen Testaments
, seinen erklärenden Paraphrasen, sowie den Kirchenväter-
Editionen. Zum anderen in pädagogischen Schriften, voran dem
"Anstandsbüchlein" für den Prinzen von Burgund und der theo-
Tetischen Hauptschrift: „Über die Notwendigkeit einer rechtzeitigen
Charakter- und Geistesbildung der Kinder" (1529).
Sehl

ießlich in den — trotz des reformatorischen Sturms nur
zögernd geschriebenen — theologischen Schriften, vor allem den
Erklärungen zum Credo und Vaterunser und einem Werk über die
Predigt (S. 75 ff). Nach Padbergs Meinung weist all dies den
Rotterdamer in jedem Augenblick seines Schaffens als Pädagogen
aus (vgl. A. Gail), und zwar in personal-dialogischem Sinne, was
ihn mit Kierkegaard vergleichbar macht (S. 86 ff).

In einem dritten Kapitel faßt der Vf diese Ansicht systematisch
zusammen. Er erkennt bei Erasmus vier Schwerpunkte der
ßildungskonzeption: die „eloquentia", die nicht Ciceronianismus
sondern Mittel zur „interpersonalen Mitteilung" (Briefe!) ist
G». 98), die „humanitas", die im Zerfall der mittelalterlichen
^rdnungswelt durch die neue Ehe zwischen Antike und Christentum
für Gesellschaft und Kirche ein tragfähiges Bildungsfundament
schaffen will (S. 110), die „pietas", die sich gleichermaßen
auf Gott, die Eltern und das Vaterland richtet und so Glaube und
tätige Liebe vereint (S. 112 f), und die „theologia biblica", durch

die Erasmus die Theologen an die Quellen und Kirchenväter, statt
an die Scholastiker, verweist und auf diesem Weg ejne Erneuerung
der Volksfrömmigkeit erhofft (S. 123 ff).

So steht Erasmus, wie das vierte Kapitel umreißt, laut Vf
dem Humboldtschen Humanismusideal diametral gegenüber, da
Humboldt kontemplativ, ichbezogen, weit- und sachfeindlich und
(von Schleiermacher her) gefühlsbetont gewesen sei (S. 129—15 5).
Ein letztes Kapitel fragt schließlich nach dem gültigen Humanismus
heute. Die Antwort stand bereits in der Einleitung zu lesen. So
kann hier alles etwas schlagwortartig und allgemein gehalten
werden. Es gelte, die klassischen „Sternstunden der Menschheit"
neu-zu.aktualisieren (S. 161 f).

Die Studie vermag nicht zu befriedigen, methodisch und
sachlich nicht. Gewiß hat die Erasmusinterpretation in der Vergangenheit
Fehler gemacht, teils aus Voreingenommenheit, teils
aus Unkenntnis der Quellen. Aber das läßt sich nicht dadurch
wiedergutmachen, daß man moderne Begriffe ins Mittelalter interpoliert
. Dadurch wird lediglich ein Vorurteil durch ein anderes
ersetzt, zudem, wie die Formel von der Du-Beziehung (S. 18)
zeigt, in einseitig verkürzender Weise. Denn auf Ebner oder
Buber beruft sich das, was hier unter personalem oder dialogischem
Humanismus verstanden wird, kaum zurecht. Auch die Vorstellung
Humboldts ist ein Klischee. Seine vom griechischen
Denken geprägte echte Dialektik zwischen „Menschheit und Persönlichkeit
" bleibt dem Vf offenbar fremd. Und wie Erasmus
zwischen den Zeilen gegenüber Luther zum großen Pädagogen
erhoben wird, ist bei Kenntnis der Quellen ebenfalls nicht verifizierbar
. Zwischen einem griechisch-lateinischen NT und einer
Bibel in der Volkssprache oder zwischen Bänden gehaltener Predigten
und einem theoretischen Alterswerk über das Predigen ist
wohl doch noch ein weiter Schritt. Die Beispiele ließen sich vermehren
. Was hier in Erasmus hineingelesen wird, kann seine
moraltheologischen Komponenten nicht verleugnen. Echte Interpretation
ist es nicht. Sie kann nicht Zustandekommen, solange
man im Humanismus nur Vorfeldthematik erkennt, die im Blick
auf Glauben und Heil nichts hilft (S. 18 5). Denn Erasmus selbst
glaubte an das Gegenteil, auch wenn er aus Gewissensgründen
katholisch blieb (S. 127). Denn er war engagierter Humanist, und
zwar Humanist im 16. Jahrhundert.

Saarbrüdicn Gert Hummel

Bellerate, Bruno M.: La periodizzazione del pensiero pedagogico

herbartiano (Selesianum 27, 1965 S. 436—442).
B 1 e i s t e i n, Roman: Die Werte der heutigen Jugend (StZ 176, 90. Jg.

1964/65 S. 681—697).

Tröger, Walter: Die Bedeutung Friedrich Wilhelm Foersters für die
Pädagogik der Gegenwart (StZ 176, 90. Jg. 1964/65 S. 579—595).

Wacker, Paulus: Christsein im Werden — Zur Theologie der Erziehung
(ThGl 56, 1966 S. 103—122).

KIRCHENRECHT

Voclkl, Ludwig: Die Kirchenstiftungen des Kaisers Konstantin im
Lichte des römischen Sakralrechts. Köln-Opladen: Westdeutscher Verlag
[1964]. 83 S. gr. 8° = Arbeitsgemeinschaft für Forschung des
Landes Nordrhein-Westfalen, Geisteswissenschaften, 117. Kart.
DM 8.-.

Die Abhandlung beruht auf einem sorgfältig durch Anmerkungen
unterbauten Vortrag des Verf. vor der Arbeitsgemeinschaft
für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, dem sich eine in
dem Heft gleichfalls im Druck wiedergegebene fruchtbare Diskussion
anschloß. Gegenstand der Untersuchung ist der Übergang
vom heidnischen römischen Sakralrecht zum Recht des christlichen
Kirchenbaues. In einer rechtsgeschichtlich wie religionsgcschichtlich
gleich interessanten Darstellung wird gezeigt, in welch großem
Umfang die Rechtsgedanken und religiösen Vorstellungen des heidnischen
Kultus vom Christentum rezipiert worden sind.

Quellengeschichtlich ist dabei von Bedeutung, daß zahlreiche
Stellen des Liber Pontificalis Verwandtschaft mit dem heidnischen
Tempelrecht (Leges Templorum) aufweisen.

Folgende Beispiele seien herausgegriffen: Die heidnische
Theophanie machte den Ort, an dem sich die Gottheit offenbarte,
„tabu" = sanetus (von sancire = umzäunen). Das bedeutete