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Ausgabe:

1966

Spalte:

374-376

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Vonessen, Franz

Titel/Untertitel:

Mythos und Wahrheit 1966

Rezensent:

Hennig, John

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 5

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lieh . . . auf das Selbstbewußtsein, auf die Reflexion des Evangelisten, Horizont Feuerbachs. Auch in seiner Selbstrechtfertigung bleibt

des Urcvangelistcn, der Gemeinde. Auch das ist, wenn man so will, eine der moderne Mensch gerade in aller Verkehrung bezogen auf den

Entmythologisierung." „B s Größe liegt in seiner Kritik. Mit ihr hat er Schöpfer; dies müßte noch stärker akzentuiert und in seiner Trag-

eme Frage gestellt, die d,e Theologie auf d.e Dauer mcht wird über- wdte durchdacht werden. In seiner Darstellung der Rechtfertigung

noren können, wie unbequem sie auch sei. , , . , ... , , • .

_, . . . . , tolgt Oloege den überkommenen Schemata, ohne sie wesentlich zu

Aus Raummangel mußte der Rezensent auf die Kritik der vertiefen. _>duldl Christus allein - ohne unsere Kraft, durch das
bedeutsamen rein philosophischen Ausführungen K s verzichten. Wort allejn _ ohne unser Verdienst, durch Glauben allein -
Das Buch ist - wie die Besprechungen in der Frankfurter Allg. ohne unser WeTy (S 16_26). er läßt sie ausrnünden in dem
Zeitung , in der Welt der Literatur , den „Neuen deutschen paradoxe„ Zuspruch: „Gott zweifelt nicht an der Welt, Gott verHeften
und der „Neuen Rundschau zeigen - überall positiv ge- zweife]t weder an der Mensdlheit noch an der Kirche. Gott -
Würdigt worden. _ glaubt an unsl" (S.27; vgl. S. 22 und 33).

Das denkerische Ringen um die Rechtfertigung will der Gruß
an Ernst Sommerlath vorantreiben. Gloege entfaltet und begrün-

SYSTEM ATISCHE THEOLOGIE det in ihm die These, welche er im Helsinki-Vortrag gegen das

Ende aufklingen ließ (S. 26), die Rechtfertigungsichre sei eine

Gloege, Gerhard: Gnade für die Welt. Kritik und Krise des Luther- „hermeneutische Kategorie". In ihr gehe es weder um ein spe-

tums. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht [1964]. 78 S. gr. 8°. Kart. zielles dogmatisches Lehrstück noch um einen Gesamtrahmen für

DM 4.80. den dogmatischen Inhalt, sie bezeichne vielmehr „das durch-

In diesem Aufsatzbändchen hat der Bonner Systematiker drei gehende Verstehensgefüge, das sowohl die Aussagen wie die Ausin
ihrer Gestalt wie Aussageweise sehr unterschiedliche Beiträge sageinhalt der Theologie schlechthin strukturiert" (S. 37). Nicht
zusammengestellt, welche in die Problematik des Themas der eine Lehre, sondern eine Person, Jesus Christus, sei „Dominus ac
Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes in Helsinki 1963 Rex Scripturae" (WA 40/l, 458). Die Rechtfcrtigungslehrc wache
einführen. Im Zentrum steht der erste Hauptvortrag der Welt- darüber, daß Gott durch Christus im Geist sich an uns als der
bundtagung: „Gnade für die Welt" (S. 7—27); ihm ist die Dis- Herr der Schrift erweise, indem die Schrift uns hineinnimmt in
kussion im Plenum (S. 28-30) und ein Radiovortrag, welcher die ihr Zeugnis und sich so selber auslegt. Rechtfertigung als
Kernthesen des Referates unter dem Stichwort „Im Morgen der „Schlüssel zur Schrift", das meine gerade nicht einen Schlüssel,
Zeit" (S. 31—33) einem breiteren Hörerkreis darbot, beigefügt. welchen wir in unserer Macht hätten, um von außen her die
Eine wissenschaftliche Besinnung über „Die Rechtfertigungsichre Schrift aufzuschließen (S. 43), vielmehr nimmt die Schrift und
als hermeneutische Kategorie" (S. 34—54) folgt; sie erschien zuerst durch sie Jesus von Nazareth selber uns hinein in seine „Wirais
ein Gruß für Ernst Sommerlath in der ThLZ 89 (1964), Sp. kungsgeschichte" (S. 47). In dieser Geschichte zeigt sich an
161-176. Den Beschluß bildet ein mit Humor gewürzter, bilder- Christus wie an uns der eine und selbe Rhythmus und Stil göttlicher
Bericht von der Vollversammlung unter dem Motto: liehen Welthandelns (S. 48), welchen der Reformator im Lobpreis
-Helsinki 1963 - Kritik und Krise des Luthertums" (S. 55-78). der Hanna bezeugt fand: „Jahwe macht tot und lebendig, führt

