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Ausgabe:

1966

Spalte:

439-441

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Lamirande, Émilien

Titel/Untertitel:

L' église céleste selon Saint Augustin 1966

Rezensent:

Lorenz, Rudolf

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 6

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ihrem Denken und Forschen. Abraham Scultetus (1566—1624) tiker erwartet. In Augustins Sprache fehlt ein fester Ausdruck für
arbeitete vor allem auf dem Gebiet der Patristik und der Refor- das, was die heutige katholische Theologie himmlische Kirche
mationsgeschichte. Heinrich Alting (158 3—1644) entwarf einen nennt. So muß die Untersuchung ihren Gegenstand erst heraus-
groß angelegten Überblick über die ganze Heilsgeschichte im präparieren. Die Bereiche Engelwelt, civitas Dei, eschatologisches
universalhistorischen Rahmen, wobei seine Periodisierung sich Jerusalem, pilgernde Kirche werden daraufhin abgehorcht, was sich
dann weithin durchsetzte. Im besonderen übernahm er es, die aus ihnen an Aussagen über die himmlische Kirche gewinnen läßt.
Geschichte der dogmatischen loci in seiner Theologia Historica zu Das geschieht zunächst in der chronologisch fortschreitenden Inter-
entfalten, wobei es ihm letztlich darum ging, die unveränderliche pretation von Augustintexten, und dann in mühevollen termino-
Substanz des kirchlichen Dogmas in allem Wandel der Akzidentien logischen Untersuchungen, besonders im 4. Kapitel: Die himmaufzuweisen
. Johann Heinrich Hottinger (1620—1667), der sich ja üsche Kirche und die Grundkategorien der augustinischen Ekkle-
besonders als Orientalist einen bleibenden Namen machte, bietet siologie. Das nicht allzu überraschende Ergebnis, daß civitas
in seiner Historia Ecclesiastica Novi Testamenti eine Fülle von caelestis bzw. civitas Dei, Jerusalem caelestis, ecclesia caelestis
Material, das auch bei ihm vor allem der konfessionellen, anti- (die spärlichen Belege für ecclesia caelestis sind S. 115-117 gerömischen
Polemik dienstbar gemacht wird. Bei Friedrich Span- sammelt) gleichbedeutend sind, verschafft dem Verfasser jedoch
heim d. J. (1632-1701) schließlich tauchen, vorerst noch am eine tragfähigere Arbeitsbasis, er kann die Aussagen über civitas
Rande, neue Horizonte auf: die Blickrichtung „contra Profanos", Dei caelestis und das himmlische Jerusalem auf die himmlische
ein neues Lebensgefühl und Naturempfinden, eine Geschichts- Kirche übertragen. Auf die Darlegungen zum Verhältnis zwischen
darstellung, in der Gott und der Teufel kaum mehr erwähnt himmlischer Kirche und Reich Gottes (S. 105-107), Kirche und
werden. (Spanheims bekannteste Werke stammen erst aus seiner communio sanctorum (S. 107-114) seien Interessenten hier nur
Leidener Zeit, während Benrath sich auf die Jahre seines Heidel- hingewiesen.

berger Wirkens beschränkt.) So führt die Darstellung bis an die Das Ergebnis ist im Sinne des vom Verfasser angestrebten

Schwelle einer neuen Zeit, die auch der Kirchengeschichtsschreibung Zieles nicht ganz befriedigend. Er hatte sich Aufschluß über den

neue Fragen aufgab und neue Ziele setzte. Zusammenhang der Elemente der übernatürlichen Welt erhofft,

Durch eine Reihe von Illustrationen, die dem Buch bei- abe,r er muß feststellen, daß Augustins Denken in diesem Bereich

gegeben sind, werden uns die dargestellten Theologen auch in "o* dje wünschenswerte Festigkeit erreicht hat (S. 150),

ihrer menschlichen Erscheinung präsentiert. odir sich nicht für die Probleme interessiert, deren Lösung ge-

BaseI Andreas Lindt sucht wird: etwa, ob die himmlische Kirche corpus Christi sei wie

- die irdische (S. 251). Dagegen läßt der vom Verfasser gewählte

Dussel, E.: Hacia una Historia de la Iglesia Latino-Americana Aspekt einige wichtige und oft vernachläsigte Seiten der augusti-

(Stromata 21, 1966 S. 483—505). nischen Ekklesiologie überraschend plastisch hervortreten.

Die himmlische Kirche ist zunächst die Gemeinschaft der

KIRCHEN GESCHICHTE: ALTE fi/RCHE Jg** l^^ÄSSÄ

lische Kirche eine eschatologische Größe, nämlich die Kirche der

Lamirande, Emilien, Prof. O.M.I.: L'Eglise Celeste se on saint Endzeit, in der nach der Auferstehung der Teil der civitas Dei, der

Angustin. Paris: Stüdes Augustin.ennes 1963. 321 S. gr. 8 . guf Efden pj]gerte ^ der Kirche def £ngej vereinjgt werden wird.

