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Ausgabe:

1966

Spalte:

608-609

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Der Reformator 1966

Rezensent:

Althaus, Paul

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 8

608

Gottes seine Einheit gewährleistet, denn in Gott sind alle Attribute
in unendlicher Vollkommenheit vorhanden.

In einem dritten Kapitel wird dann gezeigt, wie Duns mit
Hilfe des formalen und des reinen Seins die Probleme im Aufbau
des trinitarischen Seins zu lösen vermag, wobei der Zusammenhang
mit dem kreatürlichen, endlichen Sein gewahrt bleibt, so
daß eine natürliche Theologie möglich ist.

Diese knappe Aufzählung der behandelten Probleme muß
genügen, da sich die Gedankenführung des Duns Scotus nicht in
Kurzform wiedergeben läßt. Wölfel weiß das sehr wohl und
spricht es auch aus. Durch zahlreiche Zusammenfassungen verdeutlicht
er den jeweiligen Gedankenfortschritt, da er offensichtlich
befürchtet, daß dem Leser der Faden gerissen ist. Es ist ihm
gelungen, die Entstehung der distinctio formalis und ihre zentrale
Bedeutung für die gesamte Ontologie des Duns Scotus darzustellen
.

Die vorliegende Arbeit verdient nicht nur wegen ihres dargestellten
Stoffes Beachtung, sondern auch wegen ihres theologiegeschichtlichen
Ortes. Da ist zunächst die Tatsache festzuhalten,
daß die Arbeit als Habilitationsschrift bei der evang.-theol.
Fakultät in Erlangen-Nürnberg eingereicht und in die „Beiträge
zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters"
aufgenommen wurde, die bekanntlich ein wichtiges Organ der
katholischen Erforschung der Scholastik sind. Es gibt also in
unserer Zeit nicht nur von den Evangelischen anerkannte katholische
Darstellungen der reformatorischen Theologie, sondern
ebenso von Katholiken anerkannte evangelische Darstellungen
scholastischer Theologie. Dieses Mühen um die gegenseitigen
Voraussetzungen des theologischen Denkens ist ein wichtiger
und notwendiger Schritt zu einem sinnvollen Gespräch zwischen
den beiden Partnern. Den Dogmenhistorikern fällt hier eine große
und verheißungsvolle Aufgabe zu.

Wölfel wendet sich in seiner Arbeit gegen zwei Theologen:
Thomas von Aquin und Karl Barth, weil der eine eine falsche
und der andere gar keine Metaphysik in seiner Theologie hat.

In der Kritik an Thomas folgt Wölfel meist Duns Scotus. Er
sieht bei Thomas die christliche Gottesvorstellung allzusehr von
einem griechisch-metaphysischen Denken umklammert, so daß die
Personhaftigkeit Gottes verkürzt wird. Da Duns Scotus der Person
Gottes mehr Raum schafft, tritt er bei Wölfel als Verbesserer
der Theologie des Thomas hervor. Für Wölfel ist Duns Scotus
der „unbestrittene Höhepunkt der systematischen Theologie des
Mittelalters" und gegenüber Thomas der Bessere. Das kann doch
nur bedeuten: Wenn schon scholastische Theologie, dann skoti-
stische und nicht thomistische. Wölfel stimmt damit in die franziskanische
Kritik am Neuthomismus ein, die den thomistischen
Theologen noch vor schwere Aufgaben stellen wird.

Wölfel zielt aber vor allem auf eine Auseinandersetzung mit
der sogenannten dialektischen Theologie. Er greift Karl Barths
Ausspruch an, daß „der Heilige Geist der abgesagte Feind aller
Metaphysik" sei. Wölfel geht es um die Möglichkeit einer natürlichen
Theologie. Eine Repristination des Duns Scotus lehnt er
ausdrücklich ab. Aber er läßt sich von Duns Scotus fragen, ob es
heute nicht eine neue Ontologie und eine entsprechende Zusammenarbeit
von Philosophie und Theologie geben könnte, da
ja die Sachfragen nicht erledigt seien. Und er sieht gerade dadurch
die Geschichtlichkeit ernst genommen, daß die Tradition durchgearbeitet
und aus ihr Hilfe für die Gegenwart gewonnen wird.
„Der homo viator blickt auf zu den Bergen, auf denen das Licht
des Geistes liegt als zu solchen, von denen ihm Hilfe kommt."
Ein Berg des Geistes aber ist Duns Scotus.

