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Ausgabe:

1966

Spalte:

577-578

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Clements, Ronald Ernest

Titel/Untertitel:

God and temple 1966

Rezensent:

Ringgren, Helmer

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 8

578

klar, wie dadurch die Gewinnung eines abgerundeten historischen
Bildes erschwert wird, stellt aber gerade auch die Aussagen zeitlich
auseinanderliegender Zeugnisse mit Glück in die Betrachtung
der alttestamentlichen Mittlervorstellung ein. Verschiedene Entwicklungslinien
in der Einschätzung des Mittlers treten hervor.
J-'ie großen Bundesmittler der vorköniglichen Zeit haben keine
Nachfolger. Die Heilsvermittlung durch die Könige erweist sich
von beschränktem Umfang; nur David wird durch den Deutero-
nomisten zu einem auch für spätere Zeiten wichtigen Heilsgaranten
, ohne daß es doch je zu einer Vergöttlichung des Königs
käme. Im übrigen läßt sich ein Zurücksinken von der früheren
Autorität als politischer Führer, Richter und Opferer auf die Linie
eines bevorrechteten Volksgliedes wahrnehmen, das sich etwa
s^it Hiskia im Gebet mit dem Volke in der Wir-Form zusammenschließt
und die früher übliche Ich-Form aufgibt. Sogar eine
eigentliche Mittlerfunktion, die über die Zuwendung des „Königsheils
" an das Volk hinausgeht, wird zweifelhaft; und vollends
scheint eine Sühnung nicht von ihm erwartet zu werden.

Umgekehrt bewegt sich die Schätzung der Priester als Heilsmittler
in aufsteigender Linie, indem zum Opfern und Segnen seit
dem Exil auch die Fürbitte und Sühnebeschaffung hinzukommt
und damit die Herstellung des rechten Verhältnisses zu Gott zum
zentralen Heilsgut wird.

Die Propheten erscheinen als Bundesmittler in erster Linie
durch Vermittlung des Gottesworts, durch das sie Israels Schicksal
gestalten und zur bußfertigen Erkenntnis des Bundesbruchs
führen. Dagegen scheint die Aufgabe der Fürbitte, u. z. in der
Ubernah me des mit dem Volk gemeinsam gesprochenen Wir-
Gebets, erst seit Jeremia von ihrem Bild unabtrennbar zu werden.

Man mag es fraglich finden, ob die Beschränkung des stellvertretenden
Sühneleidens auf die Märtyrer glücklich ist, ob die
königlichen Vollmachten, die ihnen als Trägern des Geistes zukommen
(das wichtige Zeugnis von 2. Sam. 23, 2 f ist merkwürdigerweise
nirgends verwertet) nicht allzusehr beschnitten sind,
°b die negative Stellung zu der prophetischen Aufgabe der Für-
bitte nicht allzu formalistisch an wenigen vorexilischen Prophetenstellen
orientiert ist. Aber aufs Ganze gesehen fördert die sorgsame
exegetische Arbeit eine Fülle feiner und weiterführender
Beobachtungen zutage und weiß die eigentümlich israelitischen
Anschauungen durch den Vergleich mit den entsprechenden alt-
orientalischen Zeugnissen erst recht in ihrer Eigenart deutlich zu
machen, aber auch die zum Neuen Testament hinüber bestehenden
Verbindungen hervortreten zu lassen. Daß bei einer so umfassenden
, von den Ursprüngen bis in die Spätzeit hinuntergeführten
Untersuchung manche Fragen und Bedenken unbeantwortet
bleiben, liegt in der Natur der Sache. Der scharfe Blick für die
komplexe und nicht auf eine Formel zu bringende Erscheinung des
Heilsmittlers läßt sich gerade in den Leitsätzen, in denen am
Schluß des Ganzen die überall im Alten Testament festgestellten
Gedanken über das Mittlertum zusammengefaßt werden, deutlich
feststellen. Vielleicht hätten sich hier durch die genauere Untersuchung
der Bedingungen, die der Mutterboden der israelitischen
Heilsmittlervorstellung, das Bundesverhältnis zwischen Gott und
Mensch, für die Entwicklung gerade dieser Gestalt darbot, die
Gründe für ihre so außerordentlich starke und vielfältige Entwicklung
und ihre von den heidnischen Vorstellungen durch ihr hohes
sittliches Niveau abstechende Eigenart noch besser einsichtig
dachen lassen. Jedenfalls wird man für die gründliche und reichhaltige
Behandlung einer für den alttestamentlichen Gottesbund
so zentralen Glaubensvorstellung dem Verf. aufrichtigen Dank
2°llen müssen.

Münchenstein b. Basel Walther Eichrodt

Clements, R. E., M. A., B. D., Ph. D.: God and Temple. Oxford:
Blackwell 1965. XI, 163 S. gr. 8°. Lw. 25 s.

Der Schutzumschlag dieses Buches trägt den Untertitel "The
jdea of the Divine Presence in Ancient Israel". Damit ist das Anlegen
des Verfassers angegeben: es geht ihm um die Gegenwart
Jahwes in seinem Volk und die damit verbundenen Gedanken. Er
verfolgt sein Thema durch die ganze Geschichte Israels und versucht
, die Wandlungen des Gegenwartsgedankens näher zu fassen.

