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Ausgabe:

1966

Spalte:

497-499

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Schmid, Rudolf

Titel/Untertitel:

Das Bundesopfer in Israel 1966

Rezensent:

Reventlow, Henning

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 7

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Vorlesung von 1929 „Was ist Metaphysik?" (i9608) den Theologen
„aus der Erfahrung des Christlichen" die Entscheidung zugemutet, ob
sie die überkommene Verflechtung der „göttlichen Weisheit" mit der
griechischen Ontologie gutheißen oder nicht. Zweifelnd und hoffend
zugleich heißt es da: „Ob die christliche Theologie sich noch einmal entschließt
, mit dem Wort des Apostels und ihm gemäß mit der Philo"
Sophie als einer Torheit Ernst zu machen?" (19 f). — Zu alledem wäre

zu vergleichen die unüberbietbare Schärfe der Antithetik in dem in
Hofgeismar geführten „Gespräch mit Heidegger", in: Anstöße, 1. Jg.
1954, Nr. 2, 30—37. — Es ist schwer, anzunehmen, daß H. Jonas von
alledem nichts weiß. Aber warum kommt dann diese Seite in Heideggers
Denken nicht zur Geltung? Jedenfalls entsteht dadurch die Gefahr, daß
ein urteilsloses Publikum in die Irre geht und die Zeit in ihrem Zuge
zur Ignoranz bestärkt wird.

ALTES TESTAMENT

Schmid, Rudolf: Das Bundesopfer in Israel. Wesen, Ursprung und
Bedeutung der alttestamentlichen Schelamim. München: Kösel-Verlag
1964. 140 S. gr. 8° = Studien zum Alten u. Neuen Testament, hrsg.
v. V. Hamp u. J. Schmid, IX. Kart. DM 18.-.

Der Kultus als Thema gehört heute zu den Modeerscheinun-
gen der alttestamentlichen Wissenschaft, wie sie es in jeder
Generation gibt und wie sie für die besondere Problemlage einer
jeden Generation charakteristisch sind. So fällt es nicht schwer,
eine Fülle von Publikationen zu nennen, die sich in These oder
Antithese mit kultischen Fragen im Räume des Alten Testaments
beschäftigen. Zu denken geben sollte aber doch, daß wir bei allem
intensiven Interesse am alttestamentlichen Kultus über seine konkreten
Formen, über das Aussehen seiner tatsächlichen Riten und
Gebräuche noch so wenig Bestimmtes wissen. So ist es sehr
dankenswert, daß hier von dem jungen katholischen Alttesta-
mentler R. Schmid in Luzern eine Arbeit vorgelegt wird, die sich
mit einer besonderen Form der Opfer, die im Alten Testament
erwähnt werden, den sog. Schelamim, eingehend und gründlich
beschäftigt.

Der Aufbau der Arbeit ist sehr planvoll und überlegt: Zunächst
versucht ein erster Teil das Wesen des s<-lämim-Opfers auf Grund der
biblischen Belege für diese Opferart zu bestimmen (17—44). selämim
sind Schlachtopfer, bei denen ein Teil für Jahwe verbrannt, ein Teil dem
Priester gegeben, der Rest vom Darbringenden in seiner Gemeinschaft in
sakralem Mahl verzehrt wird (19). Als Termini für diese Opferart
kommen neben D^bo Verb und Substantiv vom Stamme rDT (kal.
und pi., Substantiv: l"T?.J) in frage. Zuerst wird nun in einer Reihe von
Statistiken das Vorkommen dieser verschiedenen Bezeichnungen und der
Kontext, in dem sie stehen, behandelt (20—27). Hier ergibt sich schon,
daß wir es offensichtlich mit Bezeichnungen für ein M a h I o pf e r zu
tun haben. Ein Unterabschnitt (3.: 37—39) behandelt die Bestimmungen
der Priesterschrift über Bwtj l"Öt un(j vergleicht sie mit den Hinweisen
, die wir aus älteren Quellen über die frühesten Formen der
Opferdarbringung gewinnen. Hier sind besonders wichtig der Blutritus,
der bei den selämim nicht Sühne, sondern Darbringung des Lebens an
seinen Herrn und die Verbindung mit Jahwe durch den Bund bedeutet,
die für Jahwe verbrannten Innereien und Fetteile und der Priesteranteil,
der in den alten Texten noch nicht vorkommt, da die Opfer ursprünglich
vom Hausvater (Vorsteher) dargebracht wurden. Abschnitt 4 (39—44)
weist, wieder statistisch, nach, daß D^nbti ursprünglich allein als Opferbezeichnung
gebraucht wurde (Ri 20,26; 21,4; 1. Sam 11,15; 13,9;
2. Sam 6,17.18.19; 24,25 (vgl. 104)); die Genetivverbindung TOT
D^Va ist verhältnismäßig jung.

