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Ausgabe: | 1966 |
Spalte: | 609-610 |
Kategorie: | Kirchengeschichte: Reformationszeit |
Autor/Hrsg.: | Ratschow, Carl Heinz |
Titel/Untertitel: | Lutherische Dogmatik zwischen Reformation und Aufklärung 1966 |
Rezensent: | Zeller, Winfried |
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609
Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 8
610
Die Anordnung des Bandes ist, wie man sieht, im Großen
sachlich bedingt, aber in dem Mittelstück chronologisch. Die
Auswahl bringt das Wichtigste, was zur Kennzeichnung Luthers
als Reformator unerläßlich ist. Die Kürzung im „Christlichen
Adel" und im „Sermon von den guten Werken" behält etwas
Mißliches, vor allem im zweiten Fall, war aber wohl unvermeidlich
im Blick auf den Umfang des Bandes. Die Gestaltung des
Textes der deutschen Schriften und die ausgezeichnete Übersetzung
der lateinischen durch den Herausgeber erweist sich auch
in diesem Bande als sachlich treu und zugleich gut lesbar. Die
Einleitungen (im „Nachwort") und die Anmerkungen zu den einzelnen
Schriften geben in Kürze das Nötigste zum Verständnis.
Paul Althaus t
Kogge, Joachim: Virtus und Res. Um die Abendmahlswirklichkeit bei
Calvin. Berlin: Evang. Verlagsanstalt [1965]. 70 S. gr. 8° = Aufsätze
und Vorträge zur Theologie und Religionswissenschaft, hrsg. v.
E. Schott u. H. Urner, 30, u. Calwer Verlag, Stuttgart.
Diese Studie stellt sich die Aufgabe, einige zentrale Begriffe
der Abendmahlslehre Calvins zu untersuchen, um den Reformator
»nicht lediglich in der Summe seiner historischen Abhängigkeiten
", sondern „aus sich selbst heraus" zu verstehen. Der
Intention Calvins selbst entsprechend geht es Vf. nicht um Darstellung
einer komplexen Abendmahlslehre, sondern um die Erfassung
der Abendmahlswirklichkeit und d. h. bei Calvin zugleich
um seine rechte Wirkung.
Ein einleitender Forschungsbericht über die wichtigste Literatur
will zeigen, daß die Interpretation des Abendmahlsverständnisses
Calvins nicht zuletzt deshalb kompliziert ist, weil der
Reformator dieselben Begriffe recht unterschiedlich gebrauchen
kann, sodaß sich die Forderung ergibt, Calvins Ringen um die
»Eigenbewältigung der Nomenklatur" genauer zu verfolgen. Was
Vf. hier anschließend in Analyse der Begriffe sacramentum,
Signum und symbolum, res und virtus auf engem Raum an feinsinnigen
Beobachtungen bringt, die bisherige Forschung z. T. aufnehmend
und bestätigend, kann nicht im Einzelnen wiederholt
werden, aber hingewiesen sei auf die zentrale Stellung, die mit
Recht dem Begriff virtus zuerkannt wird. Hier wird deutlich, daß
C. nicht nur von Aneignung der beneficia Christi reden will (wie
Heßhusen mißversteht), sondern, von Teilgabe an Christus selbst,
an seinem verum corpus — trotz räumlicher Distanz, die der
beilige Geist überbrückt. Für Calvin ist edere nicht gleich credere,
Spiritus nicht gleich ratio, virtus objektive Wirkkraft des hl.
Geistes. Darum ist „Spiritualpräsenz nicht Verflüchtigung oder
Verdünnung, sondern die vornehmste, intensivste, submilierteste,
dynamischste Möglichkeit jeglicher Gegenwart überhaupt" (S. 64).
Trotz aller bleibenden kritischen Fragen stellt Vf. fest: „Man
sollte virtus und Spiritus weder als Ausweich- oder Verlegenheitsbegriffe
für abgelehnte Materialität noch für Chriffren versuchter
Liquidation einer lebendigen Abendmahlswirklichkeit
nehmen. Es geht C. nicht um irgendwelche Früchte oder Wirkungen
, sondern um den wesentlichen Christus, um Christus
selbst" (S. 67).
Die Mahnung des Vf.s, die Interpretation der Reformatoren
nicht zu schnell zu vergessen und nicht „die Warnungstafeln des
einen zu beachten und die des anderen zu übersehen" (S. 68),
kann nur unterstrichen werden.
Bonn W. Krect
Ratschow, Carl Heinz: Lutherische Dogmatik zwischen Reformation
und Aufklärung, I. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd
Mohn [1964]. 152 S. 8°. Kart. DM 16.80.
