Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1966

Spalte:

355-357

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Wilcox, Max

Titel/Untertitel:

The semitisms of acts 1966

Rezensent:

Haenchen, Ernst

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

355

Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 5

356

(1818) hatte Zunz ein vollständiges Programm der neuen „Wissen- die alt. Textüberlieferungen verwandt sind; (b) semitische Wörter und

Schaft des Judentums" gegeben, dessen Ausführung er in seiner Sätze, die wahrscheinlich auf LXX-Einfluß zurückgehen; (c) andere

Lebensarbeit zum großen Teil selbst in Angriff nahm. Für Zunz semitische Wörter und Sätze, die sich nicht auf die LXX zurückführen

ist das geistige jüdische Erbe „Gegenstand der Forschung, ohne lassen- fs er«ibt si*' daß die unbedingt sicheren, die „hard-core" Semi-

uns darum zu kümmern, ob ihr sämtlicher Inhalt auch Norm für !,!'menn. p mJl„v* 1-15,v,orkTen: ^ audl d,ort ,nidlt Mhl«i*

tt. -i u j i « ilä-j. j- slnd- Ule rundstcllen zeigen lukanischen Stil, bringen häufie seine Licb-

unser eigenes Urteilen sein soll oder kann . Mit diesem anti- un<jcw^rf<. Ale v,™ ,™ j- i. n i . : , !i ..

.,6Ti ,, ji j i_ j. lingsworte. Also kann von einem direkten Gebrauch semitischer Quellen-

quanschen Interesse verband er das brennende Streben nach Schriften durch Lukas keine Rede sein
bürgerlicher Eingliederung der Juden in die europäische Welt. Die

Juden, die seit fast zwei Jahrtausenden keine Geschichte gehabt M . D'.ese k,cuinen semitischen „Knoten" von unrevidiert gebliebenem
.. j , ^.i . , . n i • ii • ■• j Material sprechen zwar — meint W. — für die Authentizität der Gehatten
, mit denen nur, als Objekte, allerlei geschehen sei, wurden ;„ j;„ *:» „,•__„■ j u j.. c - ■ r-iY

,. , > ,., . , ,,, ,* , .. • r. i schichten, in die sie eingebettet sind, aber nicht für eine Übersetzung

nun an eigentlicher Geschichte wieder teilhaben können im Rahmen aramäischer oder hebräischer Schriften durch Lukas In Apg 7 und 13

der Befreiungsbewegungen der europäischen Völker. „Den Platz scheint Lukas aber für seine atl. Zitate und Anspielungen eine Quelle

des Messianismus hatte die Vision des neuen Europa einge- besonderer Art zu benutzen, während er sich sonst normalerweise der

nommen" (Glatzer S. 61). Aber die revolutionären und politischen LXX bedient. Von 22 untersuchten Beispielen berühren sich 9 mit

Ereignisse seiner Zeit haben für Zunz religiös -messianischen Targumen. Aber Lukas folgt keinem von diesen Targumen (z. B. dem

Akzent. Glatzer bringt hierzu (S. 54) Zunzens gegenwartspolitische Targum Ps.-Jonathan) durchgehend; also war er hier nicht unmittel-

Umdeutung von Jesaja 11; 8,9 aus einem 1871 erschienenen bar,v°n lnnen »^änglR Vielmehr scheint er Blöcke" vor sich gehabt

« £ . . j v ___r A- Ts*, x. tu c- i- j tj • zu haben, deren Abweichungen von der LXX er nicht ändern wol tc.

Aufsatz, in dem Zunz auf die Zeit hofft, wo „Sauglinge der Frei- m... nixj,„" i~-u _£ • j.- j. l j« j *■_.
, . . , y .. * . , _ , , "iii Diese „Blocke lagen ihm schon griechisch vor, ohne daß er darum eine
heit in den Lochern thronender Schlangen spielen und das vom andere griechische Übersetzung des ATs benutzt hätte. Der Vf. denkt an
untrüglichen Papsttum erloste Europa von Gotteserkenntnis über- „Testimonien", wie sie sich in Qumran gefunden haben. Aber eine endfließt
". So erscheint uns Zunz in Glatzers Briefband als Jude in gültige Entscheidung hält er noch nicht für möglich (182). Vielleicht habe
seinen wissenschaftlichen Leistungen, als Deutscher und Europäer Lukas auch eine Tradition paulinischer Worte besessen,
in seiner zeitpolitischen Aktivität und wieder als Jude und Euro- Die Reden enthalten aber auch kerygmatisches und „Credo"-Mate-
päer in seiner Geschichtserwartung. Glatzers Zunzdeutung gebührt rial, das weniger semitisdi ist: traditionelle apologetische oder liturgische
ein wichtiger Platz unter den Darstellungen der modernen jüdi- Summarien der Evangeliumsverkündigung einer nicht ganz frühen Zelt
sehen Geistesgeschichte. (183). die sich z.T. mit Ignatius, Polykarp und der Didache berühren.
Hamburg H.M.Graupe Auf Grund der Semitismen kommt der Vf. (184) zu dem Urteil:

