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Ausgabe:

1966

Spalte:

377-378

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Allgemeines evangelisches Gebetbuch 1966

Rezensent:

Winkler, Eberhard

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 5

378

würfe, die christliche Moral sei „Befehlsnioral" (S. 10) oder „der Der Umfang wuchs um 292 Seiten. Erweitert wurde besonders der
Glaube fördere die Unehrlichkeit" der Menschen (S. 18). Krö- erste Hauptteil: „Das Gebet in der Gemeinschaft" (S. 3—608). Für
nender Schlußsatz: „An der Art, wie sich die christliche Moral den sonntäglichen und den täglichen Gottesdienst (das Stunden-
gegenwärtig darbietet, macht sich vor allem störend bemerkbar, gebet), das Psalmgebet, die Lesungen und das Gebet aus beson-
daß sie sich durch ihren Buchstabenglaubcn, durch ihren Mangel derem Anlaß werden jeweils gründliche Einführungen geboten,
an Selbstkritik und ihre Weitabgewandtheit, durch die Dürftigkeit denen die liturgischen Formulare folgen. Das Anwachsen des
ihrer theologischen Grundlagen" (S. 25) vor entscheidenden Buches ist nicht uneingeschränkt zu begrüßen. Die z.T. recht
Gegenwartsfragen verschließt. Zahlreiche Beispiele aus dem Land breiten Einführungen, welche insgesamt 107 Seiten umfassen,
untermalen dies. Aber es bleibt alles an der Oberfläche der Fest- rücken das Buch in die Nähe liturgischer Fachliteratur. Große Teile
Stellung. Oder sollte das auf der Insel schon etwas heißen? Wir des Buches findet der Theologe in den Agenden, während der
vermissen jedenfalls das Aufspüren der Gründe und die weiter- Laie sie praktisch kaum gebrauchen wird. Sehr zu begrüßen ist,
weisende Hilfe. Denn mit der Formel, daß das „christliche Ver- daß die Herausgeber bemüht sind, „dem Suchen nach dem zeithalten
von all den Lügen und Halbwahrheiten . . . nur durch eine gemäßen Ausdruck für die alte Wahrheit in unseren Gottesdiensten
Erneuerung des Bildes vom gekreuzigten Herrn" (S. 28) gereinigt und Gebeten Raum zu geben" (S. V). Dieses Ziel wurde im ersten
werden kann, ist es wohl kaum getan. Und mehr wird positiv Hauptteil kaum erreicht. Vielmehr dominiert die „Rückbesinnung
nicht gesagt. auf den vollen Gottesdienst der alten Kirche" (was ist das eigent-

Ähnlich steht es mit dem Beitrag, der die „psychologischen" lich?)> das Bemühen um den „verlorengegangenen Reichtum früh-
Einwändc besprechen will. Nach der Schilderung etlicher psycho- christlicher Euchanstien" (S. 13 f). Als Ergebnis ist das zweite
therapeutischer Fälle, die den Referenten als Freudianer aus- Meßformular (S. 48-84) zu betrachten. Es wird von den Herausweisen
, kristallisiert sich aus Nebensätzen heraus, daß hier offen- gebe™ als Frudlt dcr Begegnung mit den gottesdienstlichen Tradi-
bar die Divergenz von wahrer Gesinnung und äußerem Gebaren ti°nen anderer Kirchen, des Studiums der Liturgiegeschichte und
vieler Christen aufs Korn genommen werden soll. Das gipfelt in des Ringens um die Frage nach den gottesdienstlichen Melodien
der Verallgemeinerung: „Man geht in die Kirche, man liest seine angesehen (S. 13). Das Formular enthält ein neunfaches Kyrie
Bibel, man betet, man tut gute Werke, man wird sogar Pfarrer - im Wechsel von Liturg, Chor und Gemeinde sowie drei
alles, um sich das eigentliche Selbst vom Leibe zu halten" (S. 41). Lesungen mit Zwischengesängen. Außer der Predigt wird fast alles
Und damit ist bereits die Lösung angezeigt: es geht um „wahre gesungen. Die Herausgeber sind der Alpirsbacher Arbeit stark ver-
Uebe" und Selbstfindung (S. 46). Was damit gemeint ist, wird pflichtet. Ihre Wertung der Gregorianik wird nicht jeder Benutzer
leider nicht gesagt. Vielmehr schließt eine weitere hingeworfene teilen: "Es 8ibt keine Musik' die ein dem Gotteswort so verpflich-
Einzelheit das Referat tetes, ihm so dienendes Gefäß wurde wie der gregorianische

