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Ausgabe:

1966

Spalte:

621-623

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Pöhlmann, Horst Georg

Titel/Untertitel:

Analogia entis oder Analogia fidei? 1966

Rezensent:

Löfgren, David

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 8

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Verehrung macht, anstatt die von ihm erkannte und geübte
Religion mit ihm gemeinsam zu leben" (S. 170 f).

Flügel nennt seine Interpretationen „vergegenwärtigend"
und damit „provokativ", „weil der Leser sich herausgefordert
fühlen möge durch den Ernst derer, die in ihrer tragischen Exponiertheit
uns nach dem Ernst unseres eigenen Menschseins befragen
" (Seite 8).

Nochmals deutlicher: es handelt sich nicht, wie der Untertitel
des Buches vermuten lassen könnte, um sozusagen potenzierte
moralinsaure Schulaufsätze oder ästhetenhaft neutrale,
gleichsam kulinarische Kabinettstücke, sondern um immer neue
Aspekte einer reformatorischen Theologie des Menschseins — diese
Theologie verborgen unter der anziehenden Form der literarischen
„Präsentation".

In über zehn Seiten langen Anmerkungen verweist der Verfasser
gewissenhaft auf verwertete Literatur, auf Bestätigungen
seines jeweiligen Urteils durch andere Literaturkritiker und Theologen
, auf die benutzten Übersetzungen usw.

Berlin Helinuth Burgert

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Pöhlmann, Horst Georg: Analogia entis oder Analogia fidei? Die

Frage der Analogie bei Karl Barth. Göttingen: Vandenhoeck &
Ruprecht [1965]. 164 S. gr. 8° = Forschungen z. systematischen u.
ökumenischen Theologie, hrsg. v. E. Sdilink, 16. Kart. DM 16.80.
Aus der Wahl des Themas geht hervor, daß Pöhlmann
Schüler des hervorragenden Systematikers Wilfried Joest in Erlangen
ist. Joest schrieb nämlich schon 195 5 einen Artikel in Studium
generale über das Thema „Sein und Akt in der Existenz des
Menschen vor Gott". In Anlehnung an eine Terminologie, die
schon D. Bonhoeffer in seiner Dissertation „Akt und Sein" verwendet
hatte, entwickelt Joest seine Ansicht von der zugleich
statischen und dynamischen christlichen Wirklichkeitsauffassung.
Gott ist nicht nur „Akt", sondern auch „Sein".

Das Buch Pöhlmanns ist nicht nur pädagogisch geschrieben,
sondern auch so überzeugend in der Beweisführung, daß ein
Barthiancr es nicht ohne weiteres ignorieren kann. Für barthia-
nisch beeinflußte Lutheraner muß es wie ein Pfeil geradewegs in
die Achillesferse der Bardischen Position wirken. Interessant wird
es sein, die Reaktion von z. B. H. Diem zu studieren und die von
anderen barthianisch beeinflußten Lutheranern. Der Bardische
Ethiker N. H. Soe in Kopenhagen kann glücklicherweise auf
seine frühere Abstandnahme von Barths Analogienlehre hinweisen
. Kann er aber nach dieser Auseinandersetzung vermeiden zu
sehen, daß nach einem Bejahen von Barths Christomonismus trotz
allem das Bedürfnis übrigbleibt, die von Barth behauptete Kluft
zwischen Gott und Mensch zu überbrücken?

In der Darstellung und Formalkritik des Verfassers nimmt
der Abschnitt „Der Mensch als imago dei" einen zentralen Platz
ein. Barths Zorn gegen Brunners Imagolehre (in seiner Kampfschrift
„Nein") muß von seiner Christozentrik her verstanden
werden. Imago dei hat nur Christus und wird den Menschen nur
im Glauben analog mitgeteilt. Christus ist Subjekt und Objekt
der Gottebenbildlichkeit. Überzeugend zeigt Pöhlmann, daß
Barths Imagolehre auf einer falschen Exegese ruht. Aus der Bibel
geht klar hervor, daß die Formalimago des Menschen im
Fall nicht verlorengegangen ist. Der Mensch i s t etwas Bestimmtes
auch nach dem Fall, etwas das ihn von der übrigen Schöpfung
Unterscheidet. Die Ma terialimago dagegen ist, nach Pöhlmann
, durch den Fall verlorengegangen. Dazu gehören der rechte
Glaube und das rechte Vertrauen auf Gott, die also in der
Christus-Offenbarung zurückgegeben werden.

Das gleiche ungenügende exegetiche Verifizieren kennzeichnet
Barths Analogienlehre im großen und ganzen (S. 102). Barth
macht sich außerdem nach Meinung des Verfassers schuldig einer
feinen Mißdeutung des katholischen Standpunktes (S. 101). Das
Haupt- und Grundmerkmal der Bardischen Analogie ist aber der
Aktualismus. Ja, die Analogie ist selbst als Akt aufgefaßt
[?■ 105), nämlich im Glaubensakt, im Offenbarungsakt. Barth
lehrt nur eine analogia fidei sive fientis. Die Analogie i s t nicht,
s'e wird je und je. Die Analogie wird deshalb keine feste

Brücke über der Kluft zwischen Gott und Mensch, sondern höchstens
ein Provisorium.

