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1966

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Systematische Theologie: Allgemeines

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 6

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zugrundegelegten Auffassung des Mythos, dem als bloßem Hinweis
auf eine dahinterliegende Wahrheit oder gar als verantwortungsloser
Denkform sicher keine Gerechtigkeit widerfährt,
auch wenn diese Ansicht heute verbreitet ist. Ist es nicht umgekehrt
wieder ein mythisches Bild der Kirche, das der Verfasser
zeichnet, wenn er sie „das Objekt schlechthin" nennt? Und
welche Transzendenz ist gemeint, in die die „theozentrische Existenz
" hinaussteht? In der ganzen Studie bleibt gerade der Beziehungspunkt
dieser Existenzweise, „Gott", seltsam verborgen
und unbesprochen. Es scheint, als sei das „theos" eine Chiffre für
„ekklesia". Doch hierüber und über manche damit zusammenhängende
Einzelfragen darf man vielleicht noch ausführlichere und
differenziertere Klärung erhoffen, wenn der Verfasser die un-
überhörbare Frage, „was unter Kirche in diesem Sinne zu verstehen
" ist, später einmal umfassender als in einer Anmerkung
(S. 160 f) behandelt.

Saarbrücken Gert Hummel

Laurentin, Rene: Die marianische Frage. Übers, v. M.Reinhard.
Freiburg-Basel-Wien: Herder [1965]. 186 S. 8°. DM 16.80.

Vermutlich hätte ein Buch wie das vorliegende nicht im
Raum des deutschen Katholizismus entstehen können, in dem
die inneren Gegensätze sehr viel weniger scharf zum Ausdruck
kommen als gerade in Frankreich, wo seit langem der Katholizismus
zu extremen Polarisierungen neigt. Indessen gestatten die
temperamentvollen Ausführungen des bekannten französischen
Mariologen doch über den französischen Bereich hinaus einen
Blick in die Situation der römisch-katholischen Kirche und Theologie
, wie sie anderswo kaum in gleicher Offenheit vorgeführt
wird.

Weithin liest sich dieses Buch wie eine Illustration zu der
Meinung, daß die eigentlichen Konfessionsgrenzen mehr und
mehr quer durch die Kirchen hindurch gehen könnten. Es hat
nicht weniger vor Augen als das drohende Auseinanderbrechen
des Katholizismus in zwei extreme Richtungen (man versteht
nach dieser Lektüre die in Frankreich vor einiger Zeit laut
gewordene Befürchtung vor einem Rechtsschisma!). Dabei wird
Maria Anlaß und Scheidepunkt für die Extreme: für die, die
mit Maria so gut wie nichts anfangen können und für die, denen
Maria Alles ist. Der Verfasser ist aufgeschreckt durch die Tatsache,
daß Maria — innerkatholisch! — „irgendwie Zeichen des Widerspruchs
ist". Er muß konstatieren: „Eine Kluft hat sich aufgetan
zwischen der Theologie und Mariologie". „Es gibt heute soviel
gegenseitige Unkenntnis, so viele Meinungsverschiedenheiten
und mitunter Feindseligkeiten zwischen beiden Disziplinen, daß es
einer Art Ökumenismus im eigenen Lager (ad intra) bedürfte"
(39)! „Es besteht also ein gespanntes Verhältnis zwischen einer
ganz auf Maria ausgerichteten Frömmigkeit und einer, die Maria
nicht berücksichtigt" (40). Der Grund für diese bedrohliche innere
Lage ist die genau beschriebene Ausweitung der Mariologie im
Katholizismus nach Quantität und Intensität, wie sie von einer
marianischen „Bewegung" vorangetrieben worden ist und vorangetrieben
wird.

L. untersucht die Entstehung und Eigenart solcher „Bewegungen
" im heutigen Katholizismus und stellt fest, daß es zwei völlig
verschiedene Arten von derartigen Bewegungen gibt: solche, die
im Sinne der Gegenreformation (und auch meist schon aus ihrer
Zeit herrührend) das von der Reformation Bestrittene besonders
kräftig unterstreichen und weiter ausbauen wollen (hier ist u. a.
die marianische Bewegung zu nennen) — und solche (meist jüngeren
Datums), die die Einseitigkeit der Gegenreformation gerade ausgleichen
wollen (wie die Liturgische Bewegung, die Bibelbewegung
und die ökumenischen Bestrebungen im Katholizismus). Man
könnte also von der „katholizistischen" und der „katholischen"
Reaktion sprechen, um damit eine von Jos. Thome gebrauchte
Unterscheidung aufzunehmen. Sehr aufschlußreich ist in diesem
Zusammenhang übrigens die Überprüfung der Begriffe Maxima-
Iisten und Minimalisten, deren prinzipielle Unbrauchbarkeit für
die Theologie konstatiert wird.

