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Ausgabe:

1966

Spalte:

31

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Lamparter, Helmut

Titel/Untertitel:

Prophet wider Willen 1966

Rezensent:

Bardtke, Hans

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Seite 1

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31

Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 1

32

Lamparter, Helmut: Prophet wider Willen. Der Prophet Jeremia
übers, u. ausgelegt. Stuttgart: Calwer Verlag [1964]. 415 S. 8° =
Die Botschaft des Alten Testaments, Erläuterungen alttestamentl.
Schriften, Bd. 20. Lw. DM 18.—.

Der Verfasser, der in der Reihe „Botschaft des Alten Testaments
" schon mehrere Bände, vor allem Hiob und Psalmen,
vorgelegt hat, kann sich bei dem Buch Jeremia auf Justus Köberle
berufen, der 1908 im gleichen Verlag eine Bearbeitung des
Propheten Jeremia vorgelegt hat. Freilich hat Köberle nicht das
ganze Jeremiabuch übersetzt, sondern bestimmte Teile ausgelassen
, während Lamparter das ganze Jeremiabuch ohne Auslassung
wiedergegeben hat. Das ist gewiß verdienstvoll und
widerspiegelt die gegenwärtige Phase der alttestamentlichen
Wissenschaft, in der nicht mehr so schroff zwischen echtem und
unechtem Schriftgut unterschieden wird, sondern stärker auf
den theologischen Gehalt geaditet wird. Dagegen ist Lamparter
in anderer Beziehung Köberle mit Recht gefolgt, indem er die
Kapitel des Jeremiabuches in einer Anordnung übersetzt und
auslegt, die seiner wissenschaftlichen Überzeugung nach die angemessene
ist. So wird erst der Komplex 1,1 bis 25, 14 geboten,
dann folgen die Gerichtsworte über andere Völker 25,15—38;
46—51. Dann folgen die Heilsworte über Israel 30, 1—33, 26 und
schließlich die sogenannte Baruchbiographie, 26, 1—29, 32;
34, 1—4 5, 5- Der Aufbau des Buches Jesaia und Ezechiel haben
für diese Anordnung die Vorlage abgegeben. Den Beschluß der
Kapitel bildet 52, 1—34, dem ebenfalls sorgfältige Auslegung
zuteil wird. Eine knappe Literaturübersicht ist am Ende beigegeben
. Im Vorwort dankt der Verfasser besonders den
Kommentatoren Rudolph und Weiser sowie Westcrmann, von
dem er eine Vorlesungsnachschrift benutzen konnte. Den Titel
„Prophet wider Willen" hat der Verfasser aus der Bibelkunde
von Otto Weber übernommen. Man kann sich fragen, ob das
wirklich eine glückliche Formulierung ist, aber hier werden
Grundansichten über Israels Propheten bei den einzelnen
Wissenschaftlern sichtbar, so daß es schwer ist, in eine Einzeldiskussion
einzutreten. Auch die bei Jeremia immer wieder vertretene
psychologische und charakterologische Betrachtungsweise
findet sich in den Auslegungen hin und wieder. Die Übersetzung
ist flüssig und sprachlich gut, mit selbständiger
Erfassung der textkritischen Probleme und mit gelegentlichem
Widerspruch gegen die Kommentatoren, deren Werke er in der
Vorrede dankbar zitiert hat. In den Auslegungen werden zuweilen
Zeugen der Kirche zitiert, von Bernhard von Clairveaux
bis hin zu Dietrich Bonhoeffer. Die Auslegungen sind mitunter
etwas kurz für die Fülle von Aussagen, die nun einmal im Text
des Jeremiabuches liegen. Aber vollständige Heraushebung der
historisch-theologischen Probleme ist nicht die Aufgabe dieser
Auslegung, da sie ja für die Hand der Gemeinde bestimmt ist
und nicht eine erschöpfende Behandlung zu bieten braucht. Die
Herausarbeitung theologischer Gesichtspunkte ist dem Verfasser
gut gelungen. Seine Arbeit kann daher für den gedachten Zweck
nur wärmstens empfohlen werden. Dem mitarbeitenden Laien
wird hier für die Bibelstundenvorbereitung und sonstige Verkündigungstätigkeit
in der Gemeinde gut aufbereitetes Material
an die Hand gegeben.

Leipzig HansBarcItke

C I a r k e , Ernest G.: The Selected Questions of Ishö bar Nün on the
Pentatcuch. Ed. and transl. from Ms Cambridge Add. 2017 with a
study of the Relationship of Ishö'dädh of Merv, Theodore bar
Koni and Ishö bar Nün on Genesis. Leiden: Brill 1962. VII, 187 S.,
28 S. Faks. gr. 8° = Studia Post-Biblica, ed. P. A. H. de Boor, V.
Lw. hfl. 22.-.

Ischö bar Nün war von 823 bis 828 Katholikos der Nesto-
rianer. Zu diesem Amt ist er erst im hohen Alter von etwa
achtzig Jahren gelangt. Ihm werden eine ganze Reihe von vorwiegend
theologischen Werken zugeschrieben. Erhalten geblieben
ist — außer Homilien, Begräbnisreden und drei Episteln — eine
Sammlung von Gesetzen und Rechtsentscheidungen, die E. Sachau
bereits vor Jahrzehnten herausgegeben hat1. Das umfangreichste
der noch vorhandenen Werke Ischö bar Nün's, ein Manuskript der
„Fragen zum gesamten Text der Schrift in zwei Teilen", besitzt
die Universitätsbibliothek von Cambridge. Einen Teil des

») Syrische Rechtsbücher Bd. II, Berlin 1908, S. 119-177.

Manuskripts, nämlich die auf den Text des Pentateuch bezogenen
Fragen, hat E. G. Clarke im vorliegenden fünften Bande der von
P. A. H. de Boer betreuten ,Studia Post-Biblica' ediert.

Seine Aufgabe sieht der Verf. darin, den bisher noch nicht
veröffentlichten Text, der für die Geschichte der syrischen
Literatur wie für die Geschichte der Bibelexegese bedeutsam ist,
der gelehrten Welt zugänglich zu machen und das Verhältnis
dieses Textes zu den etwa gleichzeitigen Scholien des Theodor
bar Koni (abgeschlossen 791/2) 2 und zum Pentateuch-Kommentar
des Ischo'dädh von Merv (etwa zwischen 840 und 860 verfaßt):1
zu erörtern. Zunächst werden in einer ausführlichen Einleitung
(S. 1—16) biographische Daten über Ischö bar Nün mitgeteilt;
desgleichen wird über das Manuskipt in Cambridge nähere Auskunft
gegeben. Es ist von dem Priester Georg von Alkösch im
Jahre 1706 geschrieben worden. Obgleich zwischen Autor und
Abschreiber rund 900 Jahre liegen, ist der Text offenbar in einem
guten Zustand. Dem Herausgeber sind jedenfalls nur wenige
Stellen als einer Konjektur bedürftig erschienen. Im wesentlichen
handelt es sich dabei um die Richtigstellung von Schreibfehlern
(S. 6 f.). Allerdings ist eine genaue Beurteilung des Textzustandes
nicht möglich — vor allem was eventuelle Zusätze oder
auch Abstriche vom ursprünglichen Text anbelangt — weil eben
nur eine einzige Handschrift vorliegt. Weiterhin erörtert der
Verf. in dem Einleitungsabschnitt die literarische Gattung der
katechetischen Tragen und Antworten', die er in Anlehnung an
G. Bardy4 bis zu den Sophisten zurückverfolgt. Philo hat sich
dann als erster dieser Gattung zur Auslegung biblischer Texte
bedient. (Für Philo dürfte allerdings die Praxis der älteren jüdischen
Bibelauslegung im Zeitalter der Sopherim nicht ohne Einfluß
gewesen sein. Die in Talmud und Midrasch gesammelten
exegetischen Diskussionen benutzen bekanntlich auch oft das
Frage-Antwort-Schema). — Es folgt S. 19—43 eine Übersetzung
der 65 Fragen und Antworten zum Pentateuch und schließlich der
Hauptteil der Arbeit, die Erörterung der gegenseitigen Beziehungen
und der unterschiedlichen Editionsmethoden der drei genannten
Werke Ischö bar Nün's, Theodor bar Köni's und
Ischö'dädh's (S. 44—164). Dabei wird auch die Herkunft des exegetischen
Materials im einzelnen behandelt, so daß die Stellung
des Textes in der syrischen und antiochenischen exegetischen
Literatur deutlich wird. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse
und zwei Exkurse schließen sich an (S. 165—187). Es folgt noch
als Anhang die Faksimile-Wiedergabe von Fol. 1—26 des gut lesbaren
Cambridger Manuskripts in technisch einwandfreier Form.

In seiner vergleichenden Untersuchung bedient sich der
Verf. einer etwas umständlichen Methode, indem er bedächtig
von Textabschnitt zu Textabschnitt schreitet, wobei eine Wiederholung
der Argumente nicht vermieden werden kann. Wer aber
dem Verf. ohne zu ermüden folgt, wird gerade durch die an
immer neuen Beispielen wiederholten, methodisch sauberen und
sorgfältigen Erörterungen von der Zuverlässigkeit der Schlüsse
des Verf.s überzeugt. Im einzelnen kommt C. — vor allem in
Auseinandersetzung mit Pater van den Eynde — zu folgenden Ergebnissen
:

Alle drei Werke gehen auf ein unbekanntes Quellenwerk zurück,
das aus Tragen und Antworten' bestand, aber auch exegetische Diskussionen
in anderer Form enthielt.

Ischo'dädh hält sich „slavishly" an dieses Werk und an die anderen
von ihm benutzten Quellen, ohne den Versuch einer kritischen
Sichtung und eigenen Gestaltung des Materials zu machen. Es geht ihm
vornehmlich darum, möglichst viel zusammenzutragen.

Dagegen liefert Theodor bar Köni in seinen Scholien eine kritische
Bearbeitung der mit Ischo'dädh gemeinsamen Quelle. Er ist bestrebt
, das widerspruchsvolle Material der Quelle nach Möglichkeit
zu rekonstruieren oder durch Auslassungen, Ergänzungen und freie
Umgestaltung den Text zu verbessern.

2) Herausgegeben von A. Scher, Theodorus bar Köni Scholiorum,
CSCO 5 5 u. 69, Paris 1910—12, Neudruck Louvain 1955.

3) Herausgegeben von C. van den Eynde u. J.-M. Voste, Com-
mentaire d'Iso'dad de Merv Sur l'Ancien Testament, CSCO 126, 156,
176, 179, Louvain 1950—58.

«) Vgl. RB 41, 1932, S. 210 ff., 341 ff., 515 ff., RB 42, 1933.
S. 14 ff., 211 ff., 328 ff.