Lukas hatte gewisse Informationen vor sich: Traditionen von Worten

NJ7 II H1 <2 TESTAMENT Unt* "^aten dcr Pionicre der Kirche. Sie haben für den ersten Teil der

üUliO I ßö 1 A LVl L J I Apg das Material geliefert. Daneben verfügte er über schriftlich fixierten
griechischen Redestoff (benutzt in den Reden des Stephanus und des

Wi I c o x , Max: The Semitisms of Acts. Oxford: Clarendon Press 1965. Paulus Apg 13). „Das Werk ist die eigene Schöpfung des Lukas, aber er

XIV, 206 S., 6 Tab., 1 Abb. 8°. Lw. 50 s. schuf nicht aus Nichts." Er benutzte mündliche und schriftliche Traditio-

Die Frage der Semitismen in der Apg kommt nicht zur Ruhe. nen-

Sie beschäftigt vor allem angelsächsische Forscher, die in den Der Vf. tritt dafür ein, D ("and its allies") stärker zu beaditen,

Sondcrlesarten des (in England besonders geschätzten) Codex obwohl er die These zweier Ausgaben der Apg (Blaß) ablehnt (18 5). Die

Bezae Aramaismen oder Syriazismen vermuten. Der Verfasser, Semitismen der Apg berühren sich am meisten mit den palästinischen

der sich in erster Linie von Matthew Black und dessen berühmtem (gelegentlich auch samaritanischen) Targumen. Auch die Qumrantcxte

Werk, "An Aramaic Approach to the Gospels and Acts" anregen ^ 'fnd wichtig Die Apg sichert so auch wieder das Alter der Tar-

i. n • ^ j n 11 i j fxi.ii j_ gume. Von einem „freien Textgebrauch des Lukas will der Vf. nichts

ließ, ist dem Problem lange und sorgfaltig nachgegangen. .,,;„„„

wissen.