Die analogia proportionis ist die häufigst vorkommende
Analogieart bei Barth. Gottes Wort ist analog dem
Menschenwort. Christus ist Gott ähnlich in seiner Haltung. Die
Erwählten haben eine Ähnlichkeit mit dem einzig erwählten
Christus. Die Taufe ist eine Analogie des Todes, das Abendmahl
des Lebens Jesu usw.

Die Analogienlehre Barths weist, nach Meinung des Verfassers
, gewisse Ähnlichkeiten mit Marcion und dem Neuplato-
nismus auf. Aber im großen und ganzen ist sie doch eine theologische
Neuschöpfung (S. 110 ff). Sie zeigt drei Entwicklungsvorgänge
auf. In der vorkritischen Periode (um 1919
mit der ersten Auflage des Römerbriefkommentares) werden deutlich
pantheistisch - neuplatonische Züge ersichtlich. Die kritische
Periode (um 1922 mit der zweiten Auflage des
Römerbriefkommentares) bedeutet einen Umschlag zu einer
hauptsächlich dualistischen Gott-Welt-Antilogie. Die Wendung
hin zur ausgleichenden Mitte zwischen diesen beiden Extremen
folgt in der nachkritischen Periode (um 1931 mit
dem Buch über Anselm und dem Beginn der Kirchlichen Dog-
matik). Diese Periode wird vom Verfasser (mit einem Zitat von
Gollwitzer) auf folgende Weise beschrieben: „An Stelle des
Pathos der Distanz tritt das Pathos des Evangeliums, der frohen
Botschaft von Überwindung der Distanz." Die Synthese zwischen
der ersten und der zweiten Periode in Barths Entwicklung liegt
in dem analogen Gott-Welt-Verständnis. Der Weg der Bardischen
Theologie verläuft also „von der Immanenz über die Transzendenz
zur Transparenz Gottes." (S. 112).

In dieser späteren Lösung tritt bei Barth die Inkarnation
mehr und mehr in den Vordergrund, und die Schöpfung wird
mehr und mehr als Wirklichkeit gewürdigt, aber doch nicht als
Eigenwirklichkeit, sondern nur als Gnadenwirklichkeit. Der
prinzipielle Aktualismus der Frühzeit wird also nicht aufgegeben,
aber doch bewußt modifiziert.

Das Grundprinzip Barths ist also der Aktualismus (S. 116).
Das Sein ist ohne Substanz. Das Sein ist actus purus.
Das trifft für das göttliche Sein genauso zu wie für das außergöttliche
. Alles ist dynamisch.

In dem sachkritischen Teil der Arbeit wird die Berechtigung
dieser Bardischen Ontologie untersucht. Der Verfasser zeigt überzeugend
, wie das Sein in der Bibel weder nur statisch, noch nur
dynamisch, sondern als eine statodynamische Zweieinheit auftritt.
Auch der Himmel ist statisch gedacht. Die creatio continuata wird
als stetiger, in sich ruhender Ordo garantiert. Der Mensch ist als
statisches Gepräge geschaffen, und die Kirche wird nicht nur als
organischer Leib, sondern auch als statischer Bau verstanden. Der
biblische Seinsbegriff ist also nicht nur dynamisch, er ist s t a t o -
dynamisch (S. 121 f).

Daß vom theologischen Standpunkt aus der Aktualismus
kaum haltbar ist, zeigt sich schon in der theologischen Interpretation
der drei Glaubensartikel. Die Schöpfung „kommt aus
der in sich ruhenden Seinsmacht Gottes und durch sie hindurch
wird auch dem Menschen substantielles Sein verliehen" (Joest,
Sein und Akt, vom Verfasser falsch zitiert als Akt und Sein). In
der Erlösung spiegelt sich Gott nicht nur in der Schöpfung,
sondern er geht selbst in die Schöpfung ein. „Gott fixiert sich
im cruzifixus" (S. 123). Die Erlösung manifestiert sich in den
Heilsmitteln von Wort und Sakrament der Kirche. Die
Gnade wird statisch faßbar in den Gnadenmitteln. „Die X^QlG
wird zum %äoi.ofxa.1' (S. 123). Wird somit Gott statisch greifbar
in seiner Kirche, so ist die Heiligung doch ebensowenig wie die
Schöpfung und die Erlösung ein starrer Mechanismus,
sondern sie sind alle drei als „dynamische Lebensvorgänge
zu verstehen" (S. 123). Das schließt aber, wie der
Verfasser überzeugend zeigt, statische Züge in der Ontologie des
Glaubensbekenntnisses nicht aus.

Diese These wird dann, mit Hilfe einer philosophischen
Analyse des Substanzbegriffes, beleuchtet. Die Angst Barths vor
dem Substanzbegriff beruht auf einer Verwechslung der Materie
mit der Substanz. Aber Substanz ist mehr als Materie. Substanz