Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1966

Spalte:

500-503

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Dünner, Alfred

Titel/Untertitel:

Die Gerechtigkeit nach dem alten Testament 1966

Rezensent:

Koch, Klaus

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

499

Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 7

500

werden nie von Nichtisraeliten dargebracht. Ähnlich ist es in Kg und
Chr. Die Auswirkungen des Bundesopfergedankens werden dann über
die Texte von Qumran und die Mischna bis in die neutestamentliche
Eucharistie hinein verfolgt, in der wesentliche Elemente des Bundesopfers
neu aufgenommen werden (123 ff).

Die These dieses Buches wird mit einer eindringenden Exegese
aller diese Opferart erwähnenden alttestamcntlichen Abschnitte
begründet. Diese Exegesen und statistischen Überblicke
allein schon machen seinen Wert für alle folgenden Untersuchungen
über das israelitische Opferwesen aus. Fraglich bleibt allerdings
, ob die Hauptthese, in den sliamim-Opfern eine speziell zu
Bundesfest und Bundesordnung gehörige Opferart zu sehen, gegen
alle Zweifel gesichert ist. Der Verf. ist aufrichtig genug, dies
selbst ausdrücklich zu betonen (118 f). Der schwache Punkt
scheint mir vor allem in der angenommenen ursprünglichen Verbindung
der s'lämTm-Opfer mit dem sog. israelitischen Bundesfest
zu liegen (105 f). Auch wenn man die Bedenken einiger Ausleger
gegen die bloße Existenz eines solchen Festes für unbegründet
hält (immerhin darf nicht vergessen werden, daß es nach wie vor
eine Hypothese ist, wenn auch eine m. E. neuerdings immer gewisser
gewordene), scheint gerade das Opfer den am losesten mit
seiner Liturgie verbundenen Zug zu bilden. Gerade die besonders
wichtigen Quellen Jos 24; Dt 27; Jos 8, 30 ff erwähnen das Opfer
beim Bundesschluß überhaupt nicht; sein Zeuge bleibt im Grunde
allein der Elohist (so richtig auch der Verf. 106). Vor allem aber
bietet auch das Bundesformular in seiner hethitischen Ausprägung
keinen entsprechenden Zug :i. Das sdieint nicht zufällig mit dem
Fehlen einer den israelitischen s'lämim entsprechenden Opferart
im hethitischen Bereich (62 ff) zusammenzutreffen. Ob also gerade
das Opfer einen ursprünglichen Bestandteil des Bundesformulars
bildet, ist fraglich. Es ist schade, daß der Verf. im
wesentlichen nur von Rad, nicht genügend aber die dessen Beobachtungen
fortführenden und präzisierenden neueren Arbeiten
über das (hethitische) Bundesformular auswertet4. Allerdings
gehört im Hinblick auf den allgemeinen Begriff „Bund" nach
übereinstimmender Meinung ein Opfer zum Vorgang eines Bundesschlusses
— aber dieses Opfer, das zerteilt wird (m"na ni:),
scheint eine andere Form als die s°lämim zu sein, und außerdem
bildet im hethitischen Vorbild des Bundesfestes und vermutlich
infolgedessen auch in ihm selbst ein ganz andersartiger Vorgang
den institutionellen Hintergrund. Von daher müssen alle weiteren
Folgerungen aus diesem Verhältnis hypothetisch bleiben.

In Einzelheiten ließen sich auch sonst noch Verbesserungsvorschläge
anbringen. Ob z. B. die Priester bei ihrer Einschätzung der Opfer wirklich
so oberflächlich geurteilt und das Leben nicht berücksichtigt haben (96),
erscheint angesichts der sog. Tempeleinlaßliturgien doch fraglich (vgl.
dazu Koch in Festschr. von Rad, 1961, S. 45 ff). Man muß hier manche
Pauschalurteile abbauen. — Kann man urteilen, daß die Patriarchen und
überhaupt die Israeliten bis zur Einwanderung keine festen Kultorte
kannten? (36) Dem scheint die Bedeutung des Sinai, von Kadesch und
gerade das Haften der Patriarchentraditionen an bestimmten Kultorten
zu widersprechen. Daß dort kein festes Priestertum in alter Zeit bestand
, mag sein, ist aber nicht sicher: das Auftreten Melchizedeks (Gen
14, 18 ff) und beispielsweise Jethros (Ex 18) könnte im Gegenteil auf
die Teilnahme der Patriarchen und Israeliten an bestehenden Kultinstitutionen
der Einheimischen deuten. Dies alles und überhaupt der historische
Wert der Patriarchenüberlieferungen ist jedoch zu umstritten, als
daß man hierauf allzuviel aufbauen könnte.

Schließlich enthält das Werk manche Druckfehler; S. 95, Z. 26 fehlt
ein Wort („von D'TJ^IB ?"), ohne das der Satz unverständlich ist. Manche
scheinen schon dem Manuskript zu entstammen: S. 13, Anm. 3: G.B.
Gray, Sacrifice in the Old Testament; S. 48, Anm. 9: Chester-Beatty:
beides kehrt im Lit.-Verz. wieder.

Dem Werk sind dankenswerter Weise ausführliche Register beigegeben
: Abkürzungsverzeichnis, Literaturverzeichnis, Schriftstellenregister
, Autorenregister.

3) Vgl. vor allem K. Baltzer, Das Bundesformular, 1960, bes.
S. 19 ff.

4) Baltzer und auch W. Beyerlin, Herkunft und Geschichte der
ältesten Sinaitraditionen, 1961, werden zwar gelegentlich genannt, aber
für diese Kernfragen nicht berücksichtigt.

Bochum Henning Graf Rerentlow

Dünner, Alfred: Die Gerechtigkeit nach dem Alten Testament. Bonn:
Bouvier * Co. 1963. IX, 139 S. 8° = Schriften z, Rechtslehre u.
Politik, hrsg. v. E. von Hippel, Bd. 42. Kart. DM 17.50.

Ein katholischer Jurist wendet sich einem der schwierigsten
Probleme alttestamentlicher Theologie zu. Es ist erstaunlich, wie
gut er sich in die einschlägige Literatur eingearbeitet hat und wie
geschickt er seinen Weg durch das Gewirr von Meinungen steuert.
In weiser Beschränkung forscht er nicht danach, wo immer eine
allgemeine Gerechtigkeitsidee durch die Texte hindurchschimmere,
sondern untersucht allein die Begriffe sädäqlsvdaqa, wobei er
sich der Problematik der deutschen Wiedergabe durchaus bewußt
ist.

Die Studie ist gegliedert in einen systematischen und einen
— wesentlich kürzeren — historischen Teil. Der systematische Teil
wendet sich nach einer Einleitung dem juristisch-forensischen
Inhalt der alttestamentlichen Gerechtigket zu. D.
streift zunächst auf vier Seiten die Stellen, wo sdq im Sinne von
„Rechthaben, im Recht sein" gebraucht wird, um sich dann der
„alttestamentlichen Gerechtigkeit in ihrer Bedeutung als rechtes
richterliches Verhalten" zuzuwenden. Auf diesem Abschnitt, der
auch über „die strafrichterliche Gerechtigkeit Gottes" handelt und
mehr als ein Drittel des Buches umfaßt (S. 12—59), liegt das
Schwergewicht der Arbeit; hier schlägt das Herz des Verfassers.
Für Fragestellung und Gedankengang sind Zwischenüberschriften
bezeichnend wie „Die Richter als Hüter der forensischen Gerechtigkeit
" (17), „Stehen die Begriffe ,Gerechtigkeit' und .gerichtliche
Vergeltung' im Alten Testament in einem inneren Zusammenhang
?" (19), oder deutlicher „Die Unbegründetheit der
Leugnung strafrichterlicher Gerechtigkeit im besonderen" (46).
Ergebnis: „Zwar ist die Auffassung von der Gerechtigkeit Gottes
als einer stets sich offenbarenden höchsten .Wohltat' und ,Heilsgabe
' unhaltbar, doch kann neben der Strafgerechtigkeit Gottes
die Gnade nie ganz weggedacht werden" (45). — Auf ungefähr
jeweils 10 Seiten folgen der sozial-ethische Inhalt
(gemeinschaftsgemäßes Verhalten), der religiöse Inhalt
(Gerechtigkeit und Gnade) sowie die Bedeutung des
Wortes mishpat für die alttestamentliche
Gerechtigkeitsvorstellung mit einer Erörterung
über das Naturrecht im Alten Testament. (Beneidenswert, wie
schnell und sicher mishpat definiert wird als „ .Recht' im Sinne
von rechter innerer und äußerer Ordnung im religiösen, sittlich
und sozialen Bereich der Gemeinschaft", 82).

Im historischen Teil (91—129) wird die Entwicklung des Gedankens
von der Gerechtigkeit Jahwes und der
menschlichen Gerechtigkeit verfolgt. Die Vorstellung
von Gottes sädäqlscdaqa ist kurz nach der Landnahme
von den Kanaanäern übernommen und später besonders durch die
Propheten vertieft worden, was sich dann im Glaubens- und
Gebetsleben der Psalmisten abspiegelt. Im Spätjudentum kommt
es zur Inhaltsveränderung in Richtung auf Werkgerechtigkeit. Ein
„ausgesprochen tiefgreifender Wandel" ist jedoch nirgends sichtbar
(131).

Wenn ein Jurist sich so eingehend mit der alttestamentlichen
sedaqa befaßt, wird es der Exeget nur begrüßen. Nutzen entspringt
daraus gewiß für die Rechtswissenschaft, Nutzen vielleicht
aber auch für die Bibelwissenschaft, der moderne juristische Fragestellungen
in der verfahrenen Diskussion um den Sinn von
sädäq und sedaqa hilfreich sein können. So greift man mit
Spannung zu diesem Buch, zumal sich der Verfasser in den hebräischen
Urtext eingearbeitet hat.

Daß seine Kenntnis des Hebräischen nicht ganz ohne Lücken ist,
merkt man freilich an einigen Umschriften. So schreibt er zwar stets
sedaqa, doch den Plural sidquot (12 bis) und den Personennamen
Sidquia (93); was soll das u? „Arm" wird aebijion wiedergegeben (64
statt aebjori). Auch bei der Bestimmung von Formen und Vokabeln
gibt es Versehen. Josed gilt als „Piel-participium" (55 A 268), Jes 26, 9
wird in der LXX-Lesart geboten, ohne daß die Abweichung vom maso-
retischen Wortlaut bemerkt wird (73).

D. verfährt so, daß er die älteren Monographien
von Alttestamentlern zum Thema gegen die neueren
ausspielt. Also Kautzsch, Nötscher, Baudissin gegen Fahlgren,
Cazelles und den Rezensenten. Das geschieht nicht ohne Geschick.