Wichtig ist der zweite Teil (4 5—99), in dem durch einen Vergleich
mit den Opferbräuchen der Umwelt (Ägypter, Babylonier/Assyrer, Araber
, Kleinasiaten/Hethiter, Kanaaniter/Phönizier, Griechen) das überraschende
Resultat gewonnen wird, daß es zu dem typisch israelitischen
seläm!m-Opfer (mit Blutritus, Brandopferanteilen, gemeinsamem heiligen
Mahl) nur bei den Kanaanitern/Phöniziern und den Griechen Entsprechungen
gibt. Während auch im kanaanitischen Raum das Vorkommen
eines den israelitischen s<'lämlm entsprechenden Opfertypus unsicher
bleibt, wenn es Schmid auch für wahrscheinlich hält, läßt sich überraschenderweise
in der griechischen $v6!a bei Homer (dessen Überlieferungen
in die bronzezeitlich-mykenische Kultur zurückreichen) die engste
Entsprechung: mit Vorbereitung, Verbrennung des Anteils der Gottheit
und anschließendem gemeinsamen Mahl, nachweisen. Hier fehlt jedoch
der Blutritus, der in Verbindung mit der Gesamtheit der übrigen Züge
in Israel einzigartig ist, jedoch zusammen mit dem Mahlopfer bei den
nomadisdien Arabern der vorislamischen Zeit vorkommt.

Diese doppelte Beobachtung bildet den Ausgangspunkt für den
zweiten Abschnitt (75—99), in dem eine Geschichte der israelitischen
i*lflmiffl gegeben wird. Der Gang der Entwicklung wird dabei so gesehen,
daß die Stämme vor der Landnahme zunächst ein Nomadenleben nach

Art der heutigen arabischen Nomaden führten, dann aber im Lande die
Lebens- und Kultformen der ansässigen (kanaanitischen) Bevölkerung
weitgehend übernahmen. Entsprechend entwickelten sich die selämim.
Zunächst wurden sie von dem angesehensten Privatmann der Gemeinschaft
dargebracht, mit Schlachten, Blutritus und gemeinsamem Mahl
wie bei dem arabischen Mahlopfer. Sie waren an keine bestimmten
Heiligtümer gebunden. Diese Bindung trat erst nach der Landnahme ein,
wo von den Kanaanäern auch die Einrichtung eines festen, für die Opfer
allein zuständigen Priestertums (mit festen Anteilen) und der Verbrennung
von Teilen des Tieres übernommen wurde. Die (in P erreichte)
Endform ist eine Mischform zwischen der ursprünglichen nomadischen
und der landgebundenen Art.

Dieser Abschnitt enthält noch zwei besondere Nuancen: einmal die
interessante These, daß die Mahlopfer mit Verbrennung des Götteranteils
, die Israel von den Kanaanitein übernahm, über Phönizien/Ugarit
auf ägäische Einflüsse zurückgehen (90—92) — die schon durch die Beobachtungen
bei Homer vorbereitet war —, zum andern die Verbindung
verschiedenster Erwähnungen von r"fc und 0,'?™>? mit dem Bundesgedanken
in Pentateuchstellen (in Ex 10,25 J; 18, 12 E; 24,5; 32,6;
Dt 27, 7 a E/Jos 8, 31 und Jos 22) — was dann im dritten Teil wieder
aufgenommen wird. Zum ersten Punkt wäre noch zu erwähnen, daß der
Verf. auch den Namen selämlm für von den Kanaanitern als Fremdwort
übernommen ansieht (die Endung ist nicht Plural, sondern Mimation)
(42 f).

