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Ausgabe:

1966

Spalte:

530-532

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Luther-Jahrbuch 1965 1966

Rezensent:

Koch, Ernst

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 7

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mation" im Handbuch der Deutschen Geschichte von Gebhardt-
Grundmann (Bd^ 2, 195 5) erreicht hat, ist auch Bizer nicht ganz
geglückt.

So fallen die beiden Teile der vorliegenden Lieferung nach
Anlage und Stil recht weit auseinander. Der zweite, weniger anspruchsvoll
und ausgebreitet, auf die Deutung der Vorgänge und
die Entfaltung ihrer Hintergründe weithin verzichtend, wirkt insgesamt
ausgewogener und dürfte als Hilfsmittel für das eigene
Studium hilfreicher sein.

Meine Einwendungen ihm gegenüber beschränken sich auf
Einzelheiten:

Die Ausdeutung der Wittenberger Konkordie, die Bizer S. 92 gibt,
möchte mich noch immer nicht völlig überzeugen. Daß Luther die von
seiner eigenen abweichende Auffassung der „manducatio indignorum"
durch Buccr durchschaut und akzeptiert habe, weil ihm die Übereinstimmung
darin genügte, ,,daß jeder, der zum Abendmahl kommt, gewiß
sein darf, die ganze Gabe zu bekommen", verstehe ich nicht genau;
denn tatsächlich nahm doch Buccr dies gar nicht an — der Ungläubige
empfängt für ihn n ic h t die ganze Abendmahlsgabe. Oder liegt für
den Verfasser der Ton auf dem ..gewiß sein"? — Auf S. 76 u. ö. gebraucht
Bizer die inzwischen ziemlich unüblich gewordene Bezeichnung
• ■Wiedertäufer"; ebenso sollte wohl die Schreibweise Blaurer statt
Blarer (83 u. ö.) aus der Übung kommen (vgl. BL f. württ. KG 1911,
89 ff). An einigen Stellen vermißt man Nachweisungen wichtiger Literatur
; ich nenne: 121 Anm. 3 5 der Aufsatz von Stupperich, Der Ursprung
des „Rcgensburger Buches" und seine Rechtfcrtigungslehre (ARG 36,
1939). 13] Anm. 47 das Buch von D. Cantimori. dt.: Italienische Häretiker
der Spätrenaissance, 1949. 145 Anm. 3 H. Gerber, Die Kriegsrechnungen
des Schmalkaldischen Bundes (ARG 32—34, 1935—37). 159
Anm. 93: L. Fürstenwerth, Die Verfassungsänderungen in den oberdeutschen
Städten zur Zeit Karls V. Diss. Göttingen 1893.

Drei bescheidene Anmerkungen in eigenen Sachen des Rezensenten
zum Schluß: Zum Problem des Parteiwechsels der Konstanzer gegen
■Hicer in der Vorgeschichte der Wittenberger Konkordie (89) wären
v'elleidit meine Darlegungen (J. Zwick und die Reformation in Konstanz,
*961, 172 ff) zu berücksichtigen. Die Wittenberger Konkordie ist nicht
v°n ,,allen" Verhandlungspartnern unterzeichnet worden (92) — Zwick
■M nicht unterschrieben. Hinsichtlich der Motive für den Verfassungssturz
in den oberdeutschen Reichsstädten durch Karl V. (158 f) mag ein
Hinweis auf mein Buch „Reichsstadt und Reformation", 1962, 71 ff er-
'aubt sein. '
Cöttingen Brrnd Moelle r

B°rnkamm. Heinrich: Luther als Schriftsteller. Heidelberg: Winter

!965. 36 S. 4° = Sitzungsberichte d. Heidelberger Akademie d.

Wissenschaften. Phil.-hist. Klasse, 1965, 1. DM 6.80.

Diese Schrift, die aus einem Vortrag vor der Heidelberger
Akademie der Wissenschaften entstand, ist einem Literaturhistoriker
(Paul Böckmann) und einem Theologen (Wilhelm Maurer)
gewidmet. Verf. will damit zeigen, daß eine umfassende literarische
Würdigung Luthers nur gemeinsam von Germanisten und
Theologen geleistet werden kann. Er selbst möchte „nicht mehr
äls eine einführende Skizze dafür bieten". Das schließt nicht aus,
daß er das Entscheidende zusammenstellt. Bei größerer Ausführ-
''chkeit hätte der Leser lediglich die Freude, mit weiteren Einzelheiten
vertraut gemacht zu werden und ihre Deutung zu er-
J^hren. Grundsätzlich neue Ergebnisse, die über die gebotenen
"'nausgehen, könnten sich kaum ergeben.

Verf. zeigt, daß es Luther beim Schreiben um „unmittelbare,
auf die nächste Gegenwart bezogene Mitteilung und Anrede"
8'ng- Nur sehr selten redete der Reformator monologisch. Er

rauchtc den Partner, wenn er schrieb. Dieser wurde gestellt von
Renschen, die Antwort oder Scclsorge brauchten und von Geg-
nern- Der Hauptpartner Luthers, der auch bei allen Begegnungen
Pj~ Menschen eine Rolle spielte, war aber die Bibel. An ihr und

L1 ihrer dauernden Auslegung entfaltete er sich.

