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Ausgabe:

1966

Spalte:

437-438

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Bopp, Marie-Joseph

Titel/Untertitel:

Die evangelischen Gemeinden und hohen Schulen in Elsass und Lothringen von der Reformation bis zur Gegenwart 1966

Rezensent:

Süss, Théobald

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437

Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 6

433

KIRCHENGESCHICHTE: ALLGEMEINES
UND TERRlTOMALKHiCHENGESCHlCHTE

B o p p , Marie-Joseph: Die evangelischen Gemeinden und Hohen Schulen
in Elsaß und Lothringen von der Reformation bis zur Gegenwart.

I und II. Neustadt a. d. Aisch: Degener & Co. 1963 und 1965. 677 S.,
1 Kte gr. 8° = Genealogie und Landesgeschichte, hrsg. v. H. F. Friedrichs
, Bd. 5; Bibliothek familiengeschichtlicher Quellen, Bd. XVI.
DM 90.— ; geb. DM 95.—.

Dieses Werk ist die Fortsetzung des in der ThLZ 1964/1, Sp.
36—39 besprochenen Werkes über „Die evangelischen Geistlichen
und Theologen in Elsaß und Lothringen von der Reformation bis
zur Gegenwart". Es zerfällt in 5 Teile.

Teil I, S. 5—3 30, behandelt die ,,Pfarreien und Filiale der
evangelisch-lutherischen Kirche Augsburger Konfession". Zu jedem
Namen werden Angaben gemacht über die Literatur, die Kirchenbücher
und die Geschichte, dann wird die Pfarrerliste bis herab
zur Gegenwart mitgeteilt, wo nötig nach den verschiedenen Stellen
gesondert. Die Anordnung erfolgt nach der gegenwärtigen administrativen
Einteilung, es werden also in 7 Kapiteln die 7 „Inspektionen
" der Kirche Augsburgischer Konfession mit ihren
•■Konsistorien" nacheinander dargestellt. Daß dabei die Einheit der
Straßburger Kirche und der Unterschied von Stadt und Land nicht
deutlich genug hervortritt, ist eine notwendige Folge dieser Wahl
und entspricht dem bestehenden administrativen Zustand. Das
VIII. Kapitel behandelt die zahlreichen eingegangenen Gemeinden;
es sind deren 50, worin die Wirkung der Gegenreformation sich
spiegelt.

Eine Einführung zu diesem Teil gibt nach einer Skizze der
Reformationsgeschichte „die territoriale Verteilung der evange-
hschen Gemeinden im Elsaß um 1590" an, behandelt das im Elsaß
"ach 1680 besonders wichtige kirchenrechtliche Phänomen des
~1,T>ultaneums, stellt unter dem Titel „die Verwaltungsbehörden
ucr protestantischen Kirche" den Straßburgcr Kirchenkonvent bis
1795, dann das Oberkonsistorium und das Direktorium der Kirche
K. dar und macht allgemeine bibliographische Angaben.
Teil II, S. 3 31—406, handelt von den „Pfarreien und Filialen
der reformierten Kirche". Nur 5 Gemeinden sind als eingegangen
bezeichnet. Merkwürdig ist, daß eine derselben, Roth und Ham-
ach südlich von Saargemünd, erst kürzlich durch geschichtliche
orschung entdeckt wurde. Sie hatte etwa 30 Jahre lang im Anfang
^s 17. Jahrhunderts bestanden.

Teil III, S. 407—424, macht die entsprechenden Angaben über
"Möstcr, Anstalten, Gefängnispfarrer, Hof- und Militärprediger".

Ier kann man rasch einen lebendigen Eindruck bekommen von
sonst wenig zugänglichen geschichtlichen Verhältnissen, etwa von
em Widerstand der Straßburger Nonnenklöster gegen die Reformation
oder dem Eigenwesen der im Elsaß stationierten könig-
'tfien Regimenter im 17. und 18. Jahrhundert wie Royal Alsace
"ranteric oder Royal Allcmand Cavalerie. Das wieder wirft Licht
auf die Abzwcckung der „Militärakademie" des in diesem Band
prfWfnltCn biographisch un^ bibliographisch behandelten G. K.

Teil IV, S. 425—484, ist den Hohen und höheren Schulen ge-
W|drnct, stellt ihre Geschichte dar und gibt die Reihen der Lehrarte
an. Das ganze Straßburger Schulwesen in seiner Entwicklung
■ zum Abbruch in der Revolution wandert am Blick des Lesers
ruber. Aber auch ganz moderne Einrichtungen, wie das „Institut
? a"in Bucer", 1949 gegründet für die Ausbildung von Arbeitsorten
^'r die Werke der Inneren Mission und 1962 „vorüber-
"f er"ij geschlossen", und die „Aumönerie universitäre prote-

ar|te", seit 1950 bestehend, werden kurz vorgestellt.
t}e ^er ^ Teil, S. 485—566, gibt ein „Verzeichnis der Gemein-
Th"1 au^erbalb von Elsaß und Lothringen, in denen die Pfarrer,
eologen, Lehrer und Professoren gewirkt haben", nach Ländern
feinet. Hier wird die weltweite Ausstrahlung des clsäßischen
Und estant'srnus sichtbar, im besonderen auch, wenn auch knapp
e< ""vollständig, seine Beteiligung am Missionsdienst. Was den
fiß^R c'sa"'scner Theologen an Pariser Schulen betrifft, so ver-
Fac 1 'j' 30 c'cr dreien Theologischen Fakultät sich selbst, an der
te "es Lettres der Sorbonne Oscar Cullmann. Es folgen „Ergänzungen
und Verbesserungen" zu Teil I und ein alphabetisches
Verzeichnis der im Werk genannten Orte und Institutionen. Ein
Nachwort bringt nützliche Ergänzungen über den gegenwärtig gebräuchlichen
Begriff der „Delegation", die Examensbezeichnungen
und die Schwierigkeit der Zweisprachigkeit der Namensformen.
Verf. unterstreicht die Mühe, die die Bibliographien ihn gekostet
haben, und Rez. möchte diese Leistung besonders anerkennend
hervorheben.

