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Ausgabe:

1966

Spalte:

525-529

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Reformationsgeschichte Deutschlands bis 1555 1966

Rezensent:

Moeller, Bernd

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 7

526

Lehrer stand ein reiches Wirken im Dienste nicht nur der Universität
, die Nikolaus manche Ämter übertrug, darunter 1397 das
artistische, 1425 und 1427 das theologische Dekanat und 1405
das Rektorat. 1399 und 1405 reiste Nikolaus im Auftrag der
Universität nach Rom. Während des Konstanzer Konzils weilte
er als Gesandter des österreichischen Herzogs gemeinsam mit dem
Abgeordneten der Wiener Universität Petrus von Pulkau (über
den jetzt ein schönes Buch von Dieter Girgensohn existiert) in
der Konzilsstadt, tritt als Vertreter des Konziliarismus in Erscheinung
und gehörte auch zum Wahlkollegium Martins V. Vor,
während und nach dem Konzil befaßte sich Nikolaus verschiedentlich
auch mit dem Problem des Husitismus. In der Mitte der
20er Jahre wurde er in die Kirchenpolitik seines Landesherrn und
•n den damaligen Passauer Bistumsstreit hineingezogen (worüber
neuerdings auch eine Dissertation von Gerda Koller im 124. Band
des Archivs für österreichische Geschichte handelt) und reiste damals
zum dritten Mal nach Rom. Neben seiner wissenschaftlich-
theologischen Arbeit hat Nikolaus aber vor allem seine Initiative
'n der sogenannten Melker Reform des Ordenswesens berühmt
gemacht und mit diesem Werk /dürfte er sich auch in besonderem
Maße verbunden gefühlt haben. Das Stift Melk verwahrt viele
Seiner Schriften und hier hielt er 1421—1424 seine später weit
verbreitete Lectura Mellicensis über das 4. Buch der Sentenzen,
von denen eine Abschrift auch Luthers Gegner Eck besessen hat.

Das Wissen um die vielseitige und über längere Zeit wirksame
Tätigkeit des Nikolaus von Dinkelsbühl, die auch in dessen
literarischem Nachlaß einen merklichen Niederschlag gefunden hat,
verstärkt nach der Durchsicht des Werkes von Madrc den Wunsch,
daß dieser wohl derzeit beste Kenner der Materie seine literarhistorischen
Forschungen über Nikolaus von Dinkelsbühl bald
durch eine ausführlichere Darstellung ergänzen möge, welche
die theologiegeschichtliche Position des Wiener Gelehrten auf
Grund seiner Werke zu erheben versucht.

Wien Harald Zimmermann

C I

j Sen' Sophronius: Vom Franziskus der Legende zum Franziskus
der Geschichte (Wissenschaft und Weisheit 29, 1966 S. 15—29).
esch, Otto H.: Thomas von Aquin im Lichte evangelischer Fragen
(Catholica 20, 1966 S. 54—78).

ÜIKCHENGESCHJCHTE: HEFOBMAT10NSZEIT

D|e Kirche in ihrer Geschichte. Ein Handbuch, hrsg. v. K. D. Schmidt
u. E.Wolf. Bd. 3, Lfg. K: Rcformationsgesdiidite Deutschlands bis
1555. Von F. Lau u. E. B i z e r. Göttingen: Vandenhocck & Rutscht
[1964]. IV, 170 S. gr. 8°. DM 17.80.

b <+. Se'f 1961 Lieferungen erscheinende Göttinger Hand-
uch der Kirchengeschichtc hat mit dem vorliegenden Faszikel

*twa ein Drittel seines geplanten Umfangs und zugleich eine sei-
^r wichtigsten Stationen erreicht. Es handelt sich geradezu um
e erste wissenschaftliche Darstellung der Reformationsgeschichtc

Jl evangelisch-theologischer Feder in Deutschland seit mehr als

drei Jahrzehnten.

f ciScnrünilichc Anlage des neuen Handbuchs bedingt

Irlich, daß das Heft in der vorliegenden Form als Torso wirkt,
und Scsdiichtc der großen Reformatoren — Luther, Zwingli

v u ^~a'v'n ~ >st nämlich einer eigenen Lieferung des Werkes
g0rbchaltcn, die bisher noch nicht erschienen ist, die eigentlichen
. We8ungszcntrcn des Geschehens sind also ausgespart, was an
Ob | c^orniation Rezeption und Reaktion ist, beherrscht das Bild.
w- 5 beide Verfasser die ihnen gesetzten Schranken immer
Ent vt il'3crsc^re'tcn ur|d den Anteil der Reformatoren an der
loiri^A anzudeuten suchen, wird eine historisch und theo-
erfvu wir^'icri abgerundete Darstellung der Reformation nicht
run J; ur|d man muß hoffen, daß die noch ausstehende Liefelich
Verflechtung der geschichtlichen Zusammenhänge deut-
er w«rd sichtbar machen können.