Weithin bestimmt das Bild, das das 19. Jahrhundert von
dem Barockprotestantismus entworfen hat, noch heute die theo-
logie- und frömmigkcitsgeschichtliche Darstellung. Danach wird
der Zeitraum von der Konkordienformel bis zum Beginn des
18. Jahrhunderts von der konfessionell sich immer stärker abgrenzenden
Orthodoxie beherrscht, die ihm durch ihre feste Geschlossenheit
den Stempel einer starren Gleichmäßigkeit und
vielfach engen Mittelmäßigkeit aufdrückte. Dieser Begriff der
Protestantischen Orthodoxie ist aber im Grunde durch das
Seschichtstheologische Motiv der stets sich gleich bleibenden
Kirche geformt. Schon die frömmigkeitsgeschichtliche Erforschung
des 17. Jahrhunderts führt unumgänglich zu einer generationsweisen
Differenzierung, die das eigenständige Fragen und Antworten
der Generationen von Philipp Nicolai und Johann Arndt
bis hin zur Reformorthodoxie sichtbar werden läßt.
Daß die Theologiegeschichte mit jenem flächigen Bild der
lutherischen Orthodoxie zu brechen hat, das den Kompendien des
vorigen Jahrhunderts zugrunde lag, beweist das vorliegende Werk
eindrücklich. Die simple Einheitlichkeit und Unangefochtenheit
der Barockdogmatik enthüllt sich schlechterdings als eine nicht
mehr haltbare Illusion. Der Verfasser hat daher den ursprünglichen
Plan einer Neubearbeitung der „Dogmatik der evangelischlutherischen
Kirche" von Heinrich Schmid aufgegeben. Er hat
vielmehr einen zweifachen Weg eingeschlagen. Einmal soll der
Abdruck der „Theologia positiva acroamatica" des Johann Friedrich
König (Rostock 1664) einen Einblick in eines der großen
Systeme der lutherischen Orthodoxie vermitteln. Zum anderen
aber führen sorgfältig ausgewählte Belege in die Entwicklungsgeschichte
der Barockdogmatik ein. Auf diese Weise gewinnt der
Leser einen Eindruck von der Vielschichtigkeit der theologischen
Fragestellungen, zu denen jede Generation neue Gesichtspunkte
beitrug.
Das erste Kapitel ist vor allem dem orthodoxen Begriff der
Theologie gewidmet. Ihre durch Johann Gerhard vollzogene Einreihung
unter die „praktischen Wissenschaften" macht zugleich
die analytische Methode erforderlich. Im zweiten Kapitel dürften
besonders die Ausführungen über Wort Gottes, Schrift und
Kanon auf Interesse stoßen. Die jeweils neuen Fragestellungen,
die sich etwa aus der römischen Traditionslehre oder auch aus
dem schwärmerischen Begriff der Dunkelheit der Schrift ergaben,
haben die Orthodoxie zu immer präziseren Überlegungen veranlaßt
. Aber auch dort, wo für das Schriftverständnis metaphysische
Kategorien übernommen wurden, bildet doch die
Soteriologie stets den bestimmenden Gesichtspunkt. Daher geht
es bei der im dritten Kapitel behandelten Lehre von den
Glaubensartikeln um den Glauben als ein soteriologisch ausgerichtetes
Gesamtverständnis, das die Dogmatik durch gültige
Schlußfolgerungen zu entfalten hat.
Möge dieses Werk zu einem neuen vertieften Verständnis
der theologiegeschichtlichen Eigenständigkeit und Vielschichtigkeit
der lutherischen Barockdogmatik beitragen!
Marburg/Lahn Winfried Zeller
KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT
G o e n , C. C: Revivalism and Separatism in New England, 1740—1800.
Strict Congregationalists and Separate Baptists in the Great Awa-
kening. New Häven-London: Yale University Press 1962. X, 370 S.
gr. 8° = Yale Publications in Religion, ed. by D. Hörne, 2. Lw. $ 7.50.
Das vorliegende Buch ist eine Doktordissertation der Yale
University, für den Druck mehrfach erweitert und umgearbeitet.
Sie stellt einen überaus wertvollen und auf gründliche, subtile
Quellenstudien gegründeten Beitrag zur amerikanischen Kirchengeschichte
dar. Sie zeigt die große Erweckungsbewegung um die
Mitte des achtzehnten Jahrhunderts in ihrer Auswirkung auf die
bereits bestehenden kirchlichen Gemeinden kongregationali-
stischer Prägung. Der erste Satz der Vorrede ist dafür bezeichnend
: "The Great Awakening in New England brought not peace
but a sword." Ein besonderer Wert der Untersuchung liegt in den
genauen Quellenstudien, zu denen die Archive, die Flugschriftenliteratur
der Erweckungszeit sowie die Lokalgeschichten von
Siedlungen und Städten im weitesten Maß herangezogen worden
sind. Daher verfügt das Werk über einen großen Materialreichtum
, der aber wohl verarbeitet dargeboten wird. So hat der Verfasser
beispielsweise auf den Seiten 302—326 eine Liste der entstandenen
separierten Kirchengemeinschaften gegeben, aufgegliedert
nach Stadt bzw. Parochie, Datum der Separation, nach
den Namen der dabei beteiligten Prediger und Pfarrer, nach Taufdaten
, nach weiteren baptistischen Predigern, die in diesen separierten
Gemeinden wirkten. Jeweils in der letzten Spalte dieser
Liste sind einige kurze kommentierende Bemerkungen gegeben.
Veranschaulicht wird diese Liste durch zwei beigegebene Karten,