r. j • i. t . . i n i i r Choral" (S. 14). Die apostolische Weisung, „einmütig und mit

Der dritte, vom Initiator der Reihe stammende Vortrag, « i u m- «V Zi l j- u

-j . . ,,. , . n .. , . i . . i it einem Munde Gott zu loben (Rom. 15, 6), sehen die Hcraus-

scneint endlich mit einiger Gründlichkeit einen „historischen « , . . , r. .. . , . ' £..IIt ,c ,, ,„»

t,„ , , ,, .. ... , nii j n i .. geber in der gregorianischen Einstimmigkeit erfüllt (S. 15 u. 130).

tinwand angehen zu wollen, nämlich das Problem der Relation p. j_ ■ j_- i« i if „ v j_« .. . i

i . . , , , . t , w , .. i. ,c sie sprechen von einer „schier unlöslichen Verbundenheit sowohl

von historischem Jesus und Christus der Verkündigung (b. 55). «_ {, , , «, , ■ . , . , r,

n__i ii .i t*.. i f j ir- i j der Messe als des Stundengebetes mit dem Gregorianischen Cno-

uocn bleibt die erwartete Diskussion auf der Hohe moderner raj„ ,g . ■

Theologie aus. Denn was man hier unter diesem Thema versteht,

bewegt sich zwischen aufklärerischer Kritik und der Christus- Vom Formular des Predigtgottesdienst (S. 42-46) wird S.
Mythe von Drews. Es folgen einige Hiebe gegen das „Kinder- " gesagt, es stelle „eine bessere, weil ehrlichere Lösung dar als
gottesdienstgeschwätz vom lieben Heiland" und „viktorianische dle vie fach übliche Rumpfordnung einer evangelischen Messe
Kirchenfenster", die der Zertrümmerung harren. Sie fanden sicher ohnc Abendmahl Ist es angebracht, hier eine moralische Kate-
kirchentagsähnlichen Beifall. Aber die Lösung: „Trotzdem hat die ?one wie, »««lieh einzuführen? Eine Rumpfordnung ist unbe-
Wahre Person Jesu ihre Wirkung auch heute noch nicht verloren" friedigend, aber nicht unehrlich. - Die 31 Hymnen (S. 236-262)
& 67) zeigt, daß nicht nur Kirchenfenster Viktorianischen Cha- werden in der Ubersetzung R. A. Schröders geboten, die von
rakter haben müssen unnötigen Archaismen nicht frei ist. Ein Beispiel adäquater und

r. . , , n . . ., . . ii i n « ei zugleich verständlicher Übersetzung bietet Kleppers Nachdichtung

Einzig der letzte Beitrag, der sich mit „intellektuellen Ein- j u r i j • tc ->.a

v,:„i i i i -i i-j j- i , des Hymnus „Iam Iucis orto sidere (S. 244).

