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Ausgabe:

1966

Spalte:

380

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Ulrich, Heinrich-Hermann

Titel/Untertitel:

Erwachsenen-Katechumenat 1966

Rezensent:

Hummel, Gert

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Seite 1

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379

Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 5

380

Mirty, Martin E., Biegner, Paul E., Blumhorst, Roy, and
Kenneth R. Y o u n g : Death and Birth of the Parish. St. Louis/Miss.
USA: Concordia Publishing House [1964]. IX, 163 S. 8°. Lw. $ 3.—.

Der Band ist veröffentlicht, um Laien und Pfarrern eine
Grundlage bei der Diskussion um die Ortsgemeinde zu bieten.
Die Autoren fragen nach den Voraussetzungen dafür, daß die an
einem Ort zusammenkommenden Christen in den heutigen Vereinigten
Staaten zur Gemeinde werden. Wie der Titel bereits andeutet
, haben sie nicht die Absicht, vor der Schwäche der institutionellen
Formen des Gemeindelebens in einer mobilen und nach
verschiedenen Lebensbereichen aufgespaltenen Gesellschaft die
Augen zu verschließen. Aber sie gehen von der Überzeugung aus,
daß sich jedes neue Verständnis der Aufgabe in den bestehenden
Gemeinden durchsetzen muß.

Typisch für die Lage ist es, daß die Erkenntnisse der Soziologie
und einer Theologie der missionarischen Verkündigung die
Ebene der örtlichen Gemeinde nicht erreicht. Darum stellt der
Herausgeber in einem ersten Beitrag die Auseinandersetzung
zwischen den radikalen Kritikern der Ortsgemeinde wie z. B. P. L.
Berger und H. Ch. Hoekendijk und ihren Verteidigern dar. Die
einen möchten die Ortsgemeinde für die Mission in der heutigen
Gesellschaft abschreiben und die anderen weisen darauf hin, wieviel
Bereitschaft zur Mitarbeit und zum Mitdenken der Kirche
auch heute durch die örtlichen Gemeinden zuwächst. Um die Kluft
zwischen der distanzierten Analyse und dem verantwortlichen
Handeln in den Gemeinden zu überbrücken, folgen darauf drei
Beiträge von Pfarrern einer Land-, Vorort- und Innenstadtgemeinde
. Sie kennen die Ergebnisse und Stellungnahmen der
kritischen Untersuchungen und konfrontieren sie mit der Situation
ihrer Gemeinden und den Erfahrungen ihres täglichen Dienstes.

In den Beiträgen aus den verschiedenen Gemeinden zeigt
sich, wie es im heutigen Nord-Amerika nicht mehr möglich ist,
von der einen Ortsgemeinde zu sprechen. Die Abweichungen in
der örtlichen Sozialstruktur zwischen Land, Vorort und Innenstadt
sind bereits so scharf und bewußt, daß die Gemeinden sich äußerst
widersprechenden Aufgabenstellungen ausgesetzt sehen. Die hohe
Mobilität der Bevölkerung führt dazu, daß der Wohnort meistens
Menschen ähnlicher sozialer Stellung und Lebenslage zusammenfaßt
. Kämpft die Landgemeinde gegen den Ballast überkommener
Tradition, muß sich die Vorortgemeinde dagegen wehren, nur als
moderne Institution für den privaten geselligen Verkehr in Anspruch
genommen zu werden. Sucht die Innenstadtgemeinde einen
Bezug zu finden zu den sozialen und menschlichen Fragen der
fluktuierenden oder ärmeren Bevölkerungsgruppen, die ihren
Bezirk bewohnen, muß die Gemeinde auf dem Lande und im
Vorort ihre Betriebsamkeit einschränken, um deutlicher sichtbar
zu machen, worum es im Christsein geht. Die Beachtung der örtlichen
Sozialstruktur mit ihren Problemen zerstört das eine ortsgemeindliche
Konzept.

In dem Maße wie den Pfarrern und den Gemeinden die Definition
der Aufgaben durch die örtliche Sozialstruktur wichtig
wird, stehen die Gemeinden nicht mehr in einem Wettbewerb, bei
dem jede Gemeinde die gleichen Chancen hat und ihren Erfolg
für sich buchen kann. Es genügt nicht mehr, die Verbundenheit
von Gemeinde zu Gemeinde durch den gleichen von allen Gemeinden
geforderten institutionellen Aufbau herzustellen. Die
an Mitarbeit starke Gemeinde muß die schwächere stützen. Die
rentable Gemeinde muß die unrentable und um der Menschen
willen aufwendig wirtschaftende Gemeinde mittragen. Die Mühe
und der Einsatz in der kleinen Gemeinde, die Menschen mit dem
Evangelium zu erreichen, müssen Anlaß für die große Gemeinde
sein, den Dienst, den sie ihrer sozialen Umwelt leistet, unter dem
Evangelium kritisch zu prüfen.

Dies Buch regt zu der äußerst notwendigen Überlegung an,
wieweit die Gemeinden auch in Deutschland schon voneinander
unterschiedene Funktionen in ihrer örtlichen Umgebung angenommen
haben und wie sich die Gemeinden bei dieser aus der
örtlichen Sozialstruktur gegebenen Aufgabenstellung gegenseitig
helfen und ergänzen können.

