Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1966

Spalte:

518-520

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Pizzolato, Luigi Franco

Titel/Untertitel:

La "Explanatio psalmorum XII" 1966

Rezensent:

Altendorf, Hans-Dietrich

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

517

Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 7

518

licher religionsgeschichtlicher Studien gemacht. Diese neuerliche ich an der schwierigen Stelle 13 (24) - nicht 14 (25) S. 40 - dem
Untersuchung verdankt ihr Dasein vor allem der fruchtbaren äthiopischen Text folgen und übersetzen „Ich war in allem
Situation, die durch die bedeutendsten Handschriftenfunde der (kuello = koptisch terif) mit ihnen (meslehomu)".
beiden letzten Jahrzehnte entstanden ist: den essenischen Schrift- Tübingen Otto Betz
rollen vom Toten Meer und den koptisch-gnostischen Handschriften
von Nag Hammadi. Die letzteren bieten aufschlußreiches Pizzolato, Luigi Franco: La „Explanatio Psalmorum XII". Studio
Vergleichsmaterial für das im 2. nachchristlichen Jahrhundert ver- letterario sulla esegesi di Sant' Ambrogio. Milano: Archivio Ambro-
faßte Apokryphon, weil die Ep Ap — so wird die Epistula siano 1965. 121 S. gr. 8° = Archivio Ambrosiano, XVII.
Apostolorum im folgenden abgekürzt -wie manche der neu- Im Ansdiluß an Lazzatis Abhandlung über die Exegese des
entdeckten gnostischen Traktate als Gespräch des auferstandenen Ambrosius1 untersucht Pizzolato die Auslegung von zwölf
Jesus mit seinen Jüngern konzipiert ist und auch inhaltlich gno- psalmen> die Ambrosius hinterlassen hat. Es sind die explana-
stisierende Vorstellungen bietet. tiones zu den Psalmen 1, 35—40, 43, 45, 47, 48, 61, die gemein-
Hornschuh hat im ersten Hauptteil seiner Studien manche sam überliefert sind (der Kommentar zu Psalm 118 gehört nicht
der bis dahin dunkel gebliebenen „Offenbarungen" der Ep Ap zu der Gruppe). Doch liegt keine vom Verfasser beabsichtigte
mit Hilfe des Evangeliums Veritatis, des „Apokryphon des Jo- literarische Einheit vor: die Auslegungen sind zu verschiedenen
hannes", des Thomas- und Philippus-Evangeliums und anderer Zeiten entstanden, als letzte die von Psalm 43, die Ambrosius
gnostischer Texte zu erhellen vermocht. Seiner Meinung nach ist dem Paulinus, seinem späteren Biographen, kurz vor seinem
die Christologie der Ep Ap nicht etwa, wie ihr erster Heraus- Tode zu diktieren begonnen hatte (Paulinus, Vita Ambrosii 42);
geber C. Schmidt meinte, von der Logoslehre der Apologeten sje ist nicht mehr zu Ende geführt. Die Zusammenstellung der
geprägt, sondern vom gnostischen Doketismus. Freilich mache zwölf Auslegungen ist also nach dem Tode des Bischofs vorgehe
Ep Ap zunächst eher einen antignostischen Eindruck, da in ihr nommen worden.

