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Ausgabe:

1966

Spalte:

629-630

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Titel/Untertitel:

Die Instruktion vom 26. September 1964 zur Liturgiekonstitution 1966

Rezensent:

Söhngen, Oskar

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629

Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 8

630

LITURGIEWISSENSCHAFT

Rennings, Heinrich: Die Instruktion vom 26. September 1964 zur
Liturgiekonstitution. Lateinisch-deutscher Text mit einem Kommentar.
Münster/W.: Regensberg [1965]. 236 S. 14,5 x20,5 cm = Reihe
Lebendiger Gottesdienst, hrsg. v. H. Rennings, 7. Kart. DM 9.50.

Richter, Klemens, u. Rolf Freitag: Zur liturgischen Struktur des
Wortgottesdienstes. Ein Diskussionsbeitrag. Münster W.: Regensberg
[1965]. 82 S. m. 1 Abb. 14,5x20,5 cm = Reihe Lebendiger Gottesdienst
, hrsg. v. H. Rennings, 8. Kart. DM 8.50.

Rennings, Heinrich: Richtlinien und Ritus für die Feier der heiligen
Messe in Gemeinschaft (1965). Mit einer kommentierenden Übersicht.
Münster/W.: Regensberg [1965]. 149 S. 14,5x20,5 cm = Reihe
Lebendiger Gottesdienst, hrsg. v. H. Rennings, 9. Kart. DM 9—.

Man geht schwerlich fehl, wenn man voraussagt, daß von
allen Entscheidungen des Zweiten Vatikanischen Konzils die Konstitution
über die heilige Liturgie die nachhaltigsten und tiefst-
greifenden Strukturwandlungen in der katholischen Kirche zur
Folge haben wird. Denn noch immer schlägt ihr Herz im Gottesdienst
. „Die Liturgie ist der Gipfel, dem das Tun der Kirche zustrebt
, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt",
stellt Art. 10 der neuen Konstitution fest. Dem entspricht die
erstaunliche Schnelligkeit und Gründlichkeit, mit der die von der
Konstitution aufgestellten Richtlinien ausgeführt und die Rahmenbestimmungen
ausgefüllt wurden. Die vom Konzil eingesetzte
Kommission ging sofort an die Arbeit: bereits am 26. September
1964 wurde die Instruktion zur Konstitution De sacra Liturgia
veröffentlicht, welche die Durchführungsverordnungen enthält,
und am 27. Januar 1965 wurde von den zuständigen Instanzen
des Apostolischen Stuhls ein neuer Ritus servandus in celebra-
tione Missae und ein entsprechender Ordo Missae herausgegeben.
Schon im Herbst 1964 hatte die Plenarkonferenz der regierenden
Bischöfe der Diözesen Deutschlands die Liturgische Konferenz beauftragt
, eine Neufassung der Richtlinien für die Feier der heiligen
Messe für den deutschen Sprachbereich vorzulegen; das geschah
am 20. Januar 1965. Der neuerlassene Ritus servandus und Ordo
Missae machten am 12. Februar 1965 eine Ergänzung nötig. Das
deutsche Meßdirektorium verbindet Auszüge aus der Konzilskonstitution
und den anderen Dokumenten des Apostolischen
Stuhls mit Anwendungsbestimmungen für die deutschen Bistümer.
Alle Texte liegen in den Heften 7 und 9 der vorbildlichen Reihe
Lebendiger Gottesdienst veröffentlicht und sorgfältig kommentiert
vor, — ein unentbehrliches Arbeitsmaterial für jeden, der sich
über die jüngste Wendung in der Geschichte der Messe unterrichten
will. Daß auch das Gottesdienstverständnis der katholischen
Kirche tiefe Wandlungen erfahren hat, beweist der in
Heft 9 mitabgedruckte Aufsatz des Bischofs von Mainz und Vorsitzenden
der Liturgischen Kommisson, Hermann Volk (S. 62—80).

Wir glauben, auf die wichtige Informationsquelle der Reihe
Lebendiger Gottesdienst nicht wirksamer hinweisen zu können,
als indem wir wenigstens einige der grundsätzlichen Änderungen,
die mit der Konstitution De Sacra Liturgia eingetreten sind, nachstehend
anführen.

Das Leitbild des Meßgottesdienstes, das durch die „Zweiraumkirche
", aufgeteilt zwischen fanum des Klerus und pro-fanum
des Kirchenvolks, bestimmt war, ist ersetzt durch das frühchristliche
Leitbild der um den Priester als ihren „Vorsteher" versammelten
Gemeinde. Das soll nach dem Willen der Konstitution
auch Auswirkungen auf die Raumordnung haben: der Vorstehersitz
zu Häupten der Gemeinde, diese selbst so placiert, daß sie
tätigen Anteil an dem Meßgeschehen nehmen kann. Kraft der
Taufe, so stellt die Konstitution fest, hat sie Recht und Amt zu
geistlichem Handeln; sogar die Magna Charta der reformatorischen
Lehre vom allgemeinen Priestcrtum, 1. Petr. 2,9, wird zur
Begründung angeführt. Alle dem Offertorium vorausgehenden
Akte (abgesehen von Stufengebet und Begrüßung des Altars zu
Eingang der Meßfeier) können statt vom Altar auch vom Priestersitz
oder Ambo aus vollzogen werden. Die Ordinariumsstücke
sind Gemeindegesänge. Besonderer Wert wird auf das Einstimmen
•der gesamten gottesdienstlichen Versammlung in das Hochgebet
im Sanctus gelegt. In allen Formen der Messe kann das Vaterunser
von Priester und Volk gemeinsam gebetet werden. Bei jeder