Den Abschluß bildet ein Anhang zu dem eingangs genannten
ersten Werk, S. 567—677: weitere Namen von Pfarrern mit den
zugehörigen Biographien, Ergänzungen und Verbesserungen zu
den schon gegebenen Biographien, Ergänzungen betreffend die
statistische Übersicht der örtlichen Herkunft, endlich die notwendig
gewordenen Ergänzungen zum Personenverzeichnis.

Diese Inhaltsangabe zeigt, daß dieses neue mit dem ersten
Werk unlösbar zusammengehört. Jedes ergänzt das andere. Ein
ungeheurer Stoff zur Geschichte der evangelischen Kirchen im
Elsaß und in Lothringen ist hier zusammengetragen und systematisch
einfach und übersichtlich geordnet. Wir fragen jetzt nicht
nach möglichen Verschen, sondern schauen staunend auf die geleistete
Arbeit und nehmen in dankbarer Anerkennung das geschaffene
Werk entgegen.

Rittershoffen Theobald Süss

Benrath, Gustav Adolf: Reformierte Kirchcngeschichtsschrcibung an
der Universität Heidelberg im 16. und 17. Jahrhundert. Speyer: Verein
für pfälzische Kirchengeschichte [1963]. IV, 150 S. gr. 8° = Veröffentlichungen
d. Vereins f. Pfälzische Kirchengeschichte, Bd. IX.

Historische Untersuchungen, die sich örtlich und thematisch
scheinbar enge Grenzen setzen, können zuweilen Wesentliches
über den Geist einer ganzen Zeit zum Ausdruck bringen. So ist
die vorliegende (unter der Leitung von Prof. Heinrich Bornkamm
entstandene) Heidelberger Dissertation nicht nur von historio-
graphischem Intersse. Indem der Verfasser in sorgfältiger Untersuchung
der kirchenhistorischen Arbeit reformierter Theologen an
der Heidelberger Universität im 16. und 17. Jahrhundert nachgeht
, leistet er einen instruktiven Beitrag zur Theologiegeschichte
im Zeitalter der reformierten Orthodoxie. Ganz deutlich wird vor
allem, wie sehr damals alle historische Arbeit bewußt oder unbewußt
im Dienst der konfessionellen Polemik stand.

David Pareus hat seine Festrede zur ersten Jahrhundertfeier
der Reformation 1617 mit der These begonnen: „Quincunque
vult salvus esse ante omnia necesse est ut fugiat Papatum Roma-
num", und hat dann daraus seine ganzen weiteren Ausführungen
abgeleitet. (S. 40) — Das ist das Generalthema, dem alle historische
Arbeit der Heidelberger Theologen zu dienen hatte. Der
Abfall der päpstlichen Kirche von der Wahrheit des Evangeliums
wurde mit breitem geschichtlichem Material vordemonstriert.
Zugleich wandte man sich (hier zeigt sich melanchthonisch-huma-
nistisches Erbe!) gern den Kirchenvätern der ersten Jahrhunderte
zu, die man als Kronzeugen einer schriftgemäßen kirchlichen Lehre
und Ordnung für sich in Anspruch nahm. Spezifisch reformierte
Gesichtspunkte äußern sich bei der historischen Darstellung des
Reformationszeitalters besonders darin, daß Zwingiis Unabhängigkeit
gegenüber Luther und seine selbständige Bedeutung
(er hat die Reformation gründlicher und konsequenter als Luther
durchgeführt. . .) stark herausgestrichen wird. Die Reformierten
sind „optimi et religiosissimi Christi diseipuli" (S. 86). Interessant
ist, wie nicht nur bei dem Zürcher Johann Heinrich Hottinger
, sondern durchwegs die historische Rolle und geistliche Autorität
Zwingiis viel stärker betont wird als diejenige Calvins. —
In der Gesamtschau der Welt- und Kirchengcschichte sind die
dargestellten Heidelberger Theologen nicht originell, sondern
durchaus der alten, vor allem von Augustin geprägten Tradition
verpflichtet, die durch die Reformation nur insofern modifiziert
worden war, als das Papsttum nun im Zeichen des Antichrist gesehen
und umsomehr dann das Auftreten der Reformatoren als
Beginn einer neuen Hcilszeit verstanden wurde.

Benraths Arbeit widmet den einzelnen, in Heidelberg lehrenden
Kirchenhistorikern und ihren Werken liebevolle Einzeldarstellungen
. Hier zeigen sich — bei aller Gemeinsamkeit in Grundhaltung
und Grundtendenz — deutliche, persönliche Nuancen in