Demgemäß beginnt er mit einem kurzen Kapitel über die
kanaanäischen Vorstellungen vom Wohnen der Götter auf Bergen
: der Berg als mythologische Größe versinnbildlicht die von
Gott beherrschte Welt, und der Tempel vertritt symbolisch die
mythologische Gotteswohnung. Die Gegenwart der Götter ist
also gewissermaßen an einen Ort gebunden. Dem schließt sich
eine Diskussion der Religion der Erzväter an: der Verfasser nimmt
die These Alts vom Gott der Väter auf und stellt fest, daß die
Gegenwart des Vätergottes eher an einen Stamm oder eine Person
geknüpft war.

Das nächste Kapitel heißt „Jahve und der Sinai" und behandelt
vor allem das Theophaniemotiv und dessen kultische Beziehungen
. Es wird festgestellt, daß die Theophanievorstellung
teils durch Naturerscheinungen wie Gewitter und vulkanische
Ausbrüche, teils durch gemeinorientalische Vorstellungen vom Erscheinen
der Gottheiten beeinflußt worden sei. Leider erfahren
wir nichts Näheres über die außerbiblischen Theophanievorstellun-
gen. Der Verfasser schließt sich der Meinung an, daß die Theo-
phanie als ein Bestandteil der Bundeserneuerungsfeier jährlich
dargestellt worden sei. Danach folgt ein Kapitel über die Lade,
die Cherubim und das Begegnungszelt. Verschiedene Theorien
werden sehr besonnen diskutiert und gegen einander abgewogen.

Mit dem Tempelbau Salomos beginnt eine neue Phase der
Religionsgeschichte Israels im allgemeinen und der Geschichte des
Gegenwartsthemas im besonderen. Ursprünglich mit dem jerusalemischen
El Eljon zusammenhängende Gedanken von der göttlichen
Gegenwart werden jetzt mit Jahwe verbunden. Jahwes
Wohnen in Jerusalem wurde durch seine Erwählung der Stadt begründet
und erklärt. Aber dieses Wohnen bedeutete zugleich sein
Herrschaftsrecht über das Land Kanaan. Die Verbindung der Erwählung
der Stadt mit der Erwählung Davids drückte die göttliche
Autorisierung des davidischen Staates aus. Politische und
religiöse Erwägungen gehen Hand in Hand.

Die kosmische Symbolik des Tempels, die offenbar an
kanaanäische Vorbilder anschließt, stellt die Idee der göttlichen
Welt- und Naturherrschaft dar. Vom Tempel strömt Segen und
Leben von Gott an das Volk aus. Eine „mystische Identität"
zwischen dem Tempel und dem himmlischen Wohnsitz Gottes
wird fein herausgearbeitet. Das Herbstfest mit dem Feiern der
Königsherrschaft Jahwes stellt den Höhepunkt der göttlichen
Gegenwart dar. Die Teilnahme am Kult vermittelt den göttlichen
Segen und hält die Gemeinde in inniger Verbundenheit zusammen.

Damit ist der Ausgangspunkt gegeben für eine Erörterung
der prophetischen Reaktion gegen ein allzu statisches Verständnis
der göttlichen Gegenwart und der deuteronomischen Lehre vom
Namen Gottes als Zeichen seiner Gegenwart. Das Exil führt
einen Bruch in der Entwicklung herbei, aber aus der Krise entwickelt
sich eine priesterliche Neudeutung des Kults. Nach der
priesterlichen Theologie ist Jahwes Gegenwart ein unbeständiges
Zelten auf Erden durch die Wolke und die Herrlichkeit (käböd);
diese Gegenwart ist vom Einhalten der Gebote und vom richtigen
Kult abhängig. Jahwes Gegenwart ist nicht auf den Tempel, sondern
auf die Kultgemeinde bezogen.

Ein Kapitel über die nachexilische Entwicklung, worin u. a.
die eschatologische Hoffnung auf die vollkommene Gegenwart
Gottes und die allmählich hervortretende Einsicht, daß Gott auch
ohne Tempel gegenwärtig sein könne, behandelt werden, schließt
das Buch ab.

Aus dem Gesagten dürfte hervorgehen, daß der Verfasser
eigentlich viel mehr bietet als eine Geschichte der Vorstellung von
Gottes Gegenwart. Sein Buch gibt einen Längsschnitt durch die
israelitische Religion unter dem Gesichtspunkt der göttlichen
Gegenwart. Eine Fülle von Fragen werden kurz und besonnen
erörtert. Die Stellungnahme des Verfassers in umstrittenen Fragen
wird klar begründet. Er steht sowohl der deutschen als der skandinavischen
Forschung offen gegenüber, er prüft genau die Meinungen
beider Richtungen und behält, was er richtig findet. Er
bietet wohl keine revolutionierenden Neuigkeiten, ist aber durchaus
nicht unselbständig. Das Buch ist eine gute Zusammenstellung
von Tatsachen und Theorien, alles kritisch durchgearbeitet. Alles
in allem: ein Buch das man ohne Reservationen empfehlen kann.

Uppsala Helmor Ringgren