Wölfel weiß wohl, daß zur Geschichtlichkeit auch die Treue
zum eigenen Saeculum gehört. Und diese Seite darf keineswegs
übersehen werden. Duns Scotus hat keine eigene Ontologie entwickelt
, sondern die vor ihm vorhandene und zu seiner Zeit an
allen Schulen gelehrte Ontologie aufgenommen und korrigiert,
um die christlichen Glaubensaussagen im Rahmen dieser Weltanschauung
möglich und widerspruchsfrei zu machen. Dabei hat
er dann freilich auch selbst an der Weiterentwicklung dieser Weltanschauung
mitgewirkt. Und dieser Versuch, eine Synthese
zwischen der zeitgenössischen, vorgegebenen Philosophie und der

Theologie herzustellen, war allen Scholastikern eigen. Ihre verschiedenen
Ergebnisse beruhen nicht nur auf ihren unterschiedlichen
Theologien, sondern vor allem auch auf dem Wandel der
Philosophie, was in diesem Zeitraum weitgehend der Geschichte
des Aristotelismus gleichkam, der durchaus nicht eine so konstante
Größe war, wie es bei Wölfel den Anschein erweckt. Da sich das
Aristotelesverständnis änderte, stellte jede Generation der Theologie
eine neue Aufgabe und verlangte eine neue Lösung. Von
diesem Gesichtspunkt aus fällt es schwer, gerade eine Lösung, die
zunächst eben doch die Lösung für die eigene Zeit war, als Höhepunkt
zu bezeichnen.

Die Aufgabe für die heutigen Theologen kann keine andere
sein als die der Scholastiker, wenn sie nicht grundsätzlich jede
Beziehung zu einem natürlichen, d. h. von der Offenbarung noch
nicht erleuchteten Denken leugnen wollen. Dann kann es aber
auch nicht das Ziel der Theologie sein, eine neue Ontologie hervorzubringen
oder eine zeitgemäße Scholastik zu entwickeln, sondern
die Theologie muß die vorhandenen Weltanschauungen aufgreifen
und umformen, so daß in ihnen Raum für die christliche
Gottesvorstellung geschaffen wird und sie zum Gefäß des Evangeliums
werden können. Diese Aufgabe ist heute wegen der Vielfalt
der Anschauungen schwerer als im Mittelalter. Es kann
aber durchaus sein, daß heute z. B. die Psychologie die Stelle
einnimmt, die zur Zeit des Duns Scotus die Ontologie einnahm.
Die Scholastiker werden uns daher nicht so sehr durch ihre
Lösungen helfen können, als vielmehr dadurch, daß sie uns Aufgaben
und Möglichkeiten theologischen Denkens zeigen.

Leipzig Hehnar Junghans

KIRCHENGESCHICHTE: REFORMATIONSZEIT

Luther deutsch. Die Werke Martin Luthers in neuer Auswahl
für die Gegenwart hrsg. von Kurt Aland. Band 2: Martin Luther
der Reformator. Stuttgart: Klotz, u. Göttingen: Vandcnhoeck &
Ruprecht 1962. 400 S. Lw. DM20.—.

Den Kern dieses Bandes bilden die Schriften Luthers von
1517 bis 1520, in denen der Reformator Luther auf den Plan
tritt: die Ablaßthesen und die Resolutionen (in Auswahl) 1517/18»
der Sermon von Ablaß und Gnade 1518, die Thesen zu der
Leipziger Disputation, dann die großen Reformationsschriften
von 1520 mit dem Sermon von den guten Werken; der „Freiheit
eines Christenmenschen" ist der Sendbrief an den Papst Leo X-
beigegeben. In dem Sermon von den guten Werken sind die Abschnitte
über die Gebote der Zweiten Tafel fortgelassen; von der
Schrift an den christlichen Adel bringt der Band nur die grundsätzlichen
Ausführungen, nicht die praktischen Reformvorschläge:
bei der „Babylonischen Gefangenschaft der Kirche" werden einige
meist kürzere Stellen fortgelassen, deren Inhalt aber in den Anmerkungen
jeweils kurz wiedergegeben wird. Als begleitenden
Kommentar zu dem Geschehen bietet Aland dann drei kleinere
Schriften: Luthers Rechenschaft über die Verbrennung der Bücher
1520, den Brief an den Wormser Reichstag 1521 sowie ein Stück
aus der Schrift „Zwei kaiserliche uneinige und einander widersprechende
Gebote, den Luther betreffend", 1524, zum Wormser
Edikt. — Diesem Mittelstück des Bandes sind vorangestellt drei
autobiographische Berichte Luthers über seinen Werdegang zum
Reformator: das „große Selbstzeugnis" aus der Vorrede zum
ersten Bande der lateinischen Reihe der Wittenberger Ausgabe
von 1545, dazu ein Stück aus der Schrift wider Herzog Heinz von
Braunschweig, 1541, das den Ablaßstreit behandelt, sowie die
Zuschrift an Staupitz vom 30. Mai 1518, der Begleitbrief zu den
Resolutionen. Der Mitte des Bandes folgen schließlich Stücke,
welche die Reformation Luthers an Einzelgebieten aufzeigen:
Luthers Thesen über die Klostergelübde 1521 (sie erscheinen hier
zum ersten Mal in einer Auswahlausgabe der Schriften Luthers),
der Brief an seinen Vater vom 21. November 1521, der Schluß
der „Vermahnung an die Geistlichen" 15 30 sowie die Streitschrift
„Wider das Papsttum zu Rom", 1545, in Auswahl des Wichtigsten
. Die Thesen über die Klostergelübde sollen zugleich die
große Schrift De votis monasticis 1521 vertreten, welche die
Ausgabe aus Raum- und sachlichen Gründen (S. 396) nicht bringen
konnte.