Gemeindemesse ist den Gläubigen die Möglichkeit zur Kommunion
zu geben. Der lateinische Gottesdienst bleibt zwar erhalten,
aber er tritt hinter der breiten Verwendung der deutschen Messe
weit zurück, in der die Lesungen und das Fürbittengebet in deutscher
Sprache vorgetragen werden müssen, Ordinarium,
Proprium, die Gebete, Akklamationen, Einleitungs-, Gruß- und
Dialogformeln (nicht dagegen die Präfation zum Sanctus und der
Kanon) deutsch gesprochen werden können.

Daß es sich bei der Beteiligung der Gemeinde um eine echte
Partnerschaft handelt, wird eindrucksvoll auch dadurch bewiesen
, daß der Priester die von ihr gesungenen Stücke nicht mehr
wie bisher privat zu rezitieren braucht, — mit Ausnahme des
Sanctus, „wenn die Art des Gesangsvortrags dem Zelebranten die
Beteiligung nicht gestattet". Ebenso müssen die approbierten
liturgischen Texte zusätzlich gesprochen werden, wenn statt der
Ordinariums- und Propriumsstücke entsprechende Kirchenlieder
oder andere Gesänge von der Gemeinde gesungen werden. Beachtlich
ist auch der Versuch, das Offertorium wieder seiner altchristlichen
Bestimmung als Opfergang der Gemeinde zuzuführen
, bei dem auch die Gaben für die Armen dargebracht
werden können.

Der evangelische Christ freut sich, in Art. 7 der Konstitution
zu lesen, daß neben der Gegenwart Christi im Meßopfer
und in den Sakramenten im gleichen Atemzug die Gegenwart in
seinem Wort und (unter Berufung auf Mt. 18, 20) im Gebet und
Gesang der Gemeinde genannt wird. Ebenso werden als Grundelemente
der Messe Wortgottesdienst und Eucharistiefeier
herausgestellt; der Wortgottesdienst ist nicht mehr bloße „Vormesse
", sondern besitzt eigene Würde, — entsprechend den zwei
Brennpunkten in der Ellipse des lutherischen Gottesdienstes der
Reformationszeit. Deshalb ist die Predigt, die Homilie, ein Teil
der liturgischen Handlung (Art. 3 5, 2); an den Sonn- und Feiertagen
ist sie pflichtmäßig in allen Gemeindemessen zu halten,
für die Messen an den gewöhnlichen Tagen wird sie empfohlen.

Es würde hier zu weit führen, Betrachtungen über die
Spannung anzustellen, in der die neuen Elemente der Liturgiereform
zweifellos zu den immer noch vorhandenen beharrenden
Elementen von Liturgie und Dogma stehen. Aufs Ganze möchte
man meinen, daß eine Dynamik ausgelöst worden ist, welche die
Entwicklung weitertragen könnte, als selbst die kühnsten Befürworter
der Reform geahnt haben.

Nicht uninteressant ist auch die Beobachtung, daß die Ent-
mythologisierung sogar in den Rubriken des Ordo Missae —
diese sind jetzt von 1—60 durchnummeriert — Einzug gehalten
hat. Die Zusätze, daß der Prediger die Augen „zum Himmel" oder
„zu Gott" beim Gebet erhebt, sind entfallen.

Heft 8 „Zur liturgischen Struktur des Wortgottesdienstes",
ein Diskussionsbeitrag von Klemens Richter und Rolf
Freitag, knüpft an die Bestimmung von Art. 35, 4 der Konstitution
an: „Zu fördern sind eigene Wortgottesdienste an den
Vorabenden der höheren Feste, an Wochentagen im Advent
oder in der Quadragesima sowie an den Sonn- und Feiertagen,
besonders da, wo kein Priester zur Verfügung steht; in diesem
Fall soll ein Diakon oder ein anderer Beauftragter des Bischofs
die Feier leiten." Wie sich aus dem zweiten Teil dieser Bestimmung
ergibt, ist hier nicht an eine Wiederbelebung des spätmittelalterlichen
Predigtgottesdienstes, des Pronaus, gedacht,
sondern die beiden Verfasser bemühen sich vor allem darum,
die überlieferten Formen von Vesper, Komplet und Vigil für
den Gebrauch des Gemeindegottesdienstes, und zwar mit Schriftauslegung
, einzurichten und damit Modelle zu schaffen.

Berlin Oskar Söhn gen

Werthemann, Helene: Studien zu den Adventsliedern des 16. und
17. Jahrhunderts. Zürich: EVZ-Verlag [1963]. 190 S. gr. 8° = Basler
Studien zur historischen u. systematischen Theologie, hrsg. v.
M. Geiger, Bd. 4. Lw. DM 15.—.

Die Verbindung von Theologie und Musikwissenschaft (sie
ist nicht allzu häufig) ist für die Liturgik, Hymnologie und Kirchenmusik
gleichermaßen erwünscht und fruchtbar. Die Verfasserin
hat das in einer früheren Untersuchung („Die Bedeutung der alt-
testamentlichen Historien in J. S. Bachs Kantaten", Tübingen