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Ausgabe:

1966

Spalte:

581-583

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Richter, Wolfgang

Titel/Untertitel:

Die Bearbeitungen des 'Retterbuches' in der deuteronomischen Epoche 1966

Rezensent:

Herrmann, Wolfram

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 8

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Mißverständnis auf Seiten des Lesers, weil dieser nicht deutlich
genug auszumachen versteht, was der Verfasser mit Apokalyptik
und Eschatologie meint (S. 301 ff)? So könnte die Reihe der
Anfragen, Einwände und Entgegnungen beliebig fortgesetzt
werden, aber es ist hier nicht der Ort dazu. Manchmal ist es schon
eine Überschrift, die aufmerken läßt (z. B. „Der Totenglaube"
auf S. 218). Eines wird durch die beständige Anregung zur Aussprache
mit dem Autor sehr deutlich: Auch die „Geschichte der
israelitischen Religion" hat — vielleicht gegen den Willen und die
Absicht ihres Verfassers — Anteil an den vielen ungelösten Fragen
und Problemen, die gegenwärtig in bezug auf die „Theologie
des Alten Testaments" diskutiert werden.

Einige Corrigenda: S. 99 Anm. 26: Nach der J-, nicht nach der
P-Erzählung soll Noah sieben Paare von den reinen Tieren zu sich nehmen
. Auf S. 107 Mitte muß es wohl 2. Sam. 7, 14 f heißen. Auf S. 123

4. Zeile von unten lies: Im Dcuteronomium . . . Auf S. 160 9. Zeile von
oben lies: An einigen Stellen... Auf S. 279 12. Zeile von oben lies:
Nehemias statt Nehcmjas.

Leipzig Siegfried Wagner

Richter, Wolfgang, Dr.: Die Bearbeitungen des „Retterbuches" in
der deutcronomischen Epoche. Bonn: Hanstein 1964. XVIII, 148 S. gr.
8° = Bonner Biblische Beiträge, hrsg. v. F. Nötscher u. K. Tb. Schäfer,
21. DM 38.-.

Mit der vorliegenden Arbeit führt R. seine Llntersuchungen
zum Richterbuch fort und baut auf den Ergebnissen seines vorher
erschienenen Buches weiter: „Traditionsgeschichtliche Linter-
suchungen zum Richterbuch", BBB 18, 1963 (Bespr. ThLZ 89,
1964, 8 31—8 34). Die Betrachtung erstreckt sich über die Kapitel
2—12, wobei der Blick immer wieder nach rückwärts und nach
vorn geht und gehen muß, weil die redaktionellen Teile des
Buches die Heldenerzählungen in einen größeren Rahmen einspannen
. In der kurzen einführenden Erörterung S. 1 f wird nichts
darüber gesagt, warum die Kapitel 13—21 ausgeklammert bleiben.
Das ergibt sich aus der dieser voraufgehenden Veröffentlichung.

Den Erörterungen vorausgeschickt ist ein umfangreiches Literaturverzeichnis
, und am Schluß des Buches finden sich ein Stellen- sowie
Namen- und Sachregister.

Es ist eine ganze Reihe von Druckfehlern stehengeblieben: S. 6 in
Anm. 15 äußerst statt äußert, S. 7 Z. 6 19 statt 16, S. 8 Anm. 21 53 statt
5L S. 15 Z. 15 11 statt 10, S. 16 Z. 9 11 statt 10, S. 19 Anm. 47 Hisikia
»att Hiskia, S. 23 Anm. 60 nach „sei"; statt, S. 47 Z. 16 20 statt 21,

5. 48 Z. 12 rWCST statt JHD1TP, S. 51 bei 10, 8 f IX^-Pl statt "BÖTl,
S. 52 Z. 23 iThf statt vb?, S. 75 Z. 24 Vorn statt vorn, S. 83 Z. 16
Wiegt statt Es liegt, S. 135 Z. 23 auschließlich statt ausschließlich. Ferner
muß es S. 29 Z. 8 doch wohl fTÜHJ statt WS heißen, S. 114 Z. 14
muß umschrieben werden: mösia' (nicht mösl'a, so audi im Namen- und
Sachregister), S. 120 muß b? Z. 16 vor ttF V? "7:? Z. 15 gelesen
Werden. Auch zum Literaturverzeichnis sind einige Besserungen anzumerken
: bei Jepsen wäre noch die 2. um einen Nachtrag ergänzte Auflage
1956 zu nennen gewesen, bei Möller: Titel ohne „die", Selms:
nur A. van (ohne „der"), Snaith: Norman (ein n!), bei Ubach lies
hieces (statt Jutges) und unter de Wette muß es in der letzten Zeile
Schräder (nicht Schraeder) heißen.