E. Lamirande, der sich durch frühere Arbeiten als guter Die irdische, pilgernde Kirche und die himmlische Kirche der

Kenner der augustinischen Lehre von der Kirche ausgewiesen hat Engel bilden dne Kjrdle Dieses Verhältnis bestimmt entscheidend

(z.B.: Un siecle et demi d'etudes sur l'ecclesiologie de saint das „Leben" und das Selbstverständnis der Kirche. Die Glieder der

Augustin, Essai bibliographique, Paris 1962 = Revue des etudes irdischen Kirche sind „Mitbürger" der Engel, sie sind mit ihnen in

augustiniennes 8 (1962) 1-125) geht in dieser Monographie von der Liebe 2U Gott vereinigt. Aber die pilgernde Kirche wartet auf

der Tatsache aus, daß die Kirche für Augustin eine Gemeinschaft die endgültige Vereinigung mit der himmlischen Kirche, sie lebt in

ist, welche Engel und Menschen, Himmlisches und Irdisches um- der Hoffnung. So wird die Auferstehung zum eigentlichen Verbin-

faßt. Er richtet seine Aufmerksamkeit auf den himmlischen Aspekt dungsglied beider Teile der Kirche. Der für Augustin charakte-

der Kirche und füllt eine Lücke in der Forschung über die Ekkle- ristische Gedanke, daß Engel und Menschen einer Kirche ange-

siologie Augustins aus, indem er eine Darstellung der Lehre des horen> der an sich im platonischen Urbild - Abbild Schema hätte

Kirchenvaters über die himmlische Kirche gibt. Dabei ist das abgehandelt werden können, wird also bei Augustin primär von

leitende Interesse freilich weniger ein historisches - obwohl der der Eschatologie her verstanden. Die jetzt schon wirkliche himm-

Verfasser als gewissenhafter Historiker arbeitet - als ein theo- iiscne Kirche bringt das eschatologische Moment in der Ekkle-

logisches: Lamirande sieht in Nachfolge K. Rahners die Aufgabe si0logie Augustins zum Tragen. Die Herausarbeitung dieses

der historischen theologischen Forschung in der Befruchtung der Gesichtspunktes ist ein wichtiges Ergebnis des Buches von Lami-

gegenwärtigen dogmatischen Arbeit, sie bewahrt vor dem Ver- rande. In diesem Zusammenhang bringt er auch dankenswerte

gessen von Lehren. Es soll also ein Beitrag zur modernen Theologie Ausführungen über einige Probleme der augustinischen Eschatolo-

der himmlischen Kirche geleistet werden. gie, vor ai]em über den Zwischenzustand zwischen Tod und Auf'

Dieser Einsatz bei der himmlischen Kirche scheint zunächst erstehung (S. 195—224). Die gerechten Verstorbenen gehören

die Aufgabe der Untersuchung zu vereinfachen. Der Verfasser der pilgernden Kirche an, sie sind zwar beati, haben aber die

braucht sich nicht mit den Schwierigkeiten herumzuschlagen, welche Gottesschau noch nicht (S. 204).

Augustins Lehre von der irdischen Kirche der Forschung aufgibt: Der eigentliche Ertrag des Buches liegt also neben termino-
dem sogenannten doppelten Kirchenbegriff Augustins, dem Ver- logischen Klärungen vor allem in der Beleuchtung der augusti-
hältnis von civitas Dei und ecclesia, von Gemeinschaft der Prä- nischen Ekklesiologie vom Gedanken der himmlischen Kirche her.
destinierten und katholischer Kirche. Er gibt zwar seine Meinung Augustin hat zweifellos mit seinen Erwägungen das zum Ausdruck
zu diesen Fragen kund, die nuancierter ist als die Ansichten Hof- bringen wollen, was für ihn christliche Existenz und christliche
manns (F. Hofmann, Der Kirchenbegriff des hl. Augustinus in Hoffnung war. Wenn aber die von ihm verwendeten Vorstellung^'
seinen Grundlagen und in seiner Entwicklung, München 1933): demente dazu benutzt werden sollen, um das Lehrstück von der
Kirche und civitas Dei sind oft gleichbedeutend, aber nicht immer himmlischen Kirche zu bereichern, muß man sich fragen, wohin die
austauschbar; die Bezeichnungen, welche der Gruppe der Prädesti- Theologie dann gerät. Ist es die Aufgabe der Theologie, daß sie
nierten zukommen, dürfen der ganzen Kirche nicht abgesprochen mythologische Phantasien in ein System bringt und als Glaubenswerden
(S. 113). Doch stehen diese Probleme für ihn mehr am gut dem Zugriff zu entziehen meint? Augustin weiß mit Sut^
Rande. Grund weniger über diese Dinge, als die moderne katholische

Diese Erleichterung wird aber durch eine andere Schwierig- Theologie wissen will,

keit mehr als aufgewogen. Es gibt nämlich bei Augustin kein Lehr- Die solide Monographie L.s, die eine Fülle von Literatur vc ^

stück von der himmlischen Kirche, so wie es der moderne Dogma- arbeitet, bringt auch ein Kapitel über die Lehre von der him