1.

geS(. ^turgcmäß ist vor allem der erste Beitrag, der die Vor-
"*SnÜn dcr Reformation und ihre Anfänge bis zum Jahr 1532
nde't, durch die angedeutete Problematik betroffen. Der

Verfasser, Franz Lau, spricht die Schwierigkeiten, vor denen er
stand, selbst an: „Der Darsteller der Reformationsgeschichte von
1517—1532 ohne Luther konnte seinen Auftrag überhaupt nur
wegen seiner eigenen Konzeption der Reformationsgeschichte
übernehmen: Die Geschichte der Reformation, die überhaupt erst
1521 beginnt, wurzelt in der reformatorischen Bewegung, die
durch Luther ausgelöst und 1521 noch längst nicht zu Ende ist,
läuft aber rasch in verschiedene Richtungen" (15 Anm. 1). D. h.
auf eine Zeit der „reformatorischen Bewegung" folgte seit 1521
— genauer: seit Luthers Aufenthalt auf der Wartburg (16) — eine
Periode des „Wildwuchses der Reformation", in der Luthers
Impulse, „noch ungenormt" (3 3), von Predigern sehr verschiedener
Provenienz, Verständigkeit und Zielsetzung aufgenommen
und weitergegeben wurden; diese Periode endete 1525 in der
Katastrophe des Bauernkriegs und führte zu der neuen und ebenfalls
keineswegs unproblematischen (44) Tendenz, einheitliche
evangelische Kirchentümer zu errichten. Der Verfasser nimmt
also, wenn wir seine verschiedenen, nicht immer leicht zu vereinigenden
Äußerungen zur Sache richtig interpretieren, an, daß
sich seit 1521 die Reformation nach und nach von ihren Anfängen
bei Luther entfernt habe, und daß von daher die getrennte
Darstellung gerechtfertigt werden könne.

Er stellt, um diese Entwicklung verständlich zu machen, zu
Beginn der Arbeit Material zur Beleuchtung der politischen,
sozialen, geistigen und religiösen Voraussetzungen der Reformation
zusammen. Dahinter scheint die herkömmliche Auffassung
zu stehen, man sei in Deutschland am Vorabend der Reformation
ebenso reformbedürftig wie reformfreudig gewesen. Von dieser
Voraussetzung aus erhält der Ablauf der Reformation, wie der
Verfasser ihn sieht, seine innere Logik: Die „reformatorische
Bewegung" Luthers war von früh an Mißverständnissen mannigfacher
Art ausgesetzt; die sozialen Unruhen, die Bundschuh-Auf-
stände und die städtischen Verfassungskämpfe, die es am Vorabend
der Reformation „überall" (7) gab, gingen ebenso in die
Bewegung Luthers ein wie die „Reichsritterschaft als solche"
(27), die z.T. dem Raubritterwesen .verfallen' war (8); in den
Sekten, deren Existenz mit dem Hinweis auf den deutschen Hussi-
ten Friedrich Reiser belegt wird (14) — der allerdings schon zwei
Generationen vor Luthers Thesenanschlag hingerichtet wurdeI —,
bereitete sich die spätere Aufspaltung der Reformationsbewegung
ebenso vor wie im Humanismus, den der Verfasser als eine „Gelehrtenbewegung
" charakterisiert, in der „nicht in ihrer ganzen
Fülle ... die ganze Renaissance in Erscheinung" getreten sei (9).
Entsprechend wird ein Zusammenhang des „linken Flügels" der
Reformation mit dem spätmittelaltcrlichcn Sektenwesen angenommen
oder jedenfalls für wahrscheinlich gehalten (14 f. 30),
und es wird der Einfluß des Humanismus auf die schweizerischoberdeutsche
Sonderentwicklung stark hervorgehoben: „Daß
Zwingli und die Seinen in Marburg (. . . 1529) keine wirklichen
Konzessionen machen konnten, wollten sie daheim keinen schweren
Anstoß erregen, zeigt nur, wie wurzelfest humanistisches Denken
in Schweizer Kantonen und vielerorts auch in süddeutschen Städten
geworden war" (55). Der Bauernkrieg aber ist überhaupt kein
„in unmittelbarem Sinne kirchengeschichtliches Ereignis" (41), und
soweit die Reformation auf ihn eingewirkt hat, ist nicht Luther,
sondern eher Zwingli (!) zu nennen (42 mit Anm. 6).

Die Würdigung dieser Darstellung der Anfänge der
Reformation hat davon auszugehen, daß der Verfasser die unerhörte
Komplexität des Zeitalters in ihrer ganzen weiträumigen
Vielfalt zu erfassen gesucht hat. Dabei geht er auch insofern über
die ihm gesetzten Grenzen hinaus, als er die Anfänge der Reformation
außerhalb des Reiches wenigstens in Stichworten behandelt
(22 ff. 48 ff) — warum allerdings der „österreichische Besitz
Habsburgs" in diesem Zusammenhang erscheint (23), versteht
man nicht recht —, und er belegt seine Darlegungen mit reichlichen
Literaturangaben .

') Leider stecken diese Literaturangaben allerdings voller Fehler:
nahezu auf jeder Seite sind Berichtigungen nötig. Ich verzeichne im
Folgenden nicht die zahlreichen Druckfehler oder kleineren Ungcnauig-
keiten in Titelangaben, Jahres- und Seitenzahlen, die mir aufgefallen
sind, sondern nur gravierende Fälle, in denen dem Benutzer durch die
vorliegenden Angaben der Zugang zu den betreffenden Arbeiten u. U.