Es finden sich manchmal auch unglückliche Formulierungen, wie
Z-B. S. 12 f: „Die Analyse dieses Schemas gehört also nicht mehr zum
vorliegenden Themenkreis, wohl aber die Frage nach dessen Funktion
innerhalb des Bearbeiters, der es eingebaut hat, . . ." Man sagt doch auch
nicht „Söhne Israels" (S. 5) oder „Kinder Israels" (S. 20), sondern „Israeliten
".

Leider setzt sich R. oft in einer etwas schulmeisterlichen Weise mit
anderen Forschern auseinander. Besonders bedauerlich ist es aber, wenn
man S. 46 Anm. 139 in einer Auseinandersetzung mit Budde den Satz
''est: „Dieses Verfahren muß wegen Einführens einer Unbekannten
methodisch als unsauber bezeichnet werden". So kann man nicht mit den
Vätern der alttestamcntlichen Wissenschaft umspringen, ohne deren
n°ch zu bewertende Leistungen die heutige Arbeit, auch und gerade
wenn sie zu anderen Urteilen gelangt, undenkbar ist.

R. erweist sich als sehr belesen. Er hat alle zur Sache gehörige
Literatur herangezogen, und man darf ihm verständnisvolle und
gründliche Behandlung des Textes nach literar- und gattungskritischen
Prinzipien und viele richtige Beobachtungen zubilligen.

Er geht von der These aus, daß es ein die Kapitel 3-9 umfassendes
„Retterbuch", in dem die einzelnen Hcldengeschichten
gesammelt waren, gegeben hat, das erst nachträglich „deutero-

nomistisch" bearbeitet wurde. Diesen schon längst als redaktionell
erkannten Partien wendet sich die Untersuchung zu. R. nimmt drei
Bearbeitungen an. Dabei unterscheidet er das „Retterbuch" mit
den ersten beiden Bearbeitungen vom in das dst. Geschichtswerk
eingegliederten „Richterbuch" (S. 115):

1. Das Retterbuch erfuhr durch den Rahmen — 3, 12. 14.
15 a. 30. 4, 1 a. 2 f. 23 f. 5, 31 b. 6, 1. 2 a. 6. 8, 28 - eine Neuauflage
(Rdtx: 3, 12—8, 3 5). Sie hat eine gesamtisraelitische Konzeption
und ist vielleicht anläßlich der Restauration des Heerwesens
durch Josia entstanden. Der Rahmen spricht u. a. von der
LInterwerfung der Feinde und der Ruhe im Lande. Diese Bemerkungen
bringen den Rahmen nach R. in den Zusammenhang mit
dem Kriege.

2. Dieses Retterbuch erfuhr eine erneute Ausgabe, indem 3,
7—11 a a (R.: Beispiclstück) vorangestellt wurde (Rdt2, auf priesterliche
Kreise zurückzuführen), und zwar in zeitlich geringem
Abstand von Rdt,. Das Dtn war offenbar aufgefunden, denn die
neue Ausgabe brachte eine „moraltheologische Wertung" (S. 114).
Sie wollte das Retterbuch verstanden wissen als eine Sammlung
von Beispielen für den Zusammenhang von Jahwekult und Kriegsglück
— Fremdgötterkult und kriegerischem Mißerfolg. Hier diente
die Tradition der Paränese.

3. Danach erfolgte die Einfügung in das dst. Geschichtswerk
durch die „Einleitungen" 2, 7—19. 10, 6—16, die Chronologie, die
kleinen Richter, die Samgar-Notiz. Später ist dann noch eine
Reihe von Zusätzen gemacht worden.