Nach einer Liste der Hauptabkürzungen und einem Verzeichnis der
Tabellen und der Abbildungen bietet Kap. 1, die „Einleitung", (1-19), Der Vf- "at m>, guten Kenntnissen der englisch zuganglichen
eine willkommene geschichtliche Übersicht über die Erforschung der Literatur, großem Fleiß und Besonnenheit gearbeitet. Die Akta-
Semitismen in der Apg in dem Jahrhundert zwischen W. W. Harvey forscher werden gern zu seinem nützlichen Buch greifen. Dennoch
(1857) und H. F. D. Sparks (1950). Kap. 2 (20—55) bespricht atl. Zitate vermögen wir ihm nicht überall zu folgen. Wer den Aufsatz des
und Anspielungen in der Apg und betont besonders die Nähe zu man- Referenten „Zum Text der Apostelgeschichte" (ZThK 54, 1957.
chen palästinischen (gelegentlich auch samaritanischen) Targumen. Kap 3 22-55) kennt, weiß, warum. Wir können das dort Gesagte hier
(56-83) behandelt das Verhältnis der LXX zum Sprachgebrauch der Apg niAt wiederholen, sondern müssen uns auf wenige Beispiele bc-
und sucht dabei wahrscheinlich zu machen, daß Lukas nicht die LAX als schränken
solche benutzte, sondern von den Christen zu apologetischen und liturgischen
Zwecken entlehnte „Blöcke" der LXX. Eine ergänzende Anmer- (l) Der Vf. sieht im Gebrauch des Partizipiums statt eines verbum
kung (84—86) ist den Ausdrücken jtoisiv fiexä xivog und moxzveiv btt finitum einen Aramaismus und sucht das auch in Apg 14, 3 (D) zu ergewidmet
. In Kap. 4 (87—111) werden restliche Semitismen im Sprach- weisen (122 f). Hier lesen D und gig itaxQlyavtK statt des biktQiip**
schätz der Apg untersucht: Akeldamach, Barjesus, bovvai iv, txXfytofou aller anderen Handschriften. Der Text von D (der hier besonders eflt'
iv, im zo avrö, evocftijvai eic, UuAt^e, xafti'Ctiv f.jtt, fte.TavoEiv ano, j/oiW?, stellt ist) lautet: Sutsgtty>ani*xaßt)om/t»*Oi . ., Der lateinische TeX
avmhtnmvoi, xaßt&a. In Kap. 5 (112—153) kommen „andere semitische (= d) der Bilingue (der Codex Bezae bringt ja links einen griechischen.
Elemente in der Apg" zur Sprache: Wortfolge (aus der wenig zu folgern rechts einen lateinischen Text, die freilich nicht immer ganz miteinander
ist), Nebensatz (das aramäische i ), Verbum (Partizipium statt verbum übereinstimmen) lautet nach Ropes (Beg. III 131): commorati sunt. Diesern
finitum), unpersönlicher Plural, Pronomen, „ethischer" Dativ, Präpo- commorati zuliebe ist aus der griechischen Vorlage {St»XQiy>av)
sitionen, semitische Wendungen (ivanvfjvai, Zm tovq nnüag, Qrjfiaxa XaleTv xnapavrfi geworden; das Wort „sunt" aber, dem im griechischen leX
«i'c, nmeXr xoretov, noomftrjvat riav xfjv ödöv avxov), Fehlübersetzungen. nichts entsprach, blieb unberücksichtigt. Es ist dies nur einer der vielen
Die „ergänzende Anmerkung" S. 154—156 ist Apg 14,27 und 8,10 ge- Fälle, in denen die sprachliche Unkenntnis eines überdies nachlässig0"
widmet. Kap. 6 (157—179) handelt von der Quellenfrage in der Apg: Schreibers ein solches Unglück angerichtet hat. Ein ähnlicher Fall Wl
A. Lukas ist nicht unmittelbar von aramäischen oder hebräischen Quellen Apg 5, 22 (D) vor. Während die anderen Handschriften riruor.i«/""'^
abhängig; die atl. Zitate und Anspielungen kamen ihm schon in griechi- fii änr/yyedav bieten, liest D avaaxßtyiartsoKaieattjyytdav. Dieser seh«'
sehen Quellen zu. Am meisten Material hat der Vf. in den Reden des Ste- bare Aramaismus ist dadurch entstanden, daß der entsprechende Text
phanus (Apg 7, 2—53) und Paulus (13,16b—41) und anderen kleineren d lautete: reversi sunt et renuntiaverunt. Da avaoxQey>arxst dem I-1
Redestücken gefunden zu haben gemeint. Aus einer Quelle habe Lukas nischen Wort „reversi" entsprach, hat der Sdireiber es in D ObernonW11
den Stoff für viele Reden und Gelegenheiten entnommen (159). B. Be- aus seiner Vorlage; dagegen hat er „sunt" nicht berücksichtigt. 1" ^
sonders geht der Vf. auf die „kerygmatischen" und „Credo-Elemente" hat er, entsprechend dem Worte „et" in d, das griechische Wort^
ein (156—171). C. Semitismen im eigentlichen Sinn enthalten nach Wilcox seiner Vorlage durch xai ersetzt, ohne von grammatischen Bcdc"jeie
praktisch nur die Kap. 1 bis 15, nämlich: 1,4.19:2,1.3.14.47; 3,2.14 geplagt zu werden. Mein Aufsatz und Actakommentar weisen auch ^
(??); 4, 10.12.13; 5, 26 (D); 6, 11, 13; 7, 52 (D).53; 8, 2.10 (?).22 (?). andere derartige Fälle von Part. + und + verbum finitum bei D a" ' jcX
39.40; 9, 2 etc. 36.40; 10,19.38 (De); 13,6 (D). 11.28 b (D).29b,38. aber z. T. auf andere Weise zustande gekommen sind. Daß der 'Lo
45 b.47 (?); 14, 2 (D).10 (D).21; 15,2(D).7 (Fragezeichen vom Vf.!). Bezae uralte Semitismen erhalten hat, die aus den anderen Handscnr ^
Das Buch schließt mit Kap. 7: „Conclusions" 180—185). Drei Klassen wegkorrigiert worden sind, ist u.E. ein Phantom, das bei genauer
von Semitismen werden hier unterschieden: (a) Wörter, Sätze und Verse, schäftigung mit diesem Codex eigentlich verschwinden sollte.