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Ausgabe:

1966

Spalte:

354-355

Kategorie:

Judaistik

Titel/Untertitel:

Leopold Zunz 1966

Rezensent:

Graupe, Heinz Mosche

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Theologische Literaturzeitung 91. Jahrgang 1966 Nr. 5

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Gestalt (Serenus; der Hinweis auf den Zeitgenossen Abu Isa fehlt) die heidnischen Acta Pilati und Resten ähnlicher L.teratur zu ver-

und der Morphologie des messianischen Zeitalters, die Schilderung gleichen. Hier wartet noch ein nicht einmal ausgemessenes Feld

welches letzeren zwar im allgemeinen in bekannten Farben erfolgt, seiner Bearbeitung. Uberraschend ist, daß nur in den ja schon von

bei dem sich indes auch interessante Einzelheiten finden: die Samm- Strack (Jesus, die Häretiker und die Christen 1910 5. 14 ff) in die

lung derjenigen aus den Völkern, die Israel dienen sollen, wird wissenschaftliche Erörterung einbezogenen Berichten Agobards und

fünf Jahre vor Ankunft des Messias erfolgen (S. 250), der Messias Amolos die Toledoth faßbar werden, während in den Lhsputa-

wartet in einer Höhle angekettet auf den Tag seines Hervortretens tionen selber - wenigstens nach den angeführten Zitaten - nicht

(S 252 f) mit diesem Material operiert wird, wie übrigens auch apokryphe

,„ , ,, „ w• j„ Züge ganz zurücktreten. Ob hier nicht doch mehr aufspürbar wäre?

Hier begnügt sich der Verf. etwas zu sehr mit einer bloßen Wieder- ^ s 8

Rabe der lateinischen Quellen. Rabbinisches Material wird zwar gelegcnt- Die Judentheologie der christlichen Disputanten bewegt sich
lieh nach Jellinek zitiert, aber nicht voll ausgewertet; Boussets und in geläufigen Bahnen. Erwähnt sei die Stimme, die die Juden in
Brierre-Narbonnes Materialsammlungen bleiben ganz unerwähnt. Es ihrem Handeln gegen Jesus als Instrumente Gottes ansieht und
wäre noch viel zu tun, um die genaue Herkunft der messianisch-esdiato- ihnen damit einen geschichtstheologisch notwendigen Standort
logischen Vorstellungen in der westeuropäischen Judenheit zu bestimmen, ejnräumt (S 271) Man vermißt hier ein Eingehen auf die Sonderum
das Gewicht dieses Topos innerhalb der jüdischen Frömmigkeit lesarten des Codex Bezae Cantabrigiensis (vgl. E. A. Lowe, Codices
herauszufinden (auf den ersten Blick scheint es so, daß dieser Bereich L d „ Antiquissirni 1924 p. 49), deren jüdisch-antijüdischer

weniger von messianischen Zuckungen heimgesucht war als der (Jsten) *X,6 , , i. » . . __.' r /n„;<.,.;;„„ , Fin

und in dieser Welt stattgehabte Entwicklungen nachzuweisen (Verf. ver- Charakter schon die Aufmerksamkeit Credners (Beitrage x. Einweist
, freilich etwas allgemein, auf ein antichristliches Motiv bei der zeit- leitung i. d. bibl. Sehr. I 1832 S. 455-518) auf sich gezogen hatte
liehen Ansetzung des messianischen Zeitalters S. 246 Anm. 144). und deren Herkunft vielleicht eher durch den Vergleich mit den in
Zur Christologie im engeren Sinne übergehend befaßt sich Bl. Lyon sich ausbildenden Anstauungen als in^der _von Cr selbst
mit den jüdischen Einwänden gegen Jesus und kommt damit auf ^F^l *■* g *lllastls*eS Judendlristentu™ d". }•
die Toledoth Jeschu zu sprechen für die wir in den Berichten Jahrh.) ^bestimmen ist. Auch eine Durchmusterung des Materials
Agobards3 und Amolos (bzw. Horus von Lyons) mit die frühe- der gotischen Bibel wäre nützlich gewesen

sten Belege haben. Wichtig ist die Feststellung, daß die Zusammen- Ein besonders umfangreicher und sorgfaltig gearbeiteter 1 eil

fassungen der burgundischen Bischöfe je verschiedene Rezensionen behandelt die rechtliche Lage der Juden. Als Sonderfall hebt sich

der Toledoth widerspiegeln (S. 258) *. Ist die Darstellung insofern Spanien heraus, wo sich seit dem Ubertritt Recareds zum Katho 1-

enttäuschend, als keine literarische Analyse vorgelegt wird zismus die Lage der Juden rapide verschlechtert hat, eine Entwick-

(welchen Typen der Toledoth kommen die Berichte am nächsten? lung, der freilich eine Minderheit im gotischen und einheimischen

Wie sind die fragmentarischen Angaben zu ergänzen? Wie ist die Klerus, unter ihnen Isidor von Sevilla, sich entgegenzustellen

Kenntnis der Toledoth in Lyon zu erklären?), so ist sie doch von suchte. Wichtig ist auch das andere Ergebnis, daß sich in den

einer Gesamtschau getragen, die durchaus neu ist: die Toledoth anderen Ländern schon zu Beginn des 11. Jahrh. die Tendenz, die

Jeschu sind nicht, wie man bisher gerne anzunehmen geneigt war, zu den Kreuzzügen und der mit diesen verbundenen Judenpolitik
Zeugnisse einer in der Unterdrückung pervertierten Phantasie, führt, abzeichnet (S. 380 ff).

