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Ausgabe:

1966

Spalte:

538-540

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Titel/Untertitel:

Denken und Glauben 1966

Rezensent:

Fritzsche, Hans-Georg

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 7

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dieren. Der Reichskirchenausschuß ist gern bereit, eine deutsche fesselnde und eindrucksvolle Lektüre: von berufener Seite wird

evangelische Kirche zu leiten und zu vertreten, in der es Gruppen, ihm hier der in Rom tatsächlich herrschende Geist gezeigt: „Der

Meinungen und Richtungen gibt. Er reagiert aber heftig und Heilige Stuhl hat immer und unerschütterlich von jedem, der

wird unangenehm, wenn jemand für sich in Anspruch nimmt, er katholisch sein will, die kompromißlose Annahme des gesamten

verträte die „rechtmäßige Kirche", und wenn jemand ruft: „Her katholischen Glaubens verlangt. In dieser Frage kennt Rom kein

zu uns, wer dem Herrn angehört!" Daraus ergibt sich, daß Bruder- Schwanken" (S. 301). Für die kirchenrechtliche Verschiedenheit

räte, „die niemals kirchenbehördliche Befugnisse in Anspruch gc- zwischen Orient und Okzident hat Rom erst in neuester Zeit und

nommen haben, oder die nach der Bildung eines Landeskirchen- nur in geringem Umfange Verständnis gehabt (S. 246). Die seit

ausschusses ihre kirchenregimentlichen Funktionen ruhen lassen", dem 16. Jahrhundert neu entstandenen katholischen Patriarchate

als innerkirchliche Bewegung durchaus anerkannt werden. Wo des Ostens werden immer strikter der römischen Zentralgewalt

Bruderräte, wie in Thüringen und Mecklenburg, arbeiten, in untergeordnet (S. 261) und besitzen nur d i e Privilegien, die

denen noch erhebliche kirchliche Notstände bestehen, da will der der Heilige Stuhl ihnen aus reiner Freigebigkeit zugesteht (S.

Reichskirchenausschuß zunächst einmal zweierlei Kirchenregiment 269). Dagegen ließe sich — bei katholischen Patriarchen — an sich

anerkennen und nicht behindern. „Drittens aber gibt es Bruder- nichts einwenden; da aber Rom diese neuen unierten Patriarchate

rate, besonders im Gebiet der Evangelischen Kirche der alt- gleichzeitig als rechtmäßige Fortsetzung der großen altkirchlichen

Preußischen Union, deren Haltung weit über das hinausgeht, was Patriarchate ansieht (S. 260), hat diese Tendenz nicht nur bei den

der Reichskirchenausschuß ihnen zugestehen kann." „Der Reichs- Unierten, sondern auch bei den Orthodoxen die Opposition gegen

kirchenausschuß muß den Anspruch der jetzigen VKL, das Rom erheblich verstärkt (S. 296). Die Grundlage der Haltung des

Kirchenregiment der Evangelischen Kirche zu sein, auf das Ent- Heiligen Stuhls gegenüber allen anderen Kirchen ist eben die

schiedenste zurückweisen." Die Polemik wird hart, die Ausein- „unerschütterliche Überzeugung der Römischen Kirche, die einzig

andersetzung nimmt unerfreuliche Formen an. wahre Kirche Christi zu sein" (S. 328); nur den orientalischen

Währenddessen sieht sich die Bekennende Kirche immer Liturgien gegenüber ist Rom zu einer gewissen Nachsicht bereit,
wieder gezwungen, sich auf ihre Grundlagen zu besinnen. Samt- aber auch dies erst in allerjüngster Zeit (S. 222).
liehe Bekenntnissynoden des Jahres, die 4. Bekenntnissynode der Das alles hängt natürlich mit dem seit dem 1. Vatikanischen
Deutschen Evangelischen Kirche, die 5. Rheinische Synode, die Konzil (1869/70) immer stärker betonten Begriff des „göttlichen
Wittgensteiner Bekenntnis-Kreissynode, die 2. Ostpreußische Rechts" zusammen, aus dem das Papsttum seine vermeintliche
Bekenntnissynode und die 4. Bekenntnissynode der Evange- Vorzugsstellung herleitet (Carl Mirbt, Quellen zur Geschichte des
"sehen Kirche der altpreußischcn Union beschäftigen sich mit Papsttums und des Römischen Katholizismus. 4. Auflage. Tübin-
Barmen. Und, als die Frage nach einer Zusammenarbeit zwischen gen 1924, S. 461—466). Hier muß man nun freilich sagen, daß das
dem Reichskirchenausschuß und der Bekennenden Kirche zur Buch von De Vries keineswegs auf der Höhe der heutigen wissen-
Debatte steht, wird ein ausführliches, theologisches Gespräch über schaftlichen Problematik steht. Während z. B. Karl Rahner in
Barmen (451) geführt. Dieses Gespräch scheitert, und bald darauf seinem interessanten Beitrag „Über den Begriff des ius divinum
scheitert der Reichskirchenausschuß. In Wirklichkeit war er ge- irn katholischen Verständnis" (in: Existenz und Ordnung. Festscheitert
, als er begann. schrift für Erik Wolf zum 60. Geburtstag. Frankfurt am Main

Bielefeld Wilhelm Niemöller 1962, S. 62—86) die ganze Problematik eines Rechtes darlegt, das

- geschichtlich geworden ist, aber göttliche — und das heißt hier:

Daniel, E. Randolph: Reconciliation, Covenant and Election: A rückwirkende — Autorität beansprucht, setzt De Vries ganz ein-

Study in the Theology of John Donne (AThR 48, 1966 S. 14—30). fach schon für die Zeit der Alten Kirche ein „göttliches Recht"