die Fleischwerdung des Logos betont, vom Kreuz Christi ge- j-);e Untersuchung ist in drei Abschnitte geteilt. Im ersten
sprochen und die Auferstehung des Fleisches vertreten werde. _ La genesi della „Explanatio Psalmorum XII" - zeigt Verf., daß
Aber diese Thesen seien doch gnostisch erweicht: Die Heisch- es s^ bei den psalmauslegungen um ursprüngliche Predigten
werdung bedeute keineswegs eine Kenosis des Logos, der nach handelt, die Ambrosius nachträglich schriftlich fixiert hat, wobei
wie vor die Erhabenheit eines Himmelswesens behalte, und das er eine me]ir 0(jer weniger tiefgreifende Überarbeitung vornahm.
Kreuz als solches sei kein Heilsereignis, da das Heil echt gnostisch j->;ese Arbeitsweise des Ambrosius ist uns vertraut; so sind die
einzig der Offenbarung und Lehre Christi zugeschrieben werde $e(^s sermones de saCramentis mitstenographierte Eucharistic-
(S. 1-61). Andererseits sei gerade diese Offenbarung mitunter predigten, während der Traktat de mysteriis die endgültige Ausrecht
ungnostisch konzipiert und die Ep Ap von einer zweiten, arbeitung der Predigten darstellt: Übereinstimmung und Unter-
jüdischen, Komponente maßgeblich bestimmt: Die heilsgeschidit- sdlje(j tatsächlich gehaltener Rede und der für das Lese-
'iche Kontinuität und die Verbindung mit Israel seien gewahrt, publikum bestimmten Fassung lassen sich in diesem Fall lehrreich
dazu der Geschichtsplan Gottes, der außer der Gegenwart audi studieren. Für die Psalmenauslegung sind wir nicht in der Lage,
die alttcstamentliche Vergangenheit und die apokalyptische einen derartigen Vergleich anzustellen, da wir nur die endgültige
Zukunft umfasse. Einen spezielleren Hinweis gäben der Dualis- Redaktion besitzen. Doch weist sie genug Spuren der ursprüng-
mus Licht und Finsternis, das „Armenpathos" der Ep Ap und vor Iidien ^deform auf, die Verf. vorsichtig ermittelt. Aus dem Umallem
verschiedene apokryphe Zitate — all dies sei in den Qum- stand, daß Ambrosius seine Reden so oft einer „rielaborazione
fanschriften am besten belegt (S. 62—80). scritta" unterzog, darf man wohl mit Pizzolato sich Lazzatis an
Auf Grund dieser neugewonnenen Einsichten, die sich m. E. und für sich überraschend klingende Feststellung zu eigen machen,
noch erheblich hätten vermehren lassen, wird für die Ep Ap eine daß der große Redner „nonc tanto oratore quanto scrittore anchc
n^e Standortbestimmung vollzogen. Nach C. Schmidt soll sie in se il suo Stile e quello dell oratona secondo i precetti dell antica
der zweiten Hälfte des 2 Jhdts. n. Chr. geschrieben worden sein, retorica" Nach einem Blick auf die Zusammensetzung der Zu-
"nd zwar von einem Manne, der in den großkirchlichen Kreisen hörerschaft, die Ambrosius in seinen Predigten vor Augen gehabt
K'einasicns beheimatet war und lediglich die uns vertraute Tra- haben mag, wendet sich Verf. der Chronologie der Explanationes
d'tion der Evangelien und Apostelgeschichte gekannt und dann zu. Er kann einige der bisherigen Datierungsvorschlage berich-
niit der Logosspekulation der Apologeten versetzt haben soll. tigen; vor allem weist er nach, daß die Auslegungen der Psalmen
Hornschuh hingegen weist die Ep Ap einem judenchristlich-esse- 35 bis 40 nur scheinbar.eine geschlossene Gruppe bilden; sie sind
nischen Verfasser zu der sich - freilich selbst gnostisch beein- zu verschiedenen Zeiten entstanden3. Im ganzen können die
flußt _ mit der Gnosis des Basilides auseinandergesetzt haben Texte in die Jahre 387-397 gesetzt werden. Letzte Sicherheit
mag- Der Schauplatz dieser Auseinandersetzung mochte Ägypten, läßt sich im einzelnen wegen der spärlichen Indizien nicht errei-
der Zeitpunkt die erste Hälfte des 2. Jdts gewesen sein (S. 92- dien, doch sind Pizzolatos Datierungen wohl begründet.
119). Der Verfasser kannte noch keinen fest abgegrenzten Kanon Expl. ps. 38 gehört in die Jahre 388/89, weil offensichtlich auf den
u°d konnte über die synoptischen Evangelien hinaus aus einem Untergang des Usurpators Maximus (nicht des Eugenius) angespielt ist,
Reservoir einer mündlichen Gcmeindeüberlicferung schöpfen, die der im Sommer 388 erfolgte. §27 (S. 204 Petschenig) heißt es: hic si
auch außerkanonisches Gut enthält (S. 20). ») G.Lazzati, II valore letterario della esegesi ambrosiana, 1960
M An diesem Punkte mag man beginnen, bedenklich zu werden. (Archivio Ambrosiano 11).

E. muß die Bekanntschaft mit außerkanonischem Jesusgut für ,^ L'autenticitä del „De Sacramentis" e la valutazione Iettcraria

rc Ep Ap ebensowenig angenommen werden, wie etwa für die d€]]e opere di S. Ambrogio, Aevum 29 (1955) 33, zitiert von Pizzolato

bisher gefundenen gnostischen Evangelien aus Nag Hammadi. S. 13. Pizzolato scheint mir in diesem Zusammenhang die Äußerungen

Außerdcm hat Hornschuh den Anspruch der Ep Ap und den Wert des Ambrosius über seine Schüchternheit zu schwer zu nehmen (S. 14)

**pjSd,„°t,ä«uä^rsrJ^ sÄs^s^-^^^^ir

SchVUS d" An*abe' ,eSUS SC1 2USJammC,n TLj T.-TC Ambrosius Kl Thraede, Zu Ursprung und Geschichte der christlich-la-

wachern vom Kreuz abgenommen und an aer bcnadelstatte De- teinisdien Poesie m Jahrbuch f. Antike u. Christentum 6 (1963) 106 f.

s aben worden, nicht etwa schließen, hier habe man es mit einer j^raeie vermeidet seinerseits nicht immer die Gefahr, in allen derartigen

^ten, historisch zutreffenden Tradition zu tun, nach der Jesus am Aussagen n u r noch Topos zu sehen. Aber wie soll man sein Unver-

»** der Hinrichtung mit den anderen Exekutierten in ein Ver- mögen anders ais in Topoj ausdrücken? Im Einzelfall ist die Entschei-

"rechergrab geworfen worden sei (S. 12 ff). Ebensowenig sollte dungj 0b Phrase oder unmittelbare Aussage vorliegt, schwer zu treffen.

man die Abschlußformcl in einer der äthiopischen Handschriften: 3^ Dje jn dieser Gruppe sich findenden Verweise auf die vorher-

»Beendigt ist das Buch des Testamentes im Frieden Gottes" für gehenden Psalmen sagen nichts aus über die Abfassungszeit der Exe-

ürsPrünglichc Überlieferung halten und in ihr den Anspruch aus- gcSen: Pizzolato S. 15 hat gesehen, daß Euseb in seiner Auslegung glcich-

pdrückt finden die Ep Ap sei die „von Gott ausgestellte falls gerade diese Psalmen miteinander verkettet. Es liegt also eine

Urkundc der Stiftung des neuen Bundes" (S. 19). Hingegen würde Übernahme von Eusebs Exegese vor.