Man kann die vorliegende Arbeit verstehen als einen Versuch
, der weiteren Verselbständigung und dem weiteren Ausbau

der Mariologie (L. spricht von krankhaftem Riesenwuchs, Elefantiasis
! 26) entgegenzuarbeiten, sie in die Gesamttheologie neu
einzugliedern. Die marianische Bewegung soll „weniger nach ihrem
eigenen Wachstum trachten als nach ihrer katholischen Vertiefung
und ihrer harmonischen Einordnung in die Theologie wie in das
Leben der Kirche" (18 3). Die große Aufgabe ist es, die zwei Richtungen
zu versöhnen und die getrennten Linien zu verbinden,
damit für die Zukunft die via aurea, der Mittelweg betritten
werden kann. Das geht nicht ohne Reinigung der Auswüchse ab,
„doch soll diese Reinigung richtigstellen und stärken, nicht aber
zerstören" (105).

So viel man aus der erregenden Diagnose über den römischen
Katholizismus zustimmend wird lernen können (in früheren Zeiten
hätte sich dieses Buch geradezu als Rüstkammer der Polemik angeboten
) — so viele Fragezeichen wird man aus evangelischer Sicht
an den Vorschlägen zur Therapie anzubringen genötigt sein. Freilich
sind auch und gerade diese höchst lehrreich. Auch ein Mann
wie L. kann dem Übel bezeichnenderweise nicht an die Wurzel
gehen. Es ist ja ganz allgemein so: zwar wird auf katholischer Seite
des öfteren zugegeben, daß die Gegenreformation zu einer
falschen Einseitigkeit geführt hat; andererseits wird man doch
niemals konzedieren, daß die auf dem Boden dieser Einseitigkeit
erwachsenen Dogmen an der gleichen Einseitigkeit teil haben und
deshalb wieder rückgängig gemacht werden müssen! Reinigen,
aber nicht zerstören ist daher das Motto katholischer „Reform".
Die „Reformation" müßte weiterfragen nach dem, was sich auf
grund der als falsch erkannten „Bewegung" bereits an Falschem
in der Kirche etabliert hat. Müssen nicht gerade diese wilden
Triebe abgeschnitten werden, damit der Baum rechte Früchte
trägt? Die Probe auf das Exempel findet sich in den ökumenischen
Erwägungen des Buches (147 ff). Hier wird das Prinzip des sola
scriptura als vorübergehendes Mittel anerkannt und „Bibelkuren",
für die geschwächte Kirche sozusagen, empfohlen (160) — der
Reformation wird dagegen der Vorwurf gemacht, daß sie aus
diesem vorübergehenden Therapeuticum eine Dauer-Medizin (wir
müssen sogar sagen: eine tägliche Nahrung) gemacht hat. (Nüchtern
, illusionslos und sehr treffend wird übrigens der Gegensatz
zu den Ostkirchen in der Mariologie dargestellt! 172 ff.)

In mancher Hinsicht ist das Buch also aufmerksamer Lektüre
zu empfehlen. Die Übersetzung spiegelt das Engagement des Verfassers
trefflich wider. Da es im vorliegenden Text versäumt ist,
sei angemerkt, daß der mehrfach ( z. B. 1 853 an wichtiger Stelle)
erwähnte „Court traite" L.s in deutscher Übersetzung zugänglich
ist: R. Laurentin, Kurzer Traktat der marianischen Theologie»
Verlag Fr. Pustet, Regensburg 1959, 214 S. Dieser schöne historische
und systematische Abriß der Mariologie ist an genannter
Stelle geradezu als 2. Band zu den mehr methodischen Vorbemerkungen
des vorliegenden Buches bezeichnet.

Erlangen Gottfried M a r o n

Adler, Leo: Der Mensch in der Sicht der Bibel. München-Basel: Ernst
Reinhardt [1965]. 83 S. 8". Kart. DM 5.80; Lw. DM 7.80.

Andersen, Wilhelm: Spes quaerens intellectum. Zu Jürgen Molt-
manns „Theologie der Hoffnung" (LM 4, 1965 S. 442—452).

Bruch, Richard: Die persönliche Gewissensentscheidung (ThGl 56,
1966 S. 159—168).

Chene, Jean: Unus de Trinitate passus est (RechSR 53, 1965 S. 545
-588).

Dee, Helmut: Wesen und Wirklichkeit der Kirche nach Paul Tillid1

(MPTh 54, 1965 S. 269—278).
Haar, Johann: Ein Leben mit der Wahrheit. Zu Hans Joachim Iwands

Briefen an Rudolf Hermann (MPTh 54, 1965 S. 305—309).

logisierungsprogramm? (Concilium 2, 1966 S. 253—258).
Honecker, Martin: Weisen, von Gott zu reden (KidZ 21, 1966

S. 98—105).

La je, E.: Karl Rahner y el Sentido theologico de la muerte (Strc

mata 21, 1966 S. 5 1 5—523).
Oesch, W. M.: Eindeutige Fronten? (Lutherischer Rundblick 14, 1966

S. 2-11).

Rahner, Karl: Bemerkungen zur Gotteslehre in der katholische"
Dogmatik (Catholica 20, 1966 S. 1—18).