"aiiden beraßt, (was waren eigentlich die vorhergegangenen?), ' ,; _ , , _ ,■ . Ä

greift einige Themen gegenwartsnah auf: das mythische Welt- Kritische Fragen weckt die Einführung zum Psalmgcbct. Dort

Wld des NT, die Unsterblichkeit, die Lehre von der Erbsünde, wird Bonhoeffers christologische Interpretation der Psalmen über-

Jnkarnation oder Trinität. Der Referent weist sich als Bultmann- nommen: „Dieselben Worte, die David sprach, sprach in ihm der

Kenner aus, indem er auch dessen Grenzen andeutet. Dies gibt zukünftige Messias (S. 285) „Für uns ist das seltsame ,Ich der

dem Referat Profil und Tiefe. Aber der Ruf nach einer wissen- Psalmen über das die Philologen allem Fortschreiten der Bibel-

s*aftlichen Theologie (S. 100) steht am Ende dieses Büchleins Wissenschaft zum Trotz Endgültiges nie werden ausmachen kon-

zugleich als Eingeständnis und Zukunftsprogramm. Dies erleichtert nCn' daS 'L* JfU S' 287>-,Noch Problematischer ist die

dje Feststellung, (die anders als Überheblichkeit gedeutet werden Interpretation der Rachepsalmen: „Gerade aus diesen für uns so

ko"nte), daß die „Kritik an der Kirche" sich in England in einem schwer begreiflichen Psalmen und Psalmversen lernen wir, die

«eistesgeschichtlichen Umkreis vollzieht, den auf dem Kontinent P^almen recht zu beten (S. 289) Wie Christen beten können:

d;e Namen Kant und Troeltsch beschreiben. Abzuwarten bleibt, »Got stoße dies? ^ °,hnC SÄ Gn^e [linu"tcr . (Ps; 506'8'

ob sich nun auch jenseits des Kanals eine Kluft zwischen Theologie S' 33,6)' istmdu als schwer begreiflich. - Zu begrüßen ist, daß der

Und Gemeindefrömmigkeit ausbreitet, die die Zukunft der Kirche revidierte Text verwendet wurde.

2vveifellos mehr bestimmen wird, als alle - meist hoffnungslos Neu aufgenommen wurde u. a. der 1962 von der Luth Litur-

veraltete - Kritik an der Kirche, die von außen kommt. gischen Konferenz verabschiedete Evangelische Namenkalender,

Wbrtickon Geit Hummel der zahlreiche Blutzeugen des 20. Jahrhunderts enthält.

Der dem Gebet des Einzelnen gewidmete 2. Teil ist in glück-

PH/l^T/CrHi; T H l< n l n C I V licher Weise erneuert worden. Die Einführungen bieten seelsorger-

rn/lriHoLML nLULUUlü ^ wertyolIe Hilfen für Meditation und Gebet. Sehr beachtens-

A,lRcmcin^. » u j. r l l a i i. j rs j l- j wert sind auch die dem ersten Teil zugehörigen Ausführungen zur

BWT,Ä ^ Gebetbuch. Anleitung und Ordnung für da. ß ^ (g 557_572). Die Gebctsammlung stellt den am besten

"cten des Einzelnen, der Familie und der Gemeinde. Mit einer oku- w- J±/ ■" > . ,

"»enischen Gebctsammlung. 2., gänzlich neubearb. und erweit. Auflage, gelungenen Teil des Buches dar und rechtfertigt dessen Titel

™*g- v. H. Greif enstein, H. Hartog u. F. Schulz. Harn- sowohl hinsichtlich der Auswahl als auch der Formulierung. Das

burg: Furche-Verlag [1965] VII, 795 S. kl. 8°. Kldr. DM 17.80. Bemühen um den „zeitgemäßen Ausdruck" hat hier Erfolge ge-

f, L Fendt besprach die 1. Auflage im 80. Jg. dieser Zeitschrift zeitigt Für den ersten Hauptteil, der drei Viertel des Buches um-

U?55) Sp. 368-370 Zur zweiten Auflage bemerken die Heraus- faßt, bleibt das als Wunsch offen.

8cber: „Aus dem alten Buch ist praktisch ein neues geworden". Ro8tock Eberha'd Wi"klor