An Hand der Ansprache des finnischen Staatspräsidenten hinunter zur Scheol und herauf" (l. Sam. 2, 6). „Weil die Recht-
Kekkonen führt diese Schilderung ein in die geistige Gestalt des rertigungsgeschichte zuvor für Gott die Realkategorie seines Hanfinnischen
Luthertums, läßt auf dem Hintergrund dieser inneren delns »*' kann d'f Rechtfertigungslehre für uns die Erkcnntnis-
"nd äußeren Atmosphäre die Wcltbundtagung vor unseren Augen kategor.e seines Wirkens werden. Mittels ihrer erfahren wir wer
'ebendig werden; hierzu schreitet Gloege von dem Besucher- "nd was W1/ ~ aus der S*rift„ <S- Diese »RMh-
Programm über die Gottesdienste wie die konkreten Entscheidun- ■* des Gotteshandelns prägt nicht allem die Auslegung der
gen der Synode vor zum theologischen Ringen um die Rechtfcrti- Sd!r,ft' s,e. mußc 2Ug,el* den Vollzug des Pred.gtamtes durchging
. Nachdem er die z. T. recht heftige Kritik vor allem der walten und den St.l kirchlichen Handelns formen. Mit Recht verkirchlichen
Presse auf ihren sachlichen Kern hin überprüft hat, weist ,oege hierzu darauf hin, daß für Luther seine Hermeneutik
«eilt er die äußeren wie inneren Nöte jener Debatte dar und ™& verkoppelt bleibt mit seinem Ringen um das Schlussclamt.
faßt die theologischen Leitmotive und Ergebnisse der Referate wie "Luthers Hermeneutik hat seine Recht ertigungslehre - f.de,
der Diskussionen zusammen (S. 71-76). °Pe"bus< - zum Inhalt und zur Voraussetzung und seine

r> .i ^ii . i i ■ • Bußlenre — zur Folge (S. 51).

L>cr Hauptvortrag mochte unseren Olaubcn wieder hinein- P n r i ■ vh. i

"eilen in „den universalen Horizont des Rcchtfcrtigungsgesche- Dieser recht bunte Strauß von Einsichten und Überlegungen,

hens" (S. 73); hierzu führt er ein „heterodoxes" Element (S. 73), von Poem. u"d Ber,dlt j"ctet eine wahrlich nicht professoral-

*elchem der biblische Rechtsgrund jedoch kaum abgesprochen angwe.l.ge Einführung ,n das gegenwärtige Ringen um die Recht-

werden kann, in die Bekenntnisentwicklung ein, das heilsuni- fert.gung und eröffnet durch die angedeuteten Denkanstöße einen

Versale Moment. Es gelte nicht allein die Doktrinalisierung, neuen Fragehorizont.

s°ndern ebenso auch die Individualisierung und die Spiritualisie- Heidelberg Albrecht Pol er»
rung des Rechtfertigungsvcrständnisscs aufzubrechen (S. 9—11).

•All universales Gcsdiehen will die Rechtfertigung den einzelnen Vonesien, Franz: Mythos und Wahrheit. Bultmanns „Entmytho-

*reffen, um ihn als einzelnen sofort dem neuen Weltzusammen- logisierung" und die Philosophie der Mythologie. Einsiedeln: Johannes

hang einzugliedern" (S. 73). Für unsere geistliche Besinnung ent- [1964]. 88 S. 8° = Christ heute, V, 6.

Heidend dürfte ein weiterer Gedanke sein: „Alles Dasein ist Diese Schrift beschäftigt sich im Wesentlichen mit einem Satz

'"gelegt auf Rechtfertigung" (S. 15), weil es auf Gott als seinen Bultmanns, der als das „Hauptargument" seines „Entmythologi-

enöpfer bezogen bleibt. Zwar hat der moderne Mensch den sierungsprogramms" (23) bezeichnet wird: „Sofern es mytholo-

,,(jerichtshorizont" Gottes (Peter Brunner) abgeblendet, indem gische Rede ist, ist es für den Menschen heute unglaubhaft, weil

V 'hn hineinnahm in seine Welt; damit haben wir die Frage nach für ihn das mythische Weltbild vergangen ist" (41 = Kerygma

er Rechtfertigung jedoch nicht überwunden, die Krisis schlägt und Mythos I, 16). Die eingehende Analyse der Logik, ja Gram-
sA aUS dicscr unserer sclbstcrstelltcn Welt entgegen. In chroni- matik dieses Satzes ergibt sogar, daß die LIntersuchung auf das
rdJ ^elbstvcrkrampfung suchen wir unser Dasein und Sosein zu Wort „weil" beschränkt werden könnte. Von jenem Satze auszufertigen
, wir klagen uns gegenseitig an, zwingen uns gegen- gehend, wird gefragt: „Was ist Vergangen?" Vs. Antwort: „Der
jeitl8 unsere Leitbilder auf und suchen unsere Existenz in die Mythos konnte nur darum .vergehen', weil der Glaube ihn nicht
S^lu ^ukunft hinein abzusichern. Wir übernehmen uns in dieser länger gegenwärtig erhielt" leidet daran, daß — obgleich einmal
^ hstrechtfertigung sachnotwendig, weil alles Menschsein gelebt der Ausdruck „(biographische) Vergangenheit" gebraucht wird -

erden muß aus einem Ja heraus, das wir uns nicht selber zu- nicht zwischen autobiographischer und — erst jenseits ihres Hori-

16? °^Cr von uns aus crsre"cn und absichern können (S. 12- zontes eigentlich beginnender - geschichtlicher Vergangenheit

g ' Diese Einsichten Gloeges sollten sorgfältig bedacht werden. In unterschieden wird. Ferner bleibt der Begriff „gegenwärtig" unge-

artns Nachfolge bleibt auch Gloege noch zu sehr im negativen klärt: V. fährt fort: „nicht für die Gegenwart, die jetzt gemeint