"°einc, Martin: Pascals Pensccs in Alexandre Vincts Deutung des Bischofs von Rom einem bloßen „Gewohnheitsrecht" der

(ZThK 62, 1965 S. 403—429). Patriarchen von Alexandria und Antiochia entgegen, das vom

K UP i s c h , Karl: Der Deutsche zwischen 1850 und 1865 (ZfRRG 18, Konzil von Nizäa „sanktioniert" worden sei (S. 7). Man lese

966 S. 108—142). dazu Kanon 6 des Konzils von Nizäa:„7a äoxnta ethj xQmehw

KIRCHEN- UND K0NFESS10NSKVNDE ™ h MytTv xal *al Thr™n6ltJ' <^"^'^f-

ojwac tmoxonov navxwv rovro)v e%eiv t»/v t^ovaiav,

["'• Wilhelm de (unter Mitarb. v. O. Bärlea, J. Gill, M. t^reidr] xal reo h rfj'Pa>iujj tmoxönoi zovzo avvrj&eg forty -

Lac k o ): Rom und die Patriarchate des Ostens. Frciburg-München: mJJ> (mirb(. g a q g 45) Dann wird man De Vrjes völlj

Alber [1963 . VIII. 452 S. er. 8° = Orbis Acadcmicus. Problem- ___ c , ^ , . ,11, i , ■.

»..au. i „,, , , .K , ' r. ,. n u stimmen, wenn er S. 3 sagt, der tatsachliche Mangel an histon-

Seschichtcn d. Wissenschaft in Dokumenten u. Darstellungen, hrsg. v. , . , ,___, JV ... tnCZ j. j

F- Wagner u. R. Brodführer t, Bd. III, 4, Lw. DM 39.80. Tschem De"ke" habe eben dodl zu Verwicklungen gefuhrt, die der

r.. , . ... . n , /■ i . Losung des Unionsproblems wenig zuträglich waren. Damit ist

Dieses umfanerciehc Werk ist eine Gemeinschaftsarbeit , .j_ , „ ,. , . ■ r. f..,

mnu ""llal,Blclu"= , , , c , zugleich gesagt, daß dieses Werk eine ausgezeichnete Einfuhrung

mehrerer Verfasser: einzelne Kap.te stammen von Josef Gill und ^ ggfo* und djc prob]cmatik von Unionsbemühungen

^'ehael Lacko. Leider .st sein Titel etwas ungenau: es handelt übcrh darste])t und deshalb in aj,en an ökumenischen Fra*en

J* n.cht. wie man meinen konnte um d.e Beziehungen Roms zu interessjerten Kreisen starkste Beachtung verdient.

71 8Ar?ße"' aUS Alt,C" K,'rChC 1hemlhr]Cndcn PatnarchatSS.tzen Marburg/Lah„ Peter Kawerau

Pn Alexandria, Antiochia, Jerusalem und Konstantinopel — der -

^kurnenische Patriarch zum Beispiel wird nur ein paar Mal bei- Williams, George Hunston: Dimensions of Roman Catholic Ecu-

aufig erwähnt —, sondern um die Beziehungen der Päpste zu den menism. The Hague: The International Association for Liberal

mit Rom unierten, seitdem 16. Jahrhundert entstandenen katho- Christianity and Religious Freedom (I. A. R. F.). 48 S. 8° = IARF.

«sehen Patriarchaten des Ostens. Nur auf den letzten sechzig Papers on Religion in the Modern World, 1.
Reiten wird von Roms Haltung gegenüber den orthodoxen Kirchen

des Ostens gesprochen. Das Werk behandelt also überwiegend PHILOSOPHIE UND REUGI0NSPH1L0S0PHIE

Jeir» innerkatholischc Anschauungen und Vorgänge der Neuzeit. '

n seinem ersten Teil werden die einzelnen Unionskonzile (z. B. G o 11 wi t z e r , Helmut, und Wilhelm W e,. ched e 1 : Denken und

Lyon .. .„Ti.j j:. .„„au-. ll.iM„ W. Glauben. Ein Streitgespräch. Stuttgart: Kohlhammer [1965]. XI,

302 S. 8°.

J-Von 1274, Florenz 1439) und die verschiedenen Unionen bzw.
. nj°nsvcrsuche im Orient und in Ost- und Südostcuropa ihrem

?.uß"c„ Gange nach bcsprod.cn. Der zweite Teil stellt „Roms Dieses Buch gibt Vorlesungen wieder die von Gollwitzer

"alt"ng zur Eigenart des Ostens" dar: am Beispiel der Liturgie, und Weischedel im Wintersemester 1963/64 in Berlin gehalten

fcs Kirchenrechts, der Patriarchalverfassung und der Dogmatik wurden und die jeweils auf die vorangegangene Vorlesung des

^ gezeigt, wie sehr die geistige Latinisierung eine unabding- ^^LJ^^^J^l ÄJf

men.

■ - 5t.c1.-1gr, wie senr aic geisngc ukuiih«»« wm» u..»^«..^ —------- t j. ^ l^c j d i

Jarf Forderung ist, die Rom an jeden stellt, der sich mit der außer den Vorlesungen noch stattfanden) Bezug neh

fatholischcn Kirche vereinigen will. Für den protestantischen Dieses Verfahren hatte zur Folge - und bezweckte auch -, daß

,escr- der heute in einer oft fast schwärmerisch anmutenden Weise man nicht thetisch die eigene Konzeption ausbreitete (wie in ver-

0n der Einheit der Kirche reden hört, ist dieses Buch eine glcichbaren Parallelvorlesungen, die die neuere Geschichte der