sondern in polemisch-missionarischer Absicht geschrieben; sie Die Darstellung zeigt, wie viel selbst bei einer Beschränkung

wollen auf jede christliche Behauptung mit einer für die Christen auf dje lateinischen Quellen geleistet werden kann; sie ist ein ganz

vernichtenden Gegenbehauptung antworten. Bl. betont stark den erheblicher Fortschritt gegenüber dem, was bisher vorlag. Das
aggressiven Charakter dieses Schrifttums (S. 171). Dem entspricht Ganze ist ein geradezu aufregend interessant geschriebenes Buch,
es> daß die Toledoth wie die jüdischen Partner in den Disputa- bei dem man es nur bedauern mag, daß der Verf. es nicht in seiner
tionen die volle Verantwortung für die Tötung Jesu übernehmen , Muttersprache abgefaßt hat.

worauf der Verf. mit einem Seitenblick auf die so anders geartete Erlangen Emst Bammel

Situation der Neuzeit (S. 26<>), auf die anscheinend von Jost und -

Grätz inaugurierte Tendenz jüdischer Historiographie, das Schwer- ") Das S. 259 A. 210 mitgeteilte Wort Rathers von Verona gegen

gewicht auf den politisch interpretierten Pilatusprozess zu legen, diejenigen qui Dominum nostmm Jesum Chnstum et ,ps,us sanetam
hoc j . . . t, r.i 1 • • t> JL j Cj*_u genetr eem eos blasphemare permittunt (ähnlich übrigens Koran IV.
besonders hinweist Hat Bl. recht mit seiner Bestimmung des Site« * djc ]en ^ b,oß *uf £jne jüdisdl£

«I Leben der Toledoth, so waren diese mit den Nachrichten über .. ~ j.. .....—u----

Angaben bei L. Zunz, Erlösungsjahre, Ges. Sehr. III 1876 S. 226—31) in

Verspottung des Kindheitsevangeliums.

spiegelt. - Ebenso sind die Aufrichtung eines Eliasaltars durch einen Institut!. 11. Kart. DM 50.-, Lw. DM 55. .

»'zilianischen Juden i J 593 (multos.. . Christianorum ad adorandum prof Glatzer, einst engster Mitarbeiter von Franz Koscnzweig
sa"ilegia seduetione deeeperit Gregor MGH Ep I, 195) und die S. 240 und ßubers Nachfolger an der Frankfurter Universität, emigrierte
"wähnten sabbatarischen Strömungen in der Kirche Roms I. J. 599 als n^ USA un(j jenrt jetzt an der Brandeis University, Waltham
Ausfluß derselben eschatologischen Welle anzusehen. !^ass plannt wurde er durch seine grundlegenden Untcrsuchun-
') S. 169 ist quodam ei... occurrisse unrichtig wiedergegeben. Es gcn Zur Geschichtslehre der Tannaiten" (Berlin 1932) und veredelt
sich nicht um die Begleitung, sondern die Einholung lesu Der sdliedene Arbeiten über Rosenzweig. Seit einigen Jahren be-
Bendit geht soweit mit Joh 12.13 parallel, weicht jedoch insofern ab, als Aäftiet er sidl mit dem Pionier der Wissenschaft des Judentums,
" den Empfang durch Jesu Schüler und nicht durch die Einwohner Jeru- L £ Zunz (l794_lg86). Seincr Veröffentlichung der Korres-

a'ems vorgenommen sein läßt. denz vQn Zunz mjt sdnem Lehrcr S. M. Ehrenberg in Wolfen-

, J Tatsächlich ist sogar der Bericht Agobards selbst nicht e.nhe.t- und dessen (Leopold and Adelheid Zunz. An

Er besteht aus drei Teilen, einer rein von der jüdischen Perspektive . , .,„„ t nn(4nn tai«] folct nun der obige Band von

" gestalteten Skizze des Lebens Jesu (bis zum Einzug in Jemsalem), ^^^^^fS^A^SiL. Die Mehrzahl dieser

einem durch den Hintergrund des christianisierten Römerreiches bestimm- Zunz Brieten, meist ment ßc'en"e" ' , . -r .1 , u

Bericht über Verurteilung und Begräbnis lesu sowie zwei Einzelheiten Briefe ist wieder an die Ehrenbergs gerichtet, ein I eil an den Harn

a«? jüdischen Apostelakten (mit dem ersten Teile enger zusammen- burger Bibliothekar Dr. M. hier und einige andere. Hoffentlich

Sehörend). werden wir von Prof. Glatzer auch eine Sammlung von Zunz

v *> Dies gilt in einem modifizierten Sinne auch für die Agobard'sche weitverzweigtem wissenschaftlichen Briefwechsel erhalten, von

Version, in der zunächst die Einführung des Tibcrius auffällt. Es ist indes dem bisher nur Bruchstücke veröffentlicht wurden.

5* dieser Episode beabsichtigt, Jesus, der sich anscheinend durch ein jn einer ]angeren Einleitung zeichnet der Herausgeber Zunzens

■Är rettcn wffl« auch als vor dem heidnischen Kaiser blamiert er- . wissenschaftliche Entwicklung. Sein besonderes

SSSnvrt iaSSC?' ?aS UrtCi! 2W3r V°v SÄ gC5Pr Augenmerk widmet Glatzer der Zunzschen Geschichtsauffassung,

»tatigt?), die Exckut on aber ist eine Kombination von romischer nugenmern. «• . ..____. ~m

(furca) und jüdischer (Iapis) Justiz Schon in seiner Erstlingsschrift „Etwas über rabbmische Literatur