Hamburg Justus Freytag

Ulrich, Heinrich-Hermann: Erwachsenen-Katechumenat. Berlin-Hamburg
: Lutherisches Verlagshaus 1964. 114 S. 8° = Missionierende
Gemeinde. Eine Schriftenreihe, im Auftrag d. Ausschusses d. vereinigten
ev.-Iuth. Kirche Deutschlands für Fragen d. gemeindlichen Lebens,
hrsg. v. E.Baden, G.Knospe, H.Schmidt, H. Schnell, W. Wilken, 11.
Kart. DM 9.80.

„Auch regelmäßige Kirchenbesucher sind oft unglaublich
unwissend." Mit diesem zutreffenden Satz von Gerhard Hilbert
(Kirchliche Volksmission, Leipzig 1916) beginnt die vorliegende
Arbeit. Seit Beginn unseres Jahrhunderts hat sich offenbar an
einigen Punkten unserer Gesellschaft doch nicht so viel verändert,
wie man immer wieder glauben machen will.

Der Verfasser unternimmt es nun, Wege aufzuweisen, die zu
einer „wissenden" Gemeinde führen könnten. Dabei entwickelt er
weniger eigene neue Gedanken, als daß er die vielerlei Vorstöße
und Experimente der Kirche und ihrer angeschlossenen Institutionen
in den letzten Jahren systematisch ordnet. Nach einer Einführung
, die den Hinweis auf die frühchristliche Einrichtung des
Erwachsenenkatechumenats und die vierfache Zielsetzung desselben
für heute (Information, Erkenntnishilfe, Bildung und Zu-
rüstung) enthält, werden kurz die Gemeinde als Träger dieses
Unternehmens, und Vortrag, Gespräch oder Arbeitsgemeinschaft
als seine Methoden vorgestellt. Danach folgt die Aufzählung der
Formen des Erwachsenenkatechumenats: Predigt, Evangclisation,
die Möglichkeit der Diskussion, das seelsorgerliche Gespräch, das
Gemeindeseminar und die Gemeindeakademie, die Formen der
Bibelstunde und der Mitarbeiterzurüstung, sowie der Gebrauch der
modernen Massenmedien. In einem vierten Teil legt Ulrich noch
einen kleinen Themenplan vor. Im Anhang folgen einige Modelle
und Arbeitshilfen, die kurze Anleitungen von der Einladung über
die Vorbereitung bis zur Nacharbeit bieten.

Fraglos ist diese kommentierte Stichwortsammlung eine einführende
Hilfe für alle in der Gemeindearbeit stehenden Kräfte,
die sich darüber informieren wollen, was es auf dem Gebiet des
sogenannten „Erwachsenenkatechumenats" gibt. Im ganzen verstärkt
diese Arbeit aber den schon genugsam bekannten Eindruck,
daß die Kirche zwar in formaler Hinsicht gegenwärtig um Vorschläge
nicht gerade verlegen ist, von der Sache her jedoch noch
lange nicht auf gleicher Höhe steht. Denn es kann ja wohl kaum
darum gehen, den „alten Most" nur „in neue Schläuche" zu füllen,
wenn man die unwissende Gemeinde zu einer wissenden machen
will. Das eigentliche Problem des Erwachsenenkatechumenats also
kommt in dieser Broschüre leider nicht zur Sprache.

Saarbiüdcen Gert Hummel

Albertz, Martin: Die Herrlichkeit Gottes. Predigten aus schwerer
Zeit. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1962. 82 S. gr. 8° —
Pflüget ein Neues, Göttinger Predigt-Hefte, 9/10. Kart. DM 5.60.

Dem Herausgeber, Martin Fischer, gebührt Dank dafür, daß
er in der (kurzen) Einleitung und in der biographischen Skizze am
Schluß aus persönlichem Miterleben den Rahmen beschreibt, ohne
den die achtzehn Predigten dieses schmalen Bändchens nicht angemessen
gewürdigt werden können. Sie sind keine homiletischen
Schulbeispiele. Die Texte, in denen jeweils kabod oder doxa an
theologisch wichtiger Stelle erscheinen, werden nicht nach moderner
Exegese analysiert und verdolmetscht, sondern unbefangen als
gegenwärtiges Zeugnis für die Herrlichkeit Gottes benutzt. Die
Predigten gehen auf Nachschriften während des Gottesdienstes
im Saal der Bekennenden Gemeinde von St. Nicolai in Spandau
zurück. Sie belegen also, wie konzentriert, phrasenlos, ja fast
trocken Albertz nach seiner eineinhalbjährigen Haft (der eine
weitere folgte) inmitten von Bombenkrieg und politischem Terror
(1944!) seine leidgeprüfte Gemeinde mit dem wahren Trost des
Evangeliums angeredet hat. Hinter dem dürren dogmatischen-
manchmal bekenntnishaft hymnischen Wortlaut entdeckt man bei
näherem Hinsehen sehr viel seelsorgerliche Substanz.

Als für uns aktuelle Predigten werden wir sie heute nich'
mehr lesen, es sei denn, wir verstehen ihren Inhalt in Einheit BB*
seiner Zeitbezogenhcit als ein Excmpel für das immer geschichts-
mächtige Wort Gottes. Darüber hinaus haben sie bleibenden Wert
nicht nur als Dokumente für die Verkündigung der Bekennenden