Dies die Sicht R.s. Er kommt dazu durch eine weitschichtige Analyse
, bei der nach den syntaktischen und stilkritischen Maßstäben, wie
sie R. in seiner ersten Veröffentlichung anwandte und begründete, auch
hier vorgegangen wird, m. E. freilich in zu einseitiger Weise. Die Analyse
trennt R. in Literarkritik und Gattungskritik. Dazu ist das gleiche
anzumerken, was schon Reventlow in seiner oben genannten Besprechung
betonte, daß es nämlich sehr fraglich erscheinen muß, ob ein derartiges
Verfahren der Sache dient und überhaupt möglich ist, da man im
vorliegenden Falle die litcrarkritischen und gattungskritischen Probleme
schwerlich voneinander trennen kann. So wird mitunter Zusammengehöriges
aueinandergenommen und in den litcrarkritischen Erörterungen
stillschweigend mit Prämissen gearbeitet, die erst später zur Sprache
kommen. Und die Folgerungen, zu denen R. kommt, kann man nur in
den seltensten Fällen mitvollziehcn. Denn im wesentlichen gründen sie
sich auf die Beobachtung von Formeln und Wendungen. Die Bceriffe
„Schema" und „Formel" werden stark betont und manchmal überbewertet
. Die Methode einer Analyse nach Stil und Wortwahl allein darf
aber nicht überstrapaziert werden.

Die Tatsache, daß sich keine der „Formeln", die R. in den redaktionellen
Stücken glaubt aufweisen zu können, in Dt 1—3 finden, ist z. B.
für ihn Anlaß, den Abschnitt einer anderen Hand zuzuweisen als die
„Einleitungen" des Richterbuches und 1 Sam 12 (S. 79). Weil der Satz
Jo 24, 31 nach der Bemerkung über Tod und Begräbnis Josuas (V. 29 f)
folgt, was R. für sinnvoller hält, die gleichen Sätze Ri 2, 7—9 aber in
umgekehrter Reihenfolge stehen, hält R. 2, 7 für jünger als die Verse
6. 8 f. Daß sich "Vl*1f1 V. 10 auf die Ältesten V. 7 bezieht, sei ferner ein
Zeichen dafür, daß die Verse 7 und 10 zusammengehören. Da der Anfang
von V. 10 eine Bemerkung über den Tod Josuas dann aber verlangt
, erklärt R. eine solche für ausgefallen, als V. 8 f eingeschoben wurden
. Es ist eben immer wieder die Frage, ob man mit der Annahme
solcher komplizierter literarischer Vorgänge wirklich das Richtige treffen
kann, da wir genügend Beispiele dafür haben, daß durch Zusammenwachsen
und Erweitern oder Glossieren Doppelungen entstanden sind
und getrost stehengelassen wurden. Obendrein ist die Folge der Verse
7—10 durchaus sinnvoll und einem planmäßig arbeitenden Autor zuzutrauen
. Ferner muß man fragen, warumbNTOT PN EZElD'n 3, 10, was R.
für einen Zusatz hält, nicht von Dtr stammen kann, der den Abschnitt
V. 7—11 selbst formulierte — deshalb steht dieser Abschnitt formal nicht
auf der gleichen Linie wie die übrigen Rettergechichten — und da
natürlich in dem Sinne sprach, wie er die Rettergestalten verstand. Die
Schwierigkeiten, welche der Abschnitt der Erklärung in den Weg legt,
lösen sich nicht besser, wenn man an eine ältere Hand als die des Dtr
denkt (S. 23—25). Unbegreiflich bleibt es, wenn R. sagt, die Wendung
yiDiB Dp-1! 3, 9 begegne weder im Rahmen noch in den Einleitungen,
denn aus der nächsten Umgebung ist auf 2, 16 und 3, 15 a zu verweisen.
Und wenn er weiterhin sagt, der 137 -Begriff werde nur hier zugleich
im politischen wie im religiösen Sinne verwendet, während er im Rahmen
nur im politischen, in 2,11—19 und 10,6—16 aber nur im religiösen
Sinne verwendet wird, so ist es schwer einzusehen, warum dieses Argument
mit dazu dienen soll, drei verschiedene Hände zu postulieren. Weil
sich von den aufeinanderfolgenden Gliedern des Rahmens nur das erste