Wenn Luther auch ein überwältigender Reichtum an Bildern
^strömte, er eine große Kraft der Anschauung besaß und ihm
sUnstIcrische Ausdrucksmittel zur Verfügung standen, so war
er") Anliegen doch kein künstlerisches. Entsprechend verspürte
1^ °cim Schaffen wenig von der „Freude des Künstlers" (Karl
aurt! nUr e'ne ursprüngliche Lust am Schreiben. Er konnte sich
faß gat1Z unbcrangen der Qualität manches des von ihm Ver-

' ten rühmen, ging es ihm doch nicht wie z. B. den Humanisten
eine Dokumentation seiner Fähigkeiten, sondern um die

Wahrheit, wie er es im Blick auf Erasmus einmal aussprach:
„Potentior est veritas quam eloquentia, potior Spiritus quam
ingenium, maior fides quam eruditio". Deshalb konnte Luther
auch in der Vorrede zur Wittenberger Ausgabe seiner Werke
sagen, daß er es gern gesehen hätte, wenn alle seine Bücher
untergegangen wären. Er hatte keinen literarischen Ehrgeiz. Er
hielt den größten Teil seiner Arbeiten nur für Tagesschrift-
stellerei. Wesentlich war ihm allein die Bibel und das, was ihrem
Verständnis unmittelbar zugute kommt. Darüberhinaus ließ er
gelten, was dem Leben des Menschen dient, wie gute Rechts- und
Arzneibücher, aber auch Geschichtswerke. Aus diesen kann man
nach Luthers Auffassung Gottes Handeln mit den Menschen
und an seiner Kirche ablesen. In dem Zusammenhang sah er seine
eigenen Schriften. Sie sollten lediglich helfen, später die Lage
und die Ereignisse in seiner Zeit recht zu beurteilen, also Material
liefern für die Geschichtsschreiber, „die allernützlichsten Leute
und besten Lehrer", die „ein Lewen hertz" haben, „unerschrocken
die warheit zu schreiben".

Aus diesem Sinn, den Luther seinen Schriften gab, wird ihre
Form verständlich. Der Reformator benutzte nur ganz selten die in
seiner Zeit gebräuchlichen Gattungen der profanen Schriftstelle-
rei. Und auch dort, wo er sich äußerlich an die für theologische
Arbeiten üblichen Formen hielt, schrieb er rein, wie die Sache es
erforderte. Bei der Neuheit seiner Aufgabe konnte ihm keine
der von der Tradition dargebotenen literarischen Formen anstehen
. Er wollte überzeugen und gewinnen und zwar durch Zuspruch
oder auch durch Widerspruch. Deshalb konnte er nur
durch die Sache und durch seine Sprache wirken. Aus diesen Tatsachen
erklärt sich auch die Vielgestaltigkeit, mit der er sich dem
Gegenüber und der jeweiligen Situation zuwandte sowie die
Leidenschaft, mit der er den Reichtum seiner sprachlichen Möglichkeiten
entfaltete. So kam mit Luther eine neue Art zu
schreiben auf, nämlich das, was zu sagen ist, in einer von außen
betrachtet formlosen, aber aus einem inneren Gesetz entspringenden
Weise auf ganz persönliche Art mitzuteilen.

Dem Ausdruck der Freude über die vorliegende Arbeit haben wir
zwei Kleinigkeiten anzufügen. Ist Luthers Beobachtungsgabe und Kenntnis
auf zoologischem Gebiet wirklich so groß, wie Anm. 31 behauptet
wird? Bei meiner Arbeit über „Die Natur bei Luther" bemerkte ich,
daß er mit sehr vielen diesbezüglichen Äußerungen von der Literatur,
einschließlich der Bibel, abhängt. Anm. 26 enthält einen Druckfehler:
Der Neudruck von Th. Harnacks „Luthers Theologie" stammt von 1927.

Leipzig Ingetraut Ludol ph y

Luther-Jahrbuch 1965. Jahrbuch der Luther-Gesellschaft, hrsg.
v. F. L a u , Jg. XXXII. Hamburg: Wittig Verlag [1965]. 192 S. 8°. Lw.
DM 16.-.

Das Jahrbuch erscheint in altbewährter und bekannter Gestalt
. Sein Inhalt ist wiederum durch beträchtliche Spannweite
gekennzeichnet, die von philologischer Einzeluntersuchung einer
Erasmus-Stelle bis zu philosophisch-theologischer Darstellung
Kierkegaards reicht.

Von Oskar T h u I i n stammt als Vorabdruck aus der geplanten
Weltenzyklopädie des Lutherischen Weltbundes ein Aufsatz
über „Luther in den Darstellungen der Künste" (9—27).

Den größten Raum nehmen dabei die bildenden Künste ein und
unter diesen die Darstellungen des 16. Jahrhunderts. Man bedauert, aus
der Feder eines Kenners nicht noch ein wenig mehr über die Luther-
Ikonographie vor allem des 18., 19. und 20. Jahrhunderts zu erfahren.
Ein kurzer Abschnitt behandelt „Luther im Film". Der Abschnitt „Luther
in Literatur und Dichtung" verzeichnet die wichtigsten dramatischen
Werke, Romane und Novellen. Am knappsten gehalten ist der Abschnitt
„Luther und die Musik". Hier wäre bezüglich der Literatur wohl auch
ein Hinweis auf W.Blankenburgs Artikel in MGG VIII 1334 ff nützlich
gewesen.

Ingetraut L u d o 1 p h y behandelt „Die Ursachen der
Gegnerschaft zwischen Luther und Herzog Georg von Sachsen"
(28-44).

Sie findet sie in der persönlichen Entwicklung und politischen
Stellung Georgs und im unterschiedlichen theologischen Ansatz der
beiden Männer, wobei eine besondere Rolle die Verwobenheit von
Georgs Ahnen mütterlicherseits in die hussitischen Händel eine Rolle
gespielt haben mag.

Alfred Adam („Die Redewendung Luthers ,Velut ille ad
Rombum' und ihre Deutung durch Erasmus", 44—47) wendet sich