Der dritte Teil (101—126) spricht dann noch über die Bedeutung
des selämim-Opfers in Israel. Hier wird der gleich von Anfang an als
Übersetzung für D,72btt5 (statt der sonst üblichen, 14) gewählte Begriff
Bundes opfer begründet. Neben dem allgemeinen Mahlcharakter
(103 f) findet der Verf. unter Berufung auf G. von Rad J) eine besondere
Verbindung der selämIm-Opfer mit dem israelitischen Bundesfest. Von
einem Opfer anläßlich des Bundesschlusses am Sinai berichtet Ex 24, 5 E
(vgl. 85); aus der gleichen Quelle stammt der Einschub in Dt 27, 7 a, vgl.
Jos 8,31 (86 f) 2. Nach den älteren Pentateuchquellen bedeutet also
selämlm eine Opferart, die in besonderer Weise mit dem Bundesverhältnis
verknüpft ist: „Während das israelitische Volk seinen Bundesgott
durch Brandopfer und selämim ehrt, anerkennen die Nicht-Israeliten ihn
durch Brandopfer und Mahlopfer (zebähim)" (107). Die so eingeleitete
Entwicklung sieht der Verf. dann noch im späteren Sprachgebrauch bestätigt
, insofern das Adjektiv E?® in den Königs- und Chronikbüchern
in der Spezialbedeutung „ganz ergeben" vorkommt (bes. 1. Kg 8,61;
2. Kg 20,3; 1. Chr 29,19; 2. Chr 25,2) und von daher auch die
Genitivverbindung B^pb'ijj ^5! in diesen beiden Quellen und bei P als
Deutung des ursprünglichen Lehnworts aus der hebräischen Wortwurzel
Ebuj verstanden werden kann (107 f). Entsprechend „bestimmt selämlm
als Genitiv" bei dem Autor der Königsbücher „das allgemeine zebah
in Fällen, wo dadurch der Bund mit Gott geschlossen, erneuert oder bestätigt
wird. . . Die Verbindung zebah seIämim wird dadurch zum
Opfer der Bundestreue" (117). Dies wird u. a. durch einen Vergleich
der Parallelberichte in Kg und Chr über die salomonische Tempelweihe
(l.Kg 8; 2. Chr 5—7) gestützt (110 ff), insofern die Auslassungen des
Chronisten gerade die Anspielungen auf den Sinaibund, zugunsten der
Davidsbundtraditionen, aus dem Text entfernen und dabei auch die Erwähnung
der selämim-Opfer durch zebah ersetzt wird (2. Chr 7,4).
„Offenbar sah er auch darin einen Bezug auf den Bund des Volkes mit
Jahwe" (114).

Ein letzter Abschnitt: „Die Bedeutung der selämim im Leben des
Israeliten"(ll8 ff) bringt noch einmal so etwas wie eine Zusammenfassung
der Ergebnisse. Die Bedeutung der selämlm wird dabei in ihrer
Zuordnung zum Bund gesehen. Dies ist auch die Absicht des Verfassers
von P, wenn er die entsprechenden Opfergesetze Mose in den Mund
legt, wobei aber die seIämim-Opfer eine besonders enge Beziehung zum
Bundesverhältnis aufweisen. selämim gelten immer dem Bundesgott und

') Das formgeschichtliche Problem des Hexateuchs. 1938 = Gesammelte
Studien zum Alten Testament, 1961, S. 9 ff.

2) J hat in Ex 24, 11 nur noch einen Überrest der Erwähnung einer
Opfermahlzeit — vgl. von Rad, a. a. O. S. 24, Anm. 17.