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Ausgabe:

1966

Spalte:

591-593

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Steffen, Uwe

Titel/Untertitel:

Das Mysterium von Tod und Auferstehung 1966

Rezensent:

Jursch, Hanna

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 8

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sagegehalte, die die Strukturen großkirchlicher Theologie bereits
deutlich erkennen läßt.

Es braucht kaum noch besonders betont zu werden, daß der
Verfasser nicht nur seine Ergebnisse in ständigem Gespräch mit
der evangelischen Forschung entwickelt, sondern auch in starkem
Maße bestimmt ist durch die im letzten Jahrzehnt dominierende
Sicht der Dinge.

Das gilt in Sonderheit von der Beurteilung der lukanischen Theologie
. Hier ließen sich einige Linien noch weiter ausziehen: Gerade im
Blick auf Lk., der im Prinzip auf das 2-Äonen-Schema verzichtet hat.
wird deutlich, daß die nicht mehr an der Naherwartung orientierte Interpretation
des Heilsgeschehens bereits ihren festen Platz im NT. hat.
Von da aus wären dann Eigenart und Anliegen der Eschatologie des
i. Clem. kritisch und positiv zu würdigen. Das betont theologische
Interesse des Autors legte es nahe, Clem. vor allem an Paulus zu
messen, etwa im Verständnis der Hoffnung oder in der Entfaltung der
Dialektik des Glaubens. Hier stellt sich die Frage, ob das — freilidi
schwer faßbare — Griechenchristentum vor und neben Paulus nicht näher
bei Clem. steht. Der Vergleich mit Hebr., wie er bei vnofiovri (S. 250 ff)
So eindrucksvoll durchgeführt wurde, verdeutlicht hier manches.

Solche Fragen erscheinen angemessen angesichts des Ranges
einer Studie, die weit mehr bietet als der Titel ahnen läßt: eine
von einem einheitlichen Blickpunkt entworfene Darstellung der
Gedankenwelt des 1. Clem., die die Unterschiede der Theologie
dieses nachapostolischen Sendschreibens zu der der ntl. Schriften
scharf markiert.

Werner Georg Kümmels Hinweis auf das völlige Fehlen von
„Arbeiten, die den sachlich berechtigten Ausschluß der nachapostolischen
Literatur aus dem NT nachweisen" (ZThK 47,
1950, S. 312, A. 2), machte auf eine empfindliche Lücke unserer
Forschung aufmerksam und weckte den Wunsch, sie bald geschlossen
zu sehen. Was den 1. Clem. angeht, so ist ihm mit der
angezeigten Arbeit in vorbildlicher Weise Genüge getan.

Halle/Saalo Wolfgang W i e f e 1

KIRCHENGESCHICHTE: ALLGEMEINES
UND TERRITORIALKIRCHENGESCHICHTE

Steffen, Uwe: Das Mysterium von Tod und Auferstehung. Formen
und Wandlungen des Jona-Motivs. Göttingen: Vandenhoeck &
Ruprecht [1963]. IV, 291 S. m. 28 Abb. i. Text, 16 Taf. gr. 8°. Lw.
DM 29.80.

Der Verfasser bemüht sich, das Mysterium von Tod und Auferstehung
an einem Einzelbeispiel, dem des Jona-Motivs, lebendig
zu machen. Vertieft man sich in den Aufriß, so wird klar, daß das
Jona-Motiv des Alten Testamentes die Mitte des Buches bildet,
daß dieses Motiv eine lange Vor- und eine sehr differenzierte
Nachgeschichte hat.

In drei Kapiteln ist vorbereitend von der mythischen Bildersprache
, von den Verschlingungsmythen und -Riten (Religions-
phänomenologie) und von der verschlingenden Mutter (Tiefenpsychologie
) die Rede, — Kapitel, die dem Religionshistoriker
reiches Material bieten und zeigen, daß es sich bei dem Jona-Motiv
(Verschlingungsmotiv) um eine Grundstruktur menschlichen Erlebens
handelt. Gegenüber der tiefenpsychologischen Mythendeutung
werden berechtigte Bedenken angemeldet.

Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit Jona im Walfischbauch.
Die nächsten religionsgeschichtlichen Parallelen (Arion- und Heraklessage
, indische Erzählungen usw.) werden herangezogen, und es
wird wahrscheinlich gemacht, daß das Verschlingungsmotiv aus
Syrien nach Israel gekommen ist. Das Entscheidende aber ist die
Umformung des Motivs durch den jüdischen Glauben. Wichtig ist
nicht, ob Jona als Prophet oder als Typus Israels verstanden ist,
sondern wichtig ist allein die Deutung des Verschlingungsmotivs,
die Umformung durch den Gottesglauben. Jona flieht, weil er Gott
nicht versteht, durch das Gebet aus der Tiefe unterwirft er sich dem
Willen Gottes. Ein inneres Geschehen ist in die Sprache des Mythos
gekleidet. Meer und Fisch sind keine mythischen Größen
mehr, sondern Werkzeuge Gottes. Das Mysterium besteht in der
inneren Wandlung und Erneuerung des Propheten. Die Wiedergeburt
ist kein magischer Akt, sondern rettende Tat Gottes und
Tun des Menschen durch die Unterwerfung im Gebet. Das Verschlingungsmotiv
im Jonabuch ist weder Ausdrifckr eines naturmythologischen
noch eines rein innerseelischen Geschehens, sondern
Ausdruck eines Glaubensgeschehens.

Das fünfte Kapitel ist dem Jona-Motiv in der Kunst gewidmet
. Ein Überblick von der Spätantike bis zur Gegenwart bietet
eine Fülle guter Beobachtungen, jede Zeit hat die ihr eigene Jona-
Deutung in der Kunst gefunden. Natürlich ist auch hier das mythische
Motiv christlich umgedeutet. Interessant ist, daß es sich häufig
an Kirchenportalen, an Säulen, an Taufsteinen, an Kanzeln findet.
Vom Symbol der Auferstehungshoffnung (Spätantike) bis zum
Symbol des Menschen, der der Hölle entrann (Gegenwart), ist die
Analyse des Motivs in der Kunst durchgeführt und durch einleuchtende
Beispiele belegt.

Das sechste Kapitel behandelt das Jona-Motiv als Typus. Das
Mysterium der Wiedergeburt, im Verschlingungsmotiv dargestellt,
wird als zentral biblisches Motiv verstanden. Das Jona-Motiv kann
einmal Ausdrude einer typisch menschlichen Situation sein, zum
anderen heilsgeschichtliche Vorausdarstellung von Tod und Auferstehung
Christi. Die heilsgeschichtliche Deutung ist im Neuen Testament
selbst bereits vollzogen worden, so daß es nicht erstaunlich
ist, daß im christlichen Denken die Jona-Geschichte erst bedeutungsvoll
wird als Vorbild auf Christus hin. Der Verf. behandelt
ausführlich die biblischen Entsprechungen zum Jona-Motiv. Sie sind
alle entweder Typus auf das Mysterium Christi oder Typus auf das
Mysterium der Taufe (z. B. Daniel, Quellwunder, Heilung des
Blindgeborenen usw., es wird eine Fülle von Beispielen geboten).

Das siebente Kapitel beschäftigt sich mit dem Mysterium
Christi und ist theologisch das Kernstück des Buches. Der Verf. beginnt
mit dem schwierigen Versuch einer Definition (S. 175) und
bemüht sich alsdann, das Verhältnis des christlichen Mysteriums zu
den antiken Mysterien zu klären. Ein Stück Forschungsgeschichte
in vier Etappen wird vor uns aufgerollt. Es wird eine strukturelle
(nicht inhaltliche) Übereinstimmung zwischen den antiken Kulten
und dem Christentum in bezug auf die Wiedergeburt durch Sterben
und Auferstehen herausgearbeitet. Die folgenden Ausführungen
zeigen, wo das Jona-Motiv in den christologischen Aussagen
zu finden ist. Es wird vor allem deutlich in den Berichten von der
Geburt, der Taufe und der Höllenfahrt Christi. Es sind „die verschiedenen
Elemente des Verschlingungsmotivs von den Christen
aufgenommen worden, um damit die Heilsbedeutung von Jesu Tod
und Auferstehung auszudrücken" (S. 201). Eine Erörterung über
den verkündigten Christus und den historischen Jesus schließt sich
hier an. Der Weg Christi im Neuen Testament entspricht der
Grundstruktur des Helden in den mythischen Erzählungen. Besonders
in den historisch nicht faßbaren Abschnitten des Lebens Jesu
sind Motive der mythischen Biographik verwandt, aber alle diese
Motive sind in christlichem Geist umgeformt. Es geht dem Verf.
darum, die Kontinuität zuischen dem historischen Jesus und dem
verkündigten Christus aufzuzeigen. Der theologische Standort des
Verf. ist aus der Zitation Robinsons zu ersehen: „Das Kerygma —
ganz gleich von wieviel mythologischen Konzeptionen es Gebrauch
gemacht haben mag, um seine Botschaft auszurichten — proklamiert
keine mythologischen Ideen, sondern die existentielle Bedeutsamkeit
einer historischen Person" (S.205). Abschließend wird über die
Bedeutung des mythischen Bilddenkens gehandelt. Sicherlich ist es
eine bleibende Struktur menschlichen Denkens. Aber ob sich die
Tiefendimension der Wirklichkeit nur in Bildern und Symbolen
ausdrücken läßt, wird der Leser zum mindesten fragen dürfen. Und
daß die einzige universelle religiöse Sprache die der Symbole ist,
dürfte nicht uneingeschränkt Zustimmung finden.

Das achte Kapitel handelt vom Mysterium der Taufe. Im
Grunde gibt es nur ein christliches Urmysterium: Christus selber,
alle sakramentalen Handlungen sind nur dessen Erscheinungsformen
. Wie im vorigen Kapitel wird auch hier ein Stück
Forschungsbericht über das in den letzten Jahrzehnten neuerwachte
Interesse am Sakrament gegeben und positiv und
negativ richtig eingeschätzt. Und wie im vorigen Kapitel,
wird auch hier wieder das christliche Taufmysterium mit
den heidnischen Mysterien verglichen. Auch das Ergebnis liegt in
der gleichen Linie: Als Eingangssakrament gehört die Taufe phänomenologisch
in den Zusammenhang mit den Einweihungsriten
der Mysterienkulte. Dem